Die politische Lage in Nordrhein-Westfalen

Nachdem bei der Landtagswahl am 09.05.2010 weder die bis dahin regierenden CDU und FDP noch ein mögliches Bündnis aus SPD und Grünen, welche bis 2005 die Landesregierung stellten, eine absolute Mehrheit hatten und Verhandlungen von SPD und Grünen sowohl mit der FDP als auch mit der Linkspartei gescheitert/beendet waren, sah die Lage in Nordrhein-Westfalen zunächst sehr unklar aus. Auch nachdem Hannelore Kraft dank den Enthaltungen aus der Fraktion der Partei die Linke im zweiten Wahlgang zur Ministerpräsidenten Nordrhein-Westfalens gewählt worden war, glaubten viele, dass ihre Amtszeit nicht von dauer sein würde und rechneten damit, dass es durchaus Anfang 2011 Neuwahlen geben könnte, wenn es SPD und Grünen nicht gelänge, eine Mehrheit für den Landeshaushalt zu gewinnen. Kaum jemand glaubte, dass SPD und Grüne die volle Legislaturperiode hindurch regieren würden.

Aus meiner Sicht hat sich die Sitution inzwischen deutlich verändert. Ich würde euch an dieser Stelle gerne meine Beobachtungen und meine Meinung präsentieren und euch dazu einladen, darüber zu diskutieren und eure Meinung einzubringen.

Knackpunkt der Frage, wie lange SPD und Grüne durchhalten werden wird der Landeshaushalt werden, da stimme ich der Mehrheitseinschätzung durchaus zu. Aus folgendem Grund denke ich jedoch, dass der Haushalt eine Mehrheit bekommen wird: CDU und FDP werden den Haushalt in ihrer Rolle als klassische Oppositionspartei ablehnen, daran besteht für mich kein Zweifel. Somit wird es wieder einmal an dem Abstimmungsverhalten der Linkspartei liegen. Und die hat kaum einen Grund, sich nicht zumindest zu enthalten (was eine Mehrheit für rot-grün eräbe), da sie zusammen mit SPD und Grünen auch als Oppositionspartei durchaus Teile ihrer politischen Ziele verwirklichen konnte und können wird und zum anderen auch weiß, dass es zu Neuwahlen kommen wird, wenn sie den Haushalt ablehnt.

Doch Neuwahlen wären das Letzte, was die Linkspartei in Nordrhein-Westfalen gebrauchen kann: Laut aktuellen Umfragen würde sie ihr Wahlergebnis von 5,6% ungefähr halten können, ihr Einfluss im Landtag wäre also nicht größer, sondern möglicherweise sogar geringer: Da die Grünen momentan auch in NRW Umfragewerte von bis zu 19% (im Oktober haben), könnten SPD und Grüne im Falle von Neuwahlen sogar die absolute Mehrheit im Landtag erringen, was den Einfluss der Linkspartei senken würde, da SPD und Grüne zur Umsetzung ihrer Politik nicht mehr auf das Abstimmungsverhalten anderer Parteien angewiesen wären.
So hat die Linkspartei heute beschlossen, dass sie sich bei der Abstimmung um den Nachtragshaushalt enthalten wird und aus meiner Sicht ist es sehr wahrscheinlich, dass man sich auch bei der Abstimmung um den "ordentlichen" Landeshaushalt enthalten wird.

Aber nicht nur die Linkspartei, sondern auch anderen Parteien kämen Neuwahlen nicht gelegen:

Die CDU steht in aktuellen Umfragen mit 31% noch schlechter dar, als bei der Landtagswahl (34,6%) und wird daher kaum ein Interesse an schnellen Neuwahlen haben. Noch deutlicher sieht es bei der FDP aus, die in einer Forsa-Umfrage vom Oktober nur auf 3 % kam und auch auf Bundesebene und in anderen Ländern ähnliche Ergebnisse erwarten dürfte. Sie müsste im Falle einer Neuwahl um den Wiedereinzug in den Landtag bangen. Ihr düfte daher daran gelegen sein, dass es möglichst keine (Neu-)Wahlen gibt, bis sich das Stimmungsbild und das öffentliche Ansehen der FDP gebessert hat. Zudem hat die inhaltliche und personelle Neuaufstellung durch die Wahl des neuen Landesvorsitzenden gerade erst begonnen, weshalb eine Neuwahl momentan insgesamt unpassend wäre.

Die einzige Partei, die ihr ohnehin schon gutes Ergebnis aus der Landtsgswahl verbessern könnte, wären die Grünen und mit ihr würde die SPD profitieren, da sie durchaus die absolute Mehrheit erringen könnten. Doch sollten die beiden Parteien Neuwahlen anstreben, bestünde die Gefahr, dass sie in der Öffentlichkeit dafür abgestraft würden. Man würde ihnen von Seiten der politischen Gegner vorwerfen, nur die guten Umfragewerte der Grünen ausnutzen zu wollen, was sicherlich CDU-Wähler, die im Mai zu Hause geblieben sind, mobilisieren könnte.

Und letztlich bleibt noch ein ganz praktischer Grund: Damit es Neuwahlen gäbe, müsste Hannelore Kraft eine Vertrauensfrage verlieren: Es müsste sich also eine Mehrheit der Abgeordneten gegen sie auszusprechen oder sich zumindest zu enthalten (und damit indirekt für Neuwahlen zu stimmen). Doch die Mitglieder der FDP-Fraktion dürften das persönlich nicht wollen, da jeder einzelne sein Mandat und damit seine berufliche Position verlieren würde. Ähnliches müssten auch einzelne MdL der CDU, der Linken und der SPD befürchten, weshalb sie Neuwahlen - zusätzlich zu den oben beschriebenen Gründen, die eher parteipolitischer und taktischer Natur sind - kritisch gegenüberstehen werden.

Daher denke ich insgesamt, dass es auf absehbare Zeit in Nordrhein-Westfalen keine Neuwahlen geben wird. Die Parteien haben sich - so scheint es mit - mit der momentanen Situation ganz gut arrangiert und aus den oben genannten Gründen dürfte abgesehen von den Grünen und Teilen der SPD niemand wirklich scharf auf Neuwahlen sein. Wie seht ihr das Thema?

Es ist immer wieder interessant, solche alten Beiträge zu lesen, wenn man das Ergebnis schon kennt: Rot und Grün bilden eine Koalition. Die Linke ist wieder raus, da sie nicht überzeugen konnte. Die Piraten sind in ihrer Hochform hineingeschossen. Die FDP ist leider auch noch vorhanden und die CDU wurde böse abgestraft. Mir hätte rot-rot-grün besser gefallen aber vielleicht kommt dies noch.