Auf entspannte Kindheit anderer neidisch sein
Der jüngere Stiefbruder meines Freundes macht gerade seine Ausbildung. Ich glaube, die gefällt ihm nicht so gut und er nutzt auch manchmal die Chance, da blau zu machen. Er hat sich beispielsweise mal längere Zeit krank schreiben lassen, obwohl er nicht wirklich was hatte. Und was ich schön findet, ist, dass er das auch darf. Da meckern die Eltern nicht.
Das finde ich toll. Ich habe im Studium auch manchmal geschwänzt, gerade wenn eine Vorlesung sehr früh war, aber das hätte ich nie meinem Vater sagen dürfen, da hätte ich mir was anhören dürfen. Ich bin richtig neidisch, dass dem Stiefbruder meines Freundes gar kein Druck gemacht wird. Er wird auch nicht gedrillt, überall sehr gute Leistungen zu bringen, sondern kann einfach sein, wie er ist.
Bei mir hat mein Vater immer gemeckert, wenn ich irgendwo nur eine 3 hatte, das fand ich richtig furchtbar. Und ständig wurde mir Druck gemacht, dass ich mich ja anstrengen soll und dass diejenigen, die keine guten Schulleistungen haben oder kein Abitur haben, je ohnehin alles Verlierer seien.
Dagegen ist die Kindheit des Stiefbruders meines Freundes richtig entspannt. Ich bin richtig neidisch, dass der so eine schöne Kindheit hat, ohne Leitungsdruck und denke mir dann, so hätte es bei mir auch sein können, wenn meine Mutter sich einen anderen Mann ausgesucht hätte.
Seid ihr auch auf die Kindheit anderer neidisch? Wünscht ihr euch, dass etwas anders gelaufen wäre, wenn ihr bei anderen seht, wie es auch hätte sein können?
Ich hatte eine sehr sehr strenge Erziehung mit Leistungsdrill und allem. Aber ich habe dennoch nie andere Kinder wegen vergleichsweise "lockeren" Eltern oder so beneidet. Denn die Erziehung oder Prägung hat mich zu dem gemacht was ich heute bin. Hätte ich eine komplett gegenteilige Prägung erhalten wäre ich ein komplett anderer Mensch und ob dieser Mensch unbedingt "besser" sein muss sei jetzt mal dahin gestellt.
Dieser Mensch hätte dann aber eine schönere Kindheit gehabt und würde nicht insgeheim den Vater für seine Strenge hassen. Und wenn ich immer ein wenig deprimiert bin, wenn ich sehe, wie schön es andere haben, dann muss da ja etwas schief gelaufen sein. Die Kindheit bekommt man nie mehr zurück, das lässt sich nicht wieder gut machen.
Ich hatte eine, wie ich finde eher unentspannte Kindheit, weil meine Eltern mich nicht so sehr in meiner Person bestärkt haben und mir auch wenig Liebe gegeben haben. Deswegen beneide ich schon die Leute, die dann von ihren liebevollen Eltern erzählen, die dann auch ein sehr gutes Verhältnis haben. Wobei ich dann auch nicht irgendwie missgünstig bin, ich gönne es jedem, aber ich hätte es mir eben anders gewünscht.
In dem Fall der strengen Erziehung, finde ich es besser zu signalisieren, dass man nicht wegen irgendwelchen Launen zu Hause bleiben sollte. Immerhin bringt einem das im Job auch nicht weiter und am Ende bleibt man auf der Strecke, weil man nicht gelernt hat auch mal Dinge zu machen, auf die man keine Lust hat. Zu lockere Erziehung finde ich gerade in dem Punkt einfach nicht gut, weil es dem Kind schadet.
Warum sollte ich meine Zeit damit verbringen, auf andere und deren Kindheit neidisch zu sein? Damit vermiese ich mir doch nur selbst mein Leben. Außerdem ist es immer eine Frage des Standpunktes. Freundinnen waren früher durchaus neidisch, dass ich so gut wie nie in der Schule war und trotzdem gute Noten hatte und keinen Stress bekommen habe.
Und natürlich ist das eine nette Sache. Aber dass ich beispielsweise lieber ein eheliches Kind gewesen wäre, das wurde dann nicht gesehen. Heute kann ich nachvollziehen, warum meine Mutter meinen Vater als Partner wollte aber ein Zusammenleben abgelehnt hat. Als Kind fand ich das weniger witzig. Lieber hätte ich diesen Opa als Vater daheim und eine Hausfrau als Mutter gehabt. Noch schöne hätte ich einen normal alten Mann als Vater und Ehemann gefunden.
Aber was bringt es mir, auf Freundinnen neidisch zu sein, die das hatten? Das war jede andere, weil man eben gefälligst nur ehelich geboren wurde. Nur davon ändert sich nichts. Jeder muss mit dem Arbeiten, was er hat. Und so lange keine extreme Gewalt, Vernachlässigung oder gar Missbrauch im Spiel ist, geht es anderen nur auf den ersten Blick anders. Jeder hat irgendwo seinen persönlichen Haken in der Kindheit, wo er sich gewünscht hätte, das irgendetwas anders gelaufen wäre.
Es ist nur die Frage, ob man sich an diesem Haken hochzieht oder ihn als gegeben hinnimmt. Denn ich kenne die Probleme meiner Kindheit durchaus. Aber ich habe mich trotzdem nie benachteiligt gefühlt. Schließlich konnte ich an den Umständen nichts ändern. Ich konnte nur das Beste daraus machen. Und dann findet man seine Nische und fühlt sich trotzdem wohl.
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