Ist Magersucht eigentlich gesellschaftsunabhängig?
Neulich habe ich im Fernsehen einen Beitrag zum Thema psychische Störungen gesehen und es hat mich schon erstaunt, wie viele Menschen in Deutschland betroffen sind. Interessant fand ich aber auch, dass darauf hingewiesen worden ist, dass Magersucht eigentlich kein gesellschaftlich verursachtes Problem ist, sondern es sich um eine Zwangsstörung handelt, wie andere Störungen eben auch.
Mädchen und Jungen würden diese Krankheit entwickeln und dies hätte nichts damit zu tun, dass im Fernsehen irgendwelche Magermodels gezeigt werden. Die Personen haben zwanghafte Angst vor Kalorien und glauben beispielsweise auch, durch Gerüche oder durch Lippenbalsam Kalorien aufnehmen zu können. Es hilft daher auch nur eine strikte Therapie und das Problem kann die Person selbst nicht lösen, da es nicht ihre Schuld ist.
Letztendlich wäre es also verkehrt zu sagen, dass der Magerwahn in unserer Gesellschaft die Magersucht auslöst, das wäre so, wie wenn man sagen würde, dass ein Waschzwang durch eine Sagrotanwerbung oder so entsteht. Könnt ihr die Theorie nachvollziehen und teilt ihr die Meinung oder denkt ihr, dass es dennoch gesellschaftsabhängig ist? Ich finde die Erklärung eigentlich schon plausibel.
Ich habe mal gelesen, dass Magersucht eine "weiße" Krankheit sein soll und diese Krankheit von den den weißen Menschen ursächlich kommen soll. Andere Ethnien sollen kaum davon betroffen sein, zumindest nicht ursächlich. Aber mittlerweile sind die Kulturen so vermischt worden und die Gesellschaft so durcheinander gewürfelt und nicht nur aus einer einzigen Ethnie, dass dieses Phänomen Magersucht übergreift und mittlerweile auch nicht Weiße betroffen sind.
Magersucht ist sicherlich eine echte Krankheit, Die Betroffenen können nichts dafür, sie tragen keine Schuld und haben es sicherlich extrem schwer, ohne Hilfe einen Ausweg zu finden. Aber es gibt sicherlich nicht den einen Auslöser für eine Magersucht, schließlich ist es keine bakterielle Infektion oder eine Viruserkrankung.
Die Gesellschaft trägt sicherlich einen Teil zur Entstehung der Krankheit bei. Aber sie ist nicht der alleinige Auslöser. Meist leiden die Betroffenen unter einem sehr geringen Selbstwertgefühl und sie haben das Gefühl, keine Kontrolle über ihr Leben zu haben, Auslöser finden sich oft in der Familie. Wenn dort der Halt fehlt, weil beispielsweise die Eltern sich unterschwellig über Jahre streiten und die Kinder mit hineinziehen, hohe Erwartungen an ein Kind oder einen Jugendlichen gesetzt werden oder ähnliches, dann ist das ein möglicherweise auslösender Faktor.
Wie Familien leben und dass ein geringes Gewicht als schön und erstrebenswert gelten, das ist sicherlich eine Frage der Gesellschaft. Da liegt eine Diät nahe und damit das Gefühl, endlich etwas voll im Griff zu haben. Der hohe Erfolgsdruck, der Kinder schon ab der Grundschule begleitet, ist auch ein Sache der Gesellschaft.
Aber ob es jemanden nicht so belastet, dass er krank wird oder wie sich diese Belastung dann in einer Krankheit zeigt, das keine Sache der Gesellschaft. Einer bleibt gesund, ein anderer wird magersüchtig, der nächste entwickelt eine Sucht nach nach Essen, wieder ein anderer bekommt eine Bulimie, der nächste ritzt, verweigert sich, bekommt eine Angststörung oder einen Waschzwang. Selbst genetische Komponenten spielen eine Rolle.
Ich denke schon, dass die Gesellschaft und das historische Umfeld eine bedeutende Rolle spielen.
Mein Vater ist noch ein Kriegskind gewesen, der die letzten mageren Jahre als kleines Kind und die mageren Nachkriegsjahre ziemlich bewusst mit erlebt hat. Zu der Zeit, wo die Gedanken aller ständig darum kreisten, wie man sich zu den knappen staatlichen Rationen noch etwas zum Essen dazu organisieren konnte, einfach nur um zu überleben, kann ich mir schwer jemanden mit Magersucht vorstellen.
Denn wenn in der Gesellschaft klar ist, dass jedes Gramm Lebensmittel, egal wie eintönig oder kalorienreich, im wahrsten Sinne lebenswichtig ist, kann ich mir schwer vorstellen, dass da jemand Angst davor hat, zu dick zu werden. Ich kann mir eher vorstellen, dass da ein wenig Speck eher das erstrebenswerte Schönheitsideal war. Zumindest nach dem, was mein Vater als Zeitzeuge erzählt hat.
Damals wurden die Kinder aus der Stadt extra aufs Land geschickt, um sie dicker zu füttern, weil das eben die Chance auf Überleben deutlich erhöht hat. Und das war dann im Bewusstsein tief verankert, dass es gesund ist, ein paar Reserven zu haben.
Bei solchen zeitgenössischen Studien wäre ich immer vorsichtig wie und von wem die gemacht wurden. Wer könnte ein Interesse an so einem Ergebnis haben? Denn bei vielen wissenschaftlichen Arbeiten hängt es extrem davon ab, wie man die Fragestellungen für die Untersuchung formuliert und welche und wie viele Probanden man nimmt.
Ich denke schon, dass die Gesellschaft da einen Teil mit dran Schuld ist. Nicht mal so sehr, weil es da irgendwelche Bilder von schlanken Frauen gibt, aber in jeder Zeitschrift in jeder Klatschsendung sehen wir, dass es doch viel schöner ist schlank zu sein. Schlimmer wird das Ganze dann noch, wenn das eigene Umfeld nicht stimmt und man für sich keinen Halt in der Gesellschaft findet.
Leider gibt es ja auch immer mehr Magersuchtseiten im Internet mit Bildern und Foren, die dafür sind. Da schreiben ja viele rein und dann fühlt man sich auch wieder anerkannt. Die Gesellschaft hat also immer auch eine Komponente bei einer solchen Erkrankung.
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