Wer kann oder darf in einer Behindertenwerkstatt arbeiten?

vom 01.06.2015, 12:41 Uhr

Man hört immer wieder von Behindertenwerkstätten. Aber was ist dies eigentlich genau? Arbeiten dort nur körperlich oder auch geistig "Behinderte"? Wie wird die Arbeit dort vergütet? Wie weit werden diese Werkstätten staatlich unterstützt?

Mir geht es darum, mir konkret vorstellen zu können, wie die Arbeit dort wirklich aussieht und welche Möglichkeiten man als Behinderter dort normalerweise hat und welche Standards es in Deutschland oder auch aus Österreich dafür gibt.

» Juri1877 » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



In einer Werkstatt für Behinderte können und dürfen sowohl körperlich, als auch geistig behinderte Menschen Arbeiten. In Deutschland findet ein sogenanntes Einstufungsverfahren statt, bei dem innerhalb von vier bis sechs Wochen festgestellt wird, was der Einzelne leisten kann und wo er besonders gefördert werden kann oder muss.

Bis hier klingt das alles noch ganz nett. Das fiese kommt sozusagen erst jetzt. Denn behinderte Menschen, die in speziellen Werkstätten arbeiten, erhalten nur ein Entgelt, sie bekommen keinen Lohn. Das ist wichtig, denn so gehört eine Werkstatt für Behinderte nicht zum ersten Arbeitsmarkt und fällt damit nicht unter den Mindestlohn.

Also die Angestellten, die dort als Betreuer tätig sind, erhalten natürlich Lohn, aber den Behinderten Menschen wird das vorenthalten. Sie erhalten ein Sockelentgelt von üppigen 75 Euro pro Monat plus 26 Euro zur Arbeitsförderung. Toll, oder? Natürlich wird das über Leistungsstufen ausgeglichen. Davon gibt es vier. Wie die genau funktionieren, legt jede Einrichtung in ihrem Vertrag fest.

Der Gesetzgeber sagt, dass 70 % der Gewinne aus dem Arbeitsergebnis auszahlen müssen. Die meisten Einnahmen kommen aber über die Zuwendungen, daher ist dieser Teil ziemlich lachhaft. In der Regel gibt es zwischen 50 und 600 Euro auf das Sockelentgelt drauf. Die Leistung des Behinderten spielt bei der Berechnung keine Rolle. Das mag bei einigen Behinderungen fair sein, bei anderen ist es das nicht. Denn solche Werkstätten erledigen auch durchaus die Buchhaltung für Firmen.

Wer solche eigentlich gut vergüteten Aufgaben übernimmt, bekommt zwar eine höheren Leistungsstufe, aber der Topf der Gesamteinnahmen wächst durch diese Arbeit nicht so stark, dass man generell etwas davon hat. Denn für einfache Holzarbeiten oder ähnliches gibt es wenig. Wenn man bedenkt, dass beispielsweise Gartendeko aus Metall für etwa 15 Euro verkauft wird. Rechnet selbst: Das Metall, die Maschinen, die Werkstatträume, die Aufsicht ... Wie hoch ist dann wohl der Erlös?

Jetzt wird es aber noch fieser. Die meisten Träger bieten die Arbeit in einer Werkstatt für Behinderte zusammen mit einem Platz im Wohnheim an. Der muss natürlich bezahlt werden. Und wer etwas verdient, der muss natürlich selbst dafür aufkommen. Also bleiben behinderten Menschen, die einer speziellen Werkstatt arbeiten und im Wohnheim leben und unter die Grundsicherung fallen meist unter 100 Euro monatlich übrig. Nett, oder?

Mit eigener Wohnung wird es auch nicht besser, weil es ohne Grundsicherung eben nicht zu stemmen ist. Das Konzept müsste dringen überarbeitet werden. Zumindest in der Situation in Deutschland, vielleicht ist es in Österreich besser?

» cooper75 » Beiträge: 13423 » Talkpoints: 517,99 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


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