Zuschauer durch Dokumenationen manipulieren?

vom 23.05.2015, 18:26 Uhr

Ich sah vor kurzem eine Dokumentation mit dem Titel "Iwan der Schreckliche", in dem das Leben des Zaren beleuchtet wurde. Es wurde dann auch sehr viel analysiert und versucht eben seine Persönlichkeit in allen möglichen Facetten darzustellen, wobei meiner Ansicht nach ständig eine Wertung war. So wurde nie neutral berichtet, sondern wie der Titel schon verrät, wurde er eher negativ dargestellt. So wurde er mit der Zeit als Dispot, Tyrann, aber auch Diktator dargestellt und ziemlich mit Stalin verglichen.

In einer Stelle der Dokumentation hieß es, dass die Stadt Nowgorod zu der damaligen Zeit sich nicht wie das Moskauer Reich von Landwirtschaft ernährte, da die Böden unfruchtbar waren und keine Erträge lieferten. Stattdessen hatte sich Nowgorod auf den Fernhandel spezialisiert und konnte sich deswegen gute und teure Luxusgüter leisten. Die Bewohner von Nowgorod sollen wohlhabender und auch viel gebildeter gewesen sein als im restlichen Moskauer Reich, sodass der Zar Iwan als sehr eifersüchtig und extrem neidisch dargestellt wurde und dass der Zar laut Kommentator nur deswegen die Stadt unterwerfen und mehr oder weniger "ausradieren" wollte.

Nach etwas Recherche habe ich aber herausgefunden, dass das so gar nicht stimmt. Denn es ist wohl so gewesen, dass in Nowgorod die Bewohner gar kein Interesse am Zaren hatten und seine Befehle gut und gerne ignoriert haben. So wurde auch in den inneren Reihen ein Aufstand initiiert, um sich dem Zaren zu widersetzen. Ich finde es unter diesem Aspekt sehr logisch, dass ein Herrscher etwas gegen solche Leute hat, denn wenn man die gewähren lässt und keinen Gehorsam fordert, dann schafft man einen Präzedenzfall und irgendwann bröckelt das ganze Reich und die Loyalität nimmt ab.

Wie seht ihr das? Lassen sich Zuschauer durch Dokumentationen so leicht manipulieren und glauben alles was man ihnen sagt? Hinterfragt ihr bei Dokumentationen alles, was ihr da seht und hört oder akzeptiert ihr das einfach?

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Jeder Historiker weiß, dass es in der Geschichte nur wenige absolute Wahrheiten gibt. Erkenntnisse veralten und die Überlieferungen werden immer im Licht der Gegenwart und vor dem Hintergrund von Werten und Normen interpretiert, die ebenfalls ständig im Wandel sind.

Nur als ganz simples Beispiel kann man wiederum die Zarin Katharina von Russland erwähnen. Heutzutage gilt sie vor dem Hintergrund der Emanzipation als starke, unabhängige Frauengestalt aus der Geschichte, die als Herrscherin zwar auch nicht makellos war, aber zumindest nicht unfähiger als ihre männlichen Herrscherkollegen.

Es gab aber auch Zeiten, als die Zarin als unnatürliches Monster und sexuell völlig aus dem Ruder gelaufene Hysterikerin verschrien wurde, da politisch mächtige Frauen absolut nicht ins damalige Weltbild gepasst haben. Sie ist übrigens an einem Schlaganfall gestorben.

Natürlich kann man das Publikum auf diese Weise auch manipulieren, aber derlei sinistre Absichten würde ich einer schlichten Fernsehdoku nicht unterstellen. Vielleicht hat man einfach nur aus unterschiedlichen Interpretationen die "griffigste" oder unterhaltsamste gewählt oder war schlicht falsch informiert.

Ich schaue auch recht gern Dokumentationen an und musste schon häufig den Kopf über fachliche und logische Fehler schütteln, die auch dem historisch interessierten Laien sofort auffallen. Deswegen würde ich eher von Unfähigkeit denn von bösen Absichten ausgehen, zumal da Iwan "der Schreckliche" schon lange nicht mehr unter den Lebenden weilt.

» Gerbera » Beiträge: 11332 » Talkpoints: 52,90 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


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