Fasten kulturell bedingt?
Mir ist schon seit einiger Zeit aufgefallen, dass es offenbar ganz unterschiedliche Definitionen von Fasten gibt. So verstehen die Katholiken beispielsweise darunter, dass man in der Fastenzeit eben auf bestimmte Dinge verzichtet, sei es jetzt auf Schokolade, Fleisch oder Alkohol. Ansonsten essen sie ganz normale weiter.
Bei den Muslimen ist das jedoch so, dass sie im Ramadan den ganzen Tag über nichts essen und nichts trinken, erst nach bzw. vor Sonnenuntergang. Davon ausgenommen sind Kinder, Kranke und Schwangere.
In meiner Kultur ist das jedoch ganz anders. Hier wird nur gefastet, wenn man erstens gläubig ist und zweitens ein Gebetsanliegen hat. Hier gibt es keine festen Zeiten wie die Fastenzeit bei den Katholiken oder den Ramadan bei den Muslimen. Man betet und fastet, wenn man ein Anliegen hat. So habe ich beispielsweise mal mitbekommen, wie einige Bekannte sich zusammen geschlossen haben um gemeinsam zu fasten und zu beten, weil ein Angehöriger im Krankenhaus gelandet war und man eben wollte, dass es dieser Person schnell wieder besser geht.
Ich selbst habe noch nie gefastet, da ich nicht religiös genug bin. Aber dennoch hat mich meine kultureigene Definition vom Fasten ziemlich geprägt. So fand ich es immer verwirrend, wenn ich gehört habe, dass die Katholiken fasten würden. Ich habe dann immer gedacht, dass diese erstens gar nichts essen und dass sie zweitens ein dringendes Gebetsanliegen haben.
Die Definition aber auch die Praxis des Fastens ist also kulturell bedingt. Aber wie kommt es, dass sich die Auffassungen so extrem voneinander unterscheiden? Wie stark hat euch eure Kultur bei diesem Begriff geprägt?
Ich habe einen christlich-abendländischen kulturellen Hintergrund, welcher mich natürlich auch geprägt hat, auch wenn ich mich nicht als sonderlich religiös ansehe. Ich habe auch die Fastenzeit noch nie ernsthaft eingehalten. Die spirituelle Herangehensweise bringt mir persönlich wenig, und rein aus gesundheitlichen Gründen kann ich fasten, wann ich will. Mir erscheint es sowieso absurd, religiöse Motivation mit "Diät halten" oder "Rauchen aufgeben" zu verquicken, wenn man sonst auf das ganze christliche Theater sowieso pfeift.
Natürlich ist die Vorstellung einer Fastenzeit kulturell bedingt und wird entsprechend unterschiedlich ausgelegt. Religions- und kulturübergreifend scheint es sich dabei ganz grob verallgemeinert um eine begrenzte Zeit des Verzichts und der Neuorientierung zu handeln. Gewisse religiöse und spirituelle Vorstellungen gehen im Alltag ja gerne unter oder werden von "weltlichen" Vergnügungen und Lastern verdrängt. In einer Fastenzeit kann man sich neu sortieren und sich wieder klar darüber werden, was im Leben noch wichtig ist außer Spaß und Konsum. Und wenn man bewusst auf etwas verzichtet, merkt man ja oft erst, wie abhängig man ist und kann darüber nachdenken, ob einem die Abhängigkeit wirklich gut tut und gefällt.
Davon, dass man fastet, um ein bestimmtes Gebetsanliegen beim Allmächtigen vorzubringen, habe ich wiederum nur selten gehört. Vielleicht dient Fasten so als Beweis, dass man es wirklich ernst meint und auch bereit ist, etwas dafür zu tun, wenn man erhört wird. Manche fasten auch aus Solidarität mit den Armen oder Kranken. Gründe zu fasten gibt es also genug, aber so unterschiedlich kommen sie mir eigentlich gar nicht vor.
Die christliche Fastenzeit im Westen und Norden Europas hat ganz einfach praktische Gründe. In der Zeit vor Ostern sind in früheren Zeiten die Vorräte knapp geworden. Da bot es sich an, diese sowieso mageren Zeiten mit Fasten zu verbringen.
Entsprechend sind auch heute noch die Bräuche. Krapfen, Berliner Ballen und was es sonst an Gebäck für die Fastnachtstage gibt, sind entstanden, um die Vorräte an Milch, Schmalz, Butter, Zucker und Eiern zu verbrauchen, damit die Sachen nicht schlecht werden. Nicht umsonst nennt man diese Tage anderswo Mardi Gras oder Pancake Tuesday.
In der Fastenzeit keine Milch zu verbrauchen hat auch noch den Vorteil, dass dann damals automatisch die Kühe trocken standen. Sie wurden genau in der Zeit nicht gemolken, in der das neue Kalb stark wächst und viel Energie braucht, wobei gleichzeitig damals das Futter knapp war.
Ähnlich ist es mit den Eiern. Die gab es zu dieser Jahreszeit kaum. Außerdem war es günstig, wenn die Hühner früh Jahr das erste Gelegen für Küken voll hatten. Der kirchliche Hintergrund hatte also ganz praktische Folgen für das alltägliche Leben und die Versorgung der Bevölkerung.
Auch die zweite Fastenzeit der Christen fällt in eine Zeit, in der Nahrung eher knapp ist und gutes Haushalten gefragt ist, damit man gut über den Winter kommt. Also gibt es an Sankt Martin die letzte fette Gans und dann wird gefastet.
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