Warum wird Zwang in der Hundeausbildung verharmlost?

vom 19.01.2015, 13:35 Uhr

Noch vor rund 20 Jahren waren mehr oder minder starke Zwänge in der Ausbildung von Hunden ganz normal. Die Ansicht, dass der Hund gehorchen muss war ebenso weit verbreitet wie die Idee, dass Hunde im Rahmen der Ausbildung "abgesichert" werden müssen. Man muss sie sozusagen zu Fehlverhalten verleiten und dann bestrafen, damit sie in der Zukunft zuverlässig gehorchen.

Mittlerweile hat zwar oberflächlich ein Umdenken stattgefunden, aber eigentlich hat sich nur wenig geändert. Sehr gute Arbeiten mit einem Teleimpulsgerät sind per se tierquälerisch. Halsbänder mit Luft, Wasser, Zitronenduft und ähnlichem gelten als sanfter.

Dabei wäre wegen des viel zu starken Impulses mit dieses Halsbändern so eine Arbeit wie mit einem Teletakt gar nicht möglich. Bei diesen als sanft und harmlos angesehenen Mitteln stehen das Unterbrechen eines unerwünschten Verhaltens oder das Auslösen von Meideverhalten im Vordergrund. Das ist weder sanft, noch ist es zeitgemäß.

Das gilt auch Rappeldosen oder Sprühflaschen mit Wasser. Dem Menschen erscheinen sie als vermeintlich sanft. Ihre Wirkung auf den Hund ist aber ganz und gar nicht sanft oder harmlos.

Der gute alte Zwangsapport ist verschrien. Das ist grausam, voller Gewalt und quält den Hund. Ok, das ist tatsächlich keine sinnvolle und nette Art der Hundeausbildung. Leute, die das so sehen, rennen in Scharen zu Seminaren rund um das Thema Apportieren mit Knut Fuchs. Dabei verkauft er die alte Methode nur in einem moderneren und netteren Gewand. Es ist und bleibt aber Zwangsapport.

Cesar Millan ist für viele Hundehalter ein Guru der sanften und hundegerechten Erziehung. Aber sanft ist das rein gar nichts. Er hält sich an die alten Theorien zu Rudel und Alpha und stresst die Hunde mit enormem Druck. Für Ungeübte sind die Sachen verdammt gefährlich, wenn sie an den falschen Hund geraten.

Halsbänder sind heute geradezu Teufelszeug, dass Hunden Schmerzen und Schäden zufügt. Es muss ein Geschirr sein, denn das ist sanfter. Und warum muss ein Hilfsmittel, dass den Hund körperlich einschränkt sanft sein? Warum ist "sanfter Zwang" ok? Warum macht man sich nicht die Mühe und erzieht den Hund? Dann kann er auch Stacheldraht tragen, denn es ist egal, weil kein Druck darauf kommt.

Ist es nicht an der Zeit, diese Scheinheiligkeit zu beenden? Sollten alte Zöpfe nicht endlich abgeschnitten werden? Wird sich je ein vernünftiger Umgang mit Haustieren wie Hunden durchsetzen?

» cooper75 » Beiträge: 13412 » Talkpoints: 516,00 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



Vieles ist einfach traditionell überliefert und man kennt es halt von Opa oder anderen älteren Hundehaltern in der Familie nicht anders. Dann hinterfragt man das nicht unbedingt, denn damals hat das ja auch geklappt. Das soll jetzt ohne Wertung einfach mal so hin gestellt sein. Es ist vielleicht einfach mal nicht so schnell in die Köpfe aller Halter hinein zu bekommen, genau wie bei der Kindererziehung immer noch einige Leute auf die körperliche Strafe schwören, obwohl sie bei Kindern längst verboten ist.

Da ich keinen Hund habe und mir auch die Namen der von Dir genannten Hundetrainer nichts sagen, kann ich auch deren Qualität nicht einschätzen. Wenn du also der Meinung bist, du machst es besser, dann entwickle doch einfach dein eigenes Konzept und vermarkte es. Vielleicht ist es ja so gut, dass es auch anderen Haltern und Huden hilft. Ich finde es halt schwierig, einfach generell zu kritisieren, statt eine konstruktive Alternative anzubieten, die einem wirklich weiter hilft, wenn man seinen Hund zeitgemäß erziehen will.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Ich bin nicht so aktiv in der Hundeausbildung oder auch im Hundesport unterwegs, dass ich da wirklich auf gutem Niveau mitdiskutieren könnte, zumal mir auch Knut Fuchs als Name gar nicht sagt.

Grundsätzlich möchte ich mal anhand deines Vergleichs von Teletakt und Wasserflasche behaupten, dass der Zwang mit der Wasserflasche einfach harmloser wirkt und deshalb auch als harmloser eingeschätzt wird. Wenn man als Mensch zwischen Stromschlag und Nassspritzen durch Wasser entscheiden kann, wird wohl jeder dazu neigen, lieber nassgemacht als "unter Strom gesetzt" zu werden.

Der Gedanke, dass ein elektrischer Impuls Schmerz erzeugt, während Wasser lediglich unangenehm gefühlt wird, führt schnell zu dem Gedanken, dass der Teletakt grundsätzlich mal Tierquälerei ist. Dass beispielsweise die Wasserflasche für den Hund ebenfalls eine Strafe bedeutet und somit ein Meideverhalten erzeugt, wird, glaube ich, aus menschlicher Sicht gerne deshalb verharmlos, weil es erstens äußerlich nicht zu schaden scheint und zweitens eine Ausbildung über Zwang und Meideverhalten recht schnell zum gewünschten Erfolg führt, für den Menschen mithin der bequemste Weg ist, wenn es mit scheinbar sanften Mitteln durchgeführt wird.

Ich glaube, dass man zwar inzwischen soweit ist, in einem Hund allgemein mehr zu sehen, als das Arbeitstier, das ohne Wenn und Aber zu funktionieren hat, andererseits aber diesen Gedanken von Zwang über Bestrafung und Meideverhalten als immernoch bequem und effektiv ansieht. Eine Arbeit über rein positive Bestärkung erfordert -jedenfalls meiner Erfahrung nach- ungleich mehr Zeit und Geduld.

Ähnlich dürfte das Ganze beim Thema Halsband und Geschirr sein. Ein Hund, der mit ganzer Kraft in die Leine rennt und zieht, wird schnell nach Luft ringen, wenn er ein Halsband hat. Als fauler Halter holt man sich dann ein Geschirr und sagt, der Hund bekommt ja nun keine Luftnot mehr. Dass ein falsch sitzendes Geschirr letztlich ebenfalls Schäden hervorrufen kann, wenn es ständig unter Spannung auf den Hund einwirkt, wird gerne übersehen - in der akuten Situation sieht man es ja nicht. Vernünftige Leinenführigkeit zu erarbeiten kostet ja Zeit, Geduld und unter Umständen auch Geld. Das ist das typische menschliche und bequeme Denken von 12 bis Mittag.

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich dein Thema wirklich richtig verstanden habe - wie sieht denn eine Ausbildung bei dir aus?

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» CCB86 » Beiträge: 2025 » Talkpoints: 2,88 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Die Grundidee ist eigentlich simpel, der Hund soll das, was er tun soll auch tun wollen, weil es ihm Vorteile bringt. Er soll wissen, dass er steuern kann, was als nächstes passiert. Ohne Zusammenarbeit erreicht er sein Ziel nicht, macht er mit, hat er es selbst in der Hand, ich meine in der Pfote. :D

Das fängt schon mit der Grundhaltung an sich an. Nehmen wir einen Welpen oder einen noch ziemlich rohen Hund. Mit dem werde ich immer vollkommen frei und ohne Leine arbeiten. Wir suchen uns einen vergleichsweise langweiligen Ort, wenn nötig mit einem Zaun drumherum. Da kann Hund machen, was er will. Ich werde ihn nicht ansprechen, locken oder sonstwie direkt animieren. Allerdings habe ich viel Spaß mit einem Ball oder einer Beißwurst oder Futter, das kommt auf den Hund und sein Alter an.

Die Spielregeln sind schnell klar. Wer meint sich alleine zu beschäftigen, der wird sich langweilen. Wer sich an mir orientiert hat Spaß und bekommt Action. So lege ich die Basics. Anfangs reichen 10 Sekunden Konzentration und schon ist die Übungseinheit vorbei. Ohne Ablenkung lernt der Hund schnell die grundlegenden Dinge und erfährt gleichzeitig, dass sie einfach super sind. Es ist das Größte, Platz machen zu dürfen, es ist einfach genial, kommen zu dürfen.

Im Prinzip geht es immer so weiter. Das, was der Hund möchte, erreicht er auf einem bestimmten Weg. Wenn er den versteht, dann macht er seinen Job auch zuverlässig. Mal ein typisches Beispiel, wo der Hund eigentlich etwas ganz anderes möchte, aber am Ende trotzdem seinen Job macht:

Bei uns in der Prüfung ist die Gegenstandsbewachung Teil der Prüfung. Das muss der Hund alleine können, sein Mensch ist nicht in Sicht. Dass der Hund den Helfer erst angreift, wenn er eine bestimmte Distanz unterschreitet, kann man einfach über eine Leine erreichen. In einem gut sitzenden Hetzgeschirr kann der Hund ohne negative Einwirkungen die Erfahrung machen, dass sich warten lohnt, weil er voreilig lostürmend nicht ans Ziel kommt.

Aber wenn der Helfer den Gegenstand wieder verlässt, muss der Hund auch selbstständig loslassen und wieder bewachen. Das ist jetzt schon schwieriger, da wird gerne am Hund gerissen oder mit Strafe gearbeitet. Es geht aber auch ohne. Wenn der Helfer erstarrt, wird er ziemlich schnell öde. Dann lässt jeder Hund nach einer Weile los.

Findet er jetzt noch am Gegenstand seinen Ball oder was er sonst mag, versteht er schnell, dass sich loslassen und weiter bewachen lohnt. Der Vorteil an dieser Art der Arbeit ist, dass die Hunde zuverlässiger sind. Zwang muss man immer wieder auffrischen. bremst und lenkt der Hund sich selbst, ändert er sein Verhalten nicht.

Wenn man sich daran gewöhnt hat, so zu arbeiten, dauert das alles nicht länger. Meine Jungs sind genauso schnell bereit für die Prüfung gewesen wie anders ausgebildete Hunde. Genauso machen sie im Alltag gut mit. Ich habe ja den Vergleich. Nach rund 30 Jahren mit Hunden im Sport habe ich mehr als einmal umdenken gelernt.

» cooper75 » Beiträge: 13412 » Talkpoints: 516,00 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



Was du da beschreibst, klingt tatsächlich gut durchdacht und in sich schlüssig. Und ja, ich kann mir gut vorstellen, dass eine Ausbildung auf diesem Wege doch sehr schnell zum Erfolg führt, wenn man weiß, was man tut und wie man auf diverse Dinge reagieren muss. Mir jedenfalls gefällt der Gedanke der Zwanglosigkeit absolut und ich habe durchaus vor, mit meinem hoffentlich bald einziehenden Hund auf einem solchen Wege zu arbeiten bzw. eine Hundeschule zu finden, die mir zeigt, wie ich es richtig anstelle. :mrgreen:

Momentan arbeitet er auf seiner Pflegestelle noch mit dem Clicker, was ja letztlich auf einem recht ähnlichen Gedanken beruht - positives Verhalten belohnen und bestärken, Negatives ignorieren. Das hat er seit Welpe an so gelernt, so dass daraus ein freundlicher Hund entstanden ist, weil man potenziell negatives Verhalten schnell umlenken konnte. Auf Grund von Misshandlungen in den ersten Lebensmonaten hat man bei ihm Gott sei Dank immer vermieden, mit Bestrafungen zu arbeiten.

Nun ist es aber ja leider so, dass ein Großteil der Hundehalter (mich eingeschlossen) von dem Verhalten und der Psychologie von Hunden, verschiedenen Methoden und so weiter recht wenig Ahnung hat oder sie erstmal nur aus der Theorie kennt. Die wenigsten Leute werden eine wirklich auf Leistung beruhende Ausbildung wählen, wie es bei deinen Hunden der Fall ist. Das heißt, die Anforderungen sind viel niedriger, die Erfahrung viel kleiner und die Zeit zur gemeinsamen Arbeit geringer.

Ein ganz typischer Fall, mit dem viele Halter zu kämpfen haben, ist ja beispielsweise, dass der eigentlich sehr nette und gehorsame Vierbeiner sich an der Leine gegenüber anderen Hunden aufführt wie eine wilde Bestie. Das dürfte unter anderem auch daran liegen, dass man mit fehlender Erfahrung die Anzeichen nicht früh genug erkennt, nicht früh genug gegensteuert und sich so einen Leinenpöbler heranzieht.

Das ist dann so ein Punkt, wo ein "normaler" Halter sich nochmal mit Erziehungsmethoden, Gehorsamkeit und so weiter auseinandersetzt. Da wird dann oft davon geredet, das negative Verhalten zu unterbinden, anstatt ein anderes, positives Verhalten zu trainieren. Wie beim kaputten Gerät, wo halt der Fehler behoben werden muss.

Und klar, wenn man sich nun nicht die Mühe machen möchte, sich Gedanken um ein Umlenken des Verhaltens zu machen, geht man eben während des Pöbelns mit der Wasserflasche hin - so wie es ja unser aus dem TV bekannter Herr Rütter gerne praktiziert. Scheint ja harmlos, funktioniert, muss also gut sein. Bequeme, einfache Dinge hinterfragt man ja nicht gerne.

Ich hatte mal das Vergnügen mit einem solchen Pöbelkönig im Tierheim. Nachdem wir diesen völlig unerzogenen Rüpel mittels ganz viel Lob, Bestätigung und Leckerchen soweit hatten, dass er toll an der Leine lief und auf Ansagen hörte, daran sogar Spaß hatte, machten wir uns an seine unbändige Pöbelei. Die Idee war, ihm klar zu machen, dass ein ruhiges Vorbeilaufen am anderen Hund ganz toll ist, weil man dann gelobt wird und ein Leckerchen bekommt oder seinen Kong geworfen bekommt.

In der Praxis sah es dann so aus, dass man eigentlich ständig auf der Hut vor anderen Hunden war, um sie vor ihm zu sehen und ihn entsprechend lenken zu können. Denn sobald er einen Hund erspäht hatte, drehte er von Null auf Hundert und war für irgendwelche Ansagen oder Korrekturen nicht mehr empfänglich.

Es hat wirklich viel Zeit und Nerven gekostet, bis wir das erste Mal hoch erhobenen Hauptes, ganz in Ruhe an einem anderen Hund vorbei gehen konnten. Die Kollegen mit der Spritzflasche oder der Wurfkette waren da tatsächlich wesentlich schneller als wir. Das dürfte aber auch nicht zuletzt daran gelegen haben, dass auch ich erstmal lernen musste, den "kleinen" Pöbler (immerhin etwa 30kg) so einzuschätzen, dass ich ihn quasi kurz vorm Lospöbeln daran erinnern konnte, dass er doch eigentlich sehr gut an der Leine laufen kann.

Das heißt, für mich war das Ganze viel mehr Konzentrationssache und Lernprozess als für die, die einfach den schon pöbelnden Wüterich mit Hilfsmitteln unterbrochen und bestraft haben. Für jemanden, der die Hundesprache verstehen und kleine Anzeichen erkennen kann, wäre das vermutlich wesentlich einfacher und weniger zeitraubend gewesen.

Wenngleich ich also den Gedanken nicht teile, kann ich durchaus verstehen, wenn Halter auf die Idee kommen, mit Strafe und Vermeidung zu arbeiten, weil sie selber dafür nichts lernen müssen. Dass man sich das dann schön redet a la "Es tut ihm ja nicht weh", ist wohl leider auch nur all zu menschlich.

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» CCB86 » Beiträge: 2025 » Talkpoints: 2,88 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


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