Der DFB und seine politische Heuchelei
Jetzt gibt es einen Skandal, von dem man sich nicht hätte träumen lassen können, dass das mal passiert. Die deutsche Nationalmannschaft wird in Hamburg ein Testländerspiel absolvieren und hat als Ort für das Abschlusstraining das Station von FC St. Pauli ausgewählt. So weit - so normal. Jetzt ist der FC St. Pauli auch bekannt, für seinen "linken" Fankreis. Immer, wenn innerhalb der Anhängerschaft der Gegner von St. Pauli viele rechte Dummköpfe sind, gilt die höchste Sicherheitsstufe für die Sicherheitskräfte und Ordner. Es ist eigentlich undenkbar, dass St. Pauli Anhänger durch faschistoide, antisemitische, homophobe, ausländerfeindliche oder rassistische Aktionen auffallen. Anders eben bei vielen anderen Fußballklubs. Darunter aber nicht nur z.B. Dresden oder Rostock sondern auch Dortmund usw.
Jetzt bekämpft der DFB öffentlich immer wieder aufkeimende Symbole von Nazis und Rassisten und spricht sich für Toleranz aus. Gerade was den Hass der Rechten auf Schwule und Ausländer angeht (jüngstes großes Beispiel war der Auftritt der Bayern gegen Arsenal als von "Bayern-Fans" versucht wurde, Arsenal zu beschimpfen). Wenn es aber um was Konkretes geht, dann stehen der DFB und die Nationalmannschaft dem Faschismus neutral gegenüber.
Wer jetzt glauben würde, dass sich die alten Herren des DFB selbstverständlich gegen Faschismus positionieren, ist jetzt vielleicht naiv. Aber das sich die Herren aktiv gegen ein Statement gegen Faschismus in den Stadien einsetzten, hat eine neue Qualität. Jetzt wurde zum Abschlusstraining im Stadion der Schriftzug "Kein Fußball den Faschisten" so abgehängt, dass nur noch zu lesen ist "Kein Fußball" (siehe hier). Das hier der Faschismus als "normale Meinung" gesehen wird, gegen die man kein politisches Statement setzen soll, lässt tief blicken. Ich verstehe, wenn tatsächlich streitbare politische Positionen ausgeblendet werden sollen (wg. der Neutralität). Aber dies zeugt doch von - im besten Fall - wenig Fingerspitzengefühl. Im schlechtesten Fall hingegen davon, dass die politischen Glatzen auch im DFB mindestens in der zweiten Reihe an der Macht sitzen.
Ist das nicht ein unglaublicher Vorgang, welcher zu Recht für Empörung sorgt? Kann der Fußball bzw. dessen offizielle Repräsentanten die sich eigentlich gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit aussprechen so glaubwürdig bleiben? Schade, dass hier aktiv etwas kaputt gemacht wurde, was sonst vermutlich nicht mal aufgefallen wäre.
Wegen einer solchen Kleinigkeit würde ich mich überhaupt nicht so aufregen. Die Haltung des DFB ist in meinen Augen klar und eindeutig und braucht nicht dauernd wiederholt zu werden. Politik hat auf dem Spielfeld nichts zu suchen. Ansonsten gibt es nur Ärger.
Da es hier um ein Länderspiel geht, kann sich der DFB in keine Richtung ein politisches Statement leisten. Hier muss man sich neutral verhalten, im Gegensatz zu Ligaspielen oder eben dem DFB-Pokal. Das hat eben nichts damit zu tun, dass man keine Position beziehen will, sondern hier schlicht und einfach nicht darf. Ich dachte eigentlich, dass es bekannt ist, dass man bei Länderspielen anders agieren muss, als bei nationalen Spielen.
Juri1877 hat geschrieben:Die Haltung des DFB ist in meinen Augen klar und eindeutig
Mag eindeutig sein, in diesem speziellen Fall aber einfach nur mehr als dämlich. Selbst wenn man Politik aus dem Fussball heraushalten will, wer kommt denn dann auf die Idee einen Slogan in die Kameras zu halten auf dem "Kein Fussball" steht? Hat der DFB jetzt nichts mehr mit Fussball zu tun? Da hätte man schon den ganzen Slogan verdecken müssen.
Aber auch so finde ich es beschämend, sich auf der einen Seite als toleranter Verband hinzustellen, immer wieder Aktionen gegen Rassismus zu starten und den Fussball als Vorzeigemodell der Integration zu stilisieren und dann verdeckt man ein klares Statement gegen Faschismus, gegen Intoleranz, gegen Rassismus? Das ist doch ein Paradebeispiel der Doppelmoral. Da kann man sich doch nicht damit herausreden, dass Politik nichts im Fussball zu tun hat.
Sorry aber ich finde es dämlich, wenn man sich hinstellt und solche Aussagen trifft. Natürlich hat Politik etwas im Stadion zu suchen. Wo wenn nicht im Sport kann man die unterschiedlichsten Schichten und Menschen zusammenbringen und Vorurteile abbauen? Wo kann man denn so einfach fremde Kulturen integrieren wie im Sport? Bei uns spielen doch auch genug Spieler mit Migrationshintergrund und anderen Hautfarben in der Nationalmannschaft, in den Ligen auch viele Ausländer. Soll man denen jetzt sagen, wenn die rassistisch beleidigt werden, weil es Leute gibt, die einfach nichts in der Birne haben, dass ist schon in Ordnung so und man macht nichts, weil Politik nichts im Stadion zu suchen hat?
Das in der Bundesrepublik Nazismus, Rassismus und Antisemitismus wieder hoffähig gemacht werden, wird mit solchen "Phrasen" eigentlich nur bestätigt. Sich hier hinzustellen und ernsthaft (Achtung: Unterstellung!) sich nicht "politisch massiv rechts" einzuordnen aber zu glauben, gegenüber Faschismus "neutral" sein zu können oder zu dürfen. Nur weil die BRD z.B. Nelson Mandelas Verurteilungen verteidigt hat und auch zu Zeiten der größten Apartheitszeit zu Südafrika gestanden ist, muss man heute doch nicht davon ausgehen, dass man sich nicht gegen Rassismus aussprechen kann. Und gerade eine antifaschistische Gesinnung war auch nach dem Krieg Voraussetzung zur Staatsgründung!
Jetzt stellt man sich hin, und glaubt, dieses Bekenntnis zum Antifaschismus wäre eine verhandelbare "Meinung" und kann nicht offiziell vertreten werden. Ich hoffe, jedem ist klar, dass das bedeutet, dass damit Faschismus gebilligt wird.
Manchmal frage ich mich, welche Leute damals in Rostock-Lichtenhagen Beifall geklatscht haben, als "Rechte" das Asylbewerberheim angezündet hatten und Menschen (also Kinder, Frauen und Männer) in realer Lebensgefahr standen. Solche Haltungen zeigen mir, dass das wohl Bürger "aus der Mitte" der Gesellschaft waren.
Wer übrigens die zahlreichen Kampagnen des DFB verfolgt, kann hier auch nur noch mit dem Kopf schütteln und ernüchtert feststellen, dass das alles nur Alibi-Aussagen sind, weil sonst offenbar Ärger mit der FIFA droht. Die FIFA war übrigens NICHT verantwortlich für die Entfernung/Überdeckung des Spruchs, weil zum einen das Spiel gar nicht in dem Stadion stattgefunden hat (es wurde da nur trainiert) und weil es kein offizielles FIFA-Spiel war. Hier zeichnet allein der DFB verantwortlich. Schön, dass wenigstens Fanverbände aussprechen, was diese Aktion war: ein deutlicher Affront gegenüber den Fußballfans die sich antifaschistisch und antirassistisch verhalten, Aufklärungsarbeit im und um das Stadion verrichten und so dem realen Rechtsruck in den Stadien entgegenschreiten!
Nebenbei: Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen.
Noch ein Nachtrag zum Feingefühl des DFB: 75 Jahre nach dem Beginn des zweiten Weltkriegs am Vorabend eines Spiels gegen Polen (!) streicht der DFB aktiv und bewußt ein Statement gegen den Faschismus. Die Krönung wäre jetzt nur noch das Singen der ersten Strophe der "Nationalhymne". Mehr kann für die Völkerverständigung und das Verhältnis zu Polen nicht getan werden.
Und noch ein Nachtrag: Der DFB hat wenigstens die "Größe", und hast sich offiziell für die skandalöse Aktion des Abdeckens eines antifaschistischen Schriftzuges entschuldigt und auch eingestanden, dass das ein Fehler war (siehe z.B. hier). Jetzt bleibt die Frage: erst gemeint oder nur auf den Unmut von Fans reagiert?
Klehmchen hat geschrieben:Sorry aber ich finde es dämlich, wenn man sich hinstellt und solche Aussagen trifft. Natürlich hat Politik etwas im Stadion zu suchen.
Da führt jemanden einen kleinlichen Rachefeldzug gegen mich, weil ihm meine Meinung nicht schmeckt und sucht sich gezielt meine Beiträge heraus, obwohl ich nicht die einzige Person mit dieser Meinung bin.
Solche Spiele werden weltweit übertragen und nicht überall herrscht unser politisches Verständnis. Wie wäre es denn mit Lobeshymnen auf die Kommunistische Partei in China oder auf Kim in Nordkorea. In Brasilien sind Fußballfans die eifrigsten Homophoben. Wer hier Politik im Stadion haben will, gibt sämtlichen Diktatoren auf der Welt eine Freifahrkarte, ebenso ihre politischen Vorstellungen in den Sport einzubringen. Deshalb bin ich unbedingt dagegen. Dieser Schuß geht nach hinten los.
Juri1877 hat geschrieben:Solche Spiele werden weltweit übertragen und nicht überall herrscht unser politisches Verständnis. Wie wäre es denn mit Lobeshymnen auf die Kommunistische Partei in China oder auf Kim in Nordkorea. In Brasilien sind Fußballfans die eifrigsten Homophoben. Wer hier Politik im Stadion haben will, gibt sämtlichen Diktatoren auf der Welt eine Freifahrkarte, ebenso ihre politischen Vorstellungen in den Sport einzubringen. Deshalb bin ich unbedingt dagegen. Dieser Schuß geht nach hinten los.
Du meinst also es ist besser seine Augen zu verschließen und es auch zu tolerieren, wenn ausländische Spieler verunglimpft werden? Sicher geht es nicht darum den Fussball zum Spielball der Politik zu machen und als Wahlkampfveranstaltung zu nutzen. Aber Menschenrechte müssen auch hier gewahrt werden dürfen und da gehört es eben auch dazu, dass man sich doch wohl gegen verbrecherische Ansichten zur Wehr setzen darf.
Abgesehen davon wird gerade in Diktaturen der Sport sowieso massiv ausgenutzt um seine eigenen Vorstellungen und seine eigene Herrschaft zu stilisieren. Gerade da bekommst du egal wie sehr du es willst die Politik sowieso nicht aus dem Stadion.
Klehmchen hat geschrieben:Du meinst also es ist besser seine Augen zu verschließen und es auch zu tolerieren, wenn ausländische Spieler verunglimpft werden? Sicher geht es nicht darum den Fussball zum Spielball der Politik zu machen und als Wahlkampfveranstaltung zu nutzen. Aber Menschenrechte müssen auch hier gewahrt werden dürfen und da gehört es eben auch dazu, dass man sich doch wohl gegen verbrecherische Ansichten zur Wehr setzen darf..
Der DFB hat zum Thema Rassismus sehr klar Stellung bezogen und deshalb halte ich diese Diskussion eindeutig für überzogen. Hier wird aufgrund einer Entscheidung versucht, alles vom DFB schlecht zu machen und die Leute in die rechte Ecke zu schieben. So etwas ist Quatsch und schlichtweg widerwärtig.
Juri1877 hat geschrieben:Hier wird aufgrund einer Entscheidung versucht, alles vom DFB schlecht zu machen und die Leute in die rechte Ecke zu schieben.
Das ist wohl schon eher lustig - denn wer schiebt hier wen? Mit so einer "Entscheidung" stellt bzw. bekennt sich der DFB eben genau zu dieser "Rechten Ecke" und muss da gar nicht hingeschoben werden. Dann ist das natürlich ausgesprochen unklug ernsthaft zu behaupten, dass Politik nichts im Stadion zu suchen hätte.
Denn es ist die FIFA, die UEFA aber auch der DFB welcher EXPLIZIT vorgeblich gegen Rassismus und Diskriminierung sehen. Was glaubst du, wer den Spott bzgl. "Respekt" bezahlt, welcher vor jedem CL-Spiel ausgestrahlt wird und in dem gegen Rassismus gesprochen wird? Siehst du das als unpolitisch an?
Jetzt ist es so, dass bei einem Profi-Fußballverein der Verein und das Umfeld diesen DFB-Phrasen Leben einhaucht und der DFB stellt sich ähnlich dumm wie die Staatsanwaltschaft in Stuttgart, welche im Tragen von durchgestrichenen Hakenkreuzen eine Verherrlichung des Nazi-Regime erkannt haben will.
Allein die jeweils immer nachgeschobene Entschuldigung für solche dummen Aktionen durch die Pressestelle des DFB lässt vermuten, dass sie wissen was sie tun und auch wissen, dass deren Botschaften ankommen.
Es wird also bei dem bleiben, dass rechte Hooligans immer noch gern gesehene Gäste sein werden. Aber wehe linke Ultras machen auf das Problem aufmerksam. Dann haben wir ein Problem eben mit jenen Ultras?
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