Akzeptanz von Kindlichkeit in verschiedenen Kulturen

vom 31.03.2014, 00:40 Uhr

Ich lese ab und zu ganz gerne Reiseblogs. Insbesondere Berichte von Leuten, die in verschiedene asiatische Länder oder nach Südamerika gereist sind, interessieren mich sehr. Und beim Lesen von mittlerweile einer Vielzahl solcher Berichte, die normalerweise von Europäern geschrieben worden sind, ist mir eine Sache immer wieder aufgefallen: Viele europäische Reisen sind von Verhaltensweisen oder Traditionen, die in Asien als normal gelten, oftmals etwas irritiert. Häufig werden diese Dinge als kindlich, unreif, unerwachsen empfunden.

So scheinen sich viele Leute beispielsweise zu wundern, wieso Bauzäune in Japan teilweise mit Tierfiguren dekoriert sind, ganz einfach, damit das netter aussieht. Ebenso empfinden viele Leute es wohl als befremdlich, wenn man Manga-Figuren auf Warnschildern, auf Flugzeugrümpfen oder auf Postautos sehen kann. In Thailand hat die Post beispielsweise auch ein Maskottchen im Manga-Stil, einen großäugigen Briefträger, und dieses Logo ist auf vielen Paketen und großen Umschlägen für Warensendungen, die man direkt in den Postfilialen kaufen kann, aufgedruckt.

Auch Hinweisschilder, sogar teilweise Warnschilder, sind manchmal nicht nur mit einem Text versehen, sondern ebenfalls mit einem Piktogramm, das von europäischen Reisenden oft als kindlich wahrgenommen wird. Und so etwas gibt es nicht nur in Thailand oder Japan, sondern beispielsweise auch in Taiwan, in Teilen Chinas und in Teilen Südkoreas. Ich glaube, in Kambodscha habe ich das auch schon einmal gesehen.

Passend zu der alltäglichen Niedlichkeit gibt es dann auch noch bei einigen Frauen die Tendenz, sich eher "niedlich" zu kleiden und zu benehmen. Ebenso gibt es in Asien unter vielen Männern keinerlei Problem, bunte Kleidung zu mögen, oder sich offen enthusiastisch über kleine, niedliche Tiere, seien es nun Schoßhündchen oder Küken, zu äußern. Ein Verhalten, das in Europa viele Leute als unmännlich betrachten, das viele jüngere Leute als "schwul" oder "tuntig" ablehnen, während in vielen Gesellschaften Asiens so ein Verhalten unter Männern als völlig in Ordnung und normal gilt.

So haben asiatische Männer hier eben teilweise den Ruf weg, weich, verweiblicht oder "tuntig" zu sein. Dabei hat das mit Verweiblichung nichts zu tun, sondern einfach nur mit anderen Bildern von Männlichkeit und Weiblichkeit. Diese sind schließlich von Kultur zu Kultur sehr unterschiedlich, auch, wenn viele Leute mit starren Klischeevorstellungen im Kopf sich das kaum vorstellen können oder wollen.

Wie man sieht, haben Dinge, die als kindlich oder kindisch gelten, in verschiedenen Kulturen einen unterschiedlichen Stellenwert. Ich würde sogar sagen, während hier in Deutschland viele Leute es kindlich finden, einen kleinen Hund niedlich zu finden, wird das beispielsweise in Japan als keineswegs kinderspefizisch betrachtet. Ebenso haben Manga-Darstellungen hier oftmals den Ruf, Kinderkram zu sein, während in vielen Ländern Asiens dieser Behauptung deutlich widersprochen würde. Daher schreibe ich in diesem Beitrag auch von Dingen, die als kindisch betrachtet werden, und gezielt nicht von Dingen, die kindisch sind. Denn das ist wirklich keine eindeutige Beurteilung, sondern überall kulturell bedingt unterschiedlich.

Aber wie sieht es nun in anderen Kulturen aus? Ich kenne nur das, was ich hier in Deutschland im Alltag mitbekomme, sowie die Situation in einigen Teilen Asiens. Aber wie sieht es mit Kindlichkeit oder Niedlichkeit in anderen Ländern aus? Welche Länder sind da sehr restriktiv, also sehen gewissermaßen vor, dass ein erwachsener Mensch nichts niedlich finden und sich auch nicht mit solchen Sachen beschäftigen sollte? Welche Länder sind hingegen völlig offen, was das betrifft? Und kann man irgendwie logisch begründen, wie die jeweilige Gesellschaft zu dieser Tendenz gekommen ist? Hat das irgendwelche historischen Gründe?

Eine ganz andere Sache, die mir dazu einfällt, wäre dann übrigens noch die religiöse Tendenz zum Animismus, also zum Glauben an Geister und Ahnen, die es in vielen Ländern Asiens gibt. Es ist in diesen animistischen Gesellschaften üblich, seinen Ahnen Opfergaben hinzustellen, beispielsweise Reis, Getränke, oder Blumen.

Ebenso wird beispielsweise in Thailand davon ausgegangen, dass jedes Stück Land von Naturgeistern belebt wird. Wenn man das Land bebauen möchte, wird als Entschuldigung ein kleines Geisterhaus aufgestellt, auf dem man einige Dinge anbietet, um sich für die Übernahme des Landstückes zu entschuldigen und die Geister zu besänftigen. Ein religiöser Glaube, über den sich schon viele Europäer lustig gemacht haben, weil sie das als völlig irrational und unlogisch empfinden. Geisterglaube im Allgemeinen wird gerne als Kinderkram klassifiziert.

Jeder gläubige Animist würde da aber bloß mit dem Kopf schütteln. Für jemanden, der daran glaubt, und das sind in Asien wirklich nicht wenige Leute, ist das Vorhandensein von Naturgeistern eine alltägliche Selbstverständlichkeit, die mit irgendeinem kindischen Aberglauben nichts zu tun hat. Für die meisten Europäer hingegen ist es einfach nur "naiver Kinderkram". Ich glaube, auch diese Sache ist so ein Aspekt, wieso einige Europäer dazu neigen, Asiaten als kindlich oder naiv zu betrachten.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Ich vermute mal, dass dem ein ganz anderes Konzept von Kindlichkeit in beide Gebiete der Erde zu Grunde liegt. Also auch eine Frage dessen ist, wie man Kinder beurteilt. Ich kann nicht von allen asiatischen Ländern sprechen. Aber der Umgang mit Kindern ist dort in vielen Ländern einfach auch anders. Am ehesten kann man vielleicht noch in Europa aus meiner Erfahrung Italien mit Asien vergleichen. Also einerseits eine relativ strenge Erziehung aber trotzdem gepaart mit viel Liebe für die Kinder und herzliche Zuneigung.

Und auch wenn mittlerweile sich in Deutschland viel in Sachen Kindererziehung anders läuft, sitzt unterbewusst in manchen Köpfen eben doch noch die Harte Zeit als Erbe, als man Kindern eben eiskalt Flausen ausgetrieben hat und man Gehorsam forderte. Ich weiß nicht, ob das jetzt so klar wird, aber Kindlichkeit wird oft eben schnell mit Unreife oder geistiger Behinderung oder Entwicklungsstörung gleich gesetzt. Also wenn es einem an dem so genannten Ernst mangelt, der einen Erwachsenen nach Mainstream Meinung so auszeichnen sollte, der einem normalem Beruf nach geht und nicht gerade Künstler, Erzieher oder Rebell ist.

Und weil die eigenen Landsleute eben auch schnell in so eine Schublade gesteckt werden, wenn die außerhalb gesellschaftlicher Zeiten wie zum Beispiel Karneval oder beim Besäufnis abweichen, dann wird das eben auch schnell auf andere Kulturen übertragen. Und dass man hier vermutlich auch mehr Bedarf an Lockerheit hat, zeigt meines Erachtens nach schon, dass es eben Rituale wie Karneval, Vatertag, oder das Oktoberfest gibt, wo man sich mal herrlich unerwachsen und unseriös entspannen kann.

Andere Kulturen aus der Brille der eigenen Kultur zu beurteilen, ist sowieso meist zum Scheitern verurteilt. Vor allem dann, wenn es um soziale Verhaltensweisen und Kulturelles geht. Aber längst nicht alle Leute sind so durch und durch reflektiert, dass sie sich dabei ertappen würden oder ertappen lassen wollten.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


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