Bund will gegen Fachkräftemangel vorgehen

vom 10.01.2008, 04:20 Uhr

Angesichts des drohenden und immer wieder angeführten Fachkräftemangels will die Bundesregierung nun eine großangelegte Qualifizierungsinitiative starten welche mit Investitionen von über 500 Millionen Euro in den nächsten 3 Jahren den Mangel an Fachkräften eindämmen soll.

Das der Fachkräftemangel schon lange vor der Tür steht ist kein Wunder angesichts der Tatsache, dass fast jedes dritte Unternehmen derzeit darüber klagt, ausreichend qualifiziertes Personal zu finden – in technischen und in Ingenieurberufen bestünde nach wie vor noch der größte Bedarf.

Nun sollen mehr als 100.000 Ausbildungsplätze für schwer vermittelbare Jugendliche geschaffen werden sowie 1.000 Aufstiegsstipendien für derzeit berufstätige Arbeitnehmer, welche sich mangels Abitur gegen ein Studium entschieden. Über weitere Maßnahmen soll im Herbst diesen Jahres entschieden werden – derzeit ist in Diskussion, mehr Abiturienten für Ingenieurwissenschaften und Naturwissenschaften und Informatik zu begeistern. Außerdem will man, wie in einem anderen Thread bereits angesprochen, daran arbeiten, die Quote der Schulabbrecher abzusenken (momentan 8%), die Studienzulassungen für Berufstätige ohne Abitur zu lockern und die ZVS weiter auszubauen um auch Hochschulen mit Bundesunterstützung stärker einzubinden. Vor allem durch letztere Maßnahme soll das Zulassungschaos, welches zu Mehrfachbewerbungen und auf der anderen Seite zu freien Studienplätzen führt, zu beenden – momentan werden dazu umfangreiche Verhandlungen mit den Bundsländern angestoßen.

Die deutsche Wirtschaft begrüßte das angekündigte Maßnahmenpaket und wertete es als wichtigen Schritt für die Zukunft, auch wenn man der Neuschaffung von 100.000 Ausbildungsstellen für „Altbewerber“ skeptisch gegenüber steht und darin Fehlanreize sowie Mitnahmeeffekte begünstigt sieht, vor allem, da die zusätzlichen Ausbildungsplätze durch Betriebsprämien zwischen 4.000 und 6.000 Euro, je nach Lohnhöhe, geschaffen werden sollen. Ob die dafür eingeplanten 350 Millionen Euro zweckmäßig eingesetzt werden würden bezweifelt man, jedoch zeigte man sich zuversichtlich seitens des Bundes, dass man darum bemüht sei, Missbrauch zu verhindern.

Derzeit ist vor allem die Zahl der Jugendlichen und Menschen ohne Ausbildung ein schwerer Mühlstein um den Bundeshals, da von 735.000 Bewerbern für eine Ausbildungsstelle knapp 385.000 „Altbewerber“ waren, die nicht im ersten Anlauf eine Lehrstelle fanden. Vor allem Hauptschüler sind davon betroffen, denn nach offiziellen Zahlen finden kaum mehr als 25 % nach dem Abschluss eine Lehrstelle, der Großteil steckt davon entweder weiter in der Ausbildungssuche fest oder in Qualifizierungsmaßnahmen. Insgesamt stecken 15 % der 20 – 29jährigen mit Schulabschluss in der Arbeitslosigkeit, welche nachqualifiziert werden sollen.

Neben diesem Paekt soll es ehrenamtliche „Berufseinstiegsbegleiter“ geben, die ähnlich nach Modellen aus dem Ausland eine Patenfunktion beim Wechsel von der Schule in den Beruf übernehmen sollen. Die Berufsberatungen sollen ebenfalls ausgebaut werden.

Das ganze Paket heißt momentan vielversprechend „Aufstieg durch Bildung“ und in der 35 Seiten dicken Vorlage werden auch Studien angeführt, nach denen 2014 knapp 500.000 Akademiker bei der derzeitigen Entwicklung fehlen sollen, was diese vor allem in den steigenden Anforderungen sowie in zu wenigen Studenten und dem baldigen Ausscheiden der älteren Generation begründet sehen. Wie in anderen Threads schon angesprochen, soll die Zahl der Abiturienten diesbezüglich schon 36,6 % pro Jahrgang auf 40 % erhöht werden. Das Freiwillige technische Jahr soll vor allem mehr junge Menschen für die unterbesetzten Ingenieur- und Naturwissenschaften begeistern.

Von Kritikern wurde zu den Plänen geäußert, dass es sich hierbei um ein offensichtliches Eingeständnis hinsichtlich bildungspolitischer Hilflosigkeit handelt, welches offenbart, dass nach der Förderalismusreform weder das Bildungsministerium noch die Regierung genug Macht hätten um die Länder dazu zu bewegen, mehr gegen Schulabbrecher und mehr für mehr Abiturienten und mehr Akademiker zu leisten sowie Migranten besser zu integrieren um deren Aufstiegschancen zu fördern.
Die Opposition sieht in den Betriebsprämien ein einseitiges Mittel und fordert, gleichzeitig von Unternehmen, welche keine Ausbildungsstellen anbieten eine Sonderabgabe (die Linke), erkennt darin ein Klein-Klein ohne echten Mut (Grüne) oder meint, das ganze sei ein Sammelpaket aller möglichen Maßnahmen ohne echtes Ziel (FDP).

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» Subbotnik » Beiträge: 9308 » Talkpoints: -7,05 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Gibt es diesen Fachkräftemangel überhaupt wirklich? Inzwischen habe ich daran starke Zweifel. Mit entsprechender Bildung kann man fast jedem etwas vermitteln.

Was ist überhaupt eine Fachkraft? Ist ein Ingenieur wirklich wichtiger als ein Altenpfleger und was ist ein Mangel? Wenn ein Arbeitgeber nicht mehr mehrere geeignete Bewerber gegeneinander ausspielen kann, ist dies für mich eben kein Mangel. Und inzwischen habe ich eben sehr stark diesen Eindruck.

» Juri1877 » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Gibt es diesen Fachkräftemangel überhaupt wirklich?

Ja, den Fachkräftemangel gibt es wirklich. Nur eben nicht bundesweit, und auch nicht in allen Bereichen. Aber es werden beispielsweise sehr viele gut ausgebildete und erfahrene Ingenieure in Süddeutschland gesucht. Im Norden und vor allem im Osten sieht es da nicht so gut aus. Wer nicht umziehen möchte, wird sicherlich kaum etwas von einem Fachkräftemangel spüren.

Dazu kommt noch, dass die Interessenverteilung innerhalb eines Fachs sehr unterschiedlich ausfällt. Fast jeder Ingenieur möchte doch am liebsten Autos oder Flugzeuge mit entwickeln. Firmen in diesem Bereich werden sich wahrscheinlich kaum über zu wenig Bewerber beklagen müssen. In vermeindlich langweiligen Bereichen wie dem Maschinenbau möchten die wenigsten freiwillig arbeiten. Dort ist dann vermutlich eher ein Fachkräftemangel zu spüren.

Mit entsprechender Bildung kann man fast jedem etwas vermitteln.

Ja, man kann fast jedem irgend etwas vermitteln. Aber man kann nicht jedem alles vermitteln. Die meisten Leute tun sich schon mit der vergleichsweise einfachen Mathematik (das Fach sollte an der Schule eigentlich eher "Rechenhandwerk" heißen) sehr große Probleme. Vielen könnte man auch mit aller Bildung der Welt keine Ingenieursmathematik beibringen - von der "echten" Mathematik oder Physik ganz zu schweigen. Dafür haben die meisten Menschen eben andere Talente.

Ist ein Ingenieur wirklich wichtiger als ein Altenpfleger

Nein, ein Ingenieur ist gesellschaftlich betrachtet ganz sicher nicht wichtiger als ein Altenpfleger. Aber mit der Arbeit eines Ingenieurs lässt sich eben viel besser Geld verdienen. Das liegt einfach daran, dass die Arbeit eines Ingenieurs vervielfältigt werden kann. Ein Altenpfleger kann nur einen Patienten betreuen, aber das Produkt, das ein Ingenieur entwickelt, kann millionenfach hergestellt werden. Deshalb kann man in dem Beruf einfach mehr verdienen.

Einen großen Fachkräftemangel sehe ich außerdem im Handwerk. Wo findet man bitte noch Handwerker, die gute Arbeit abliefern und außerdem freundlich und zuverlässig sind? Die gibt es natürlich, aber die sind meistens deswegen auch hoffnungslos ausgebucht.

» Weasel_ » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



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