Woher kommt der Trend zu Tunnel Piercings?

Körpermodifikationen gibt es in allen möglichen Kulturen, und es gab sie auch schon vor vielen Jahrhunderten. Dennoch waren hier in der Gegend eine lange Zeit nur Ohrringe üblich, und dann auch nur bei Frauen. Tätowierungen galten lange als etwas, was nur Kriminelle oder Seemänner hatten. Über Piercings rümpften Erwachsene viele Jahre die Nase und empfanden sie als Selbstverschandelung.

In anderen Gesellschaften waren die Traditionen deutlich anders, wenn man mal bedenkt, dass beispielsweise in Indien seit langer Zeit Frauen Nasenringe tragen, ohne dass irgendjemand dort diese Form von Piercing, und das ist es ja irgendwie, ungewöhnlich fände. Sowieso gibt es kulturell bedingt unterschiedlichste Formen von Körpermodifikation, man denke beispielsweise auch an die Halsringe des Padaung-Volkes in Südost-Myanmar, oder die Lippenpflöcke, die bei verschiedenen afrikanischen Völkern getragen werden.

Heute sind in Deutschland Tätowierungen und Piercings üblicher geworden. Seit einigen Jahren gibt es den Trend zu Flesh Tunnels. Ich finde es erstaunlich, wie viele Leute sich mittlerweile einen solchen Tunnel ausweiten lassen, da das ja schon eine auffällige und nicht ganz unaufwändige Veränderung ist. Neben einigen Leuten, die es einfach selber schön finden, sind da meinen Beobachtungen nach auch ziemlich viele dabei, die es nur mitmachen, weil es gerade "in" ist.

Dass Moden wechseln, dass die "moderne" Kleidungsfarbe in einer Saison mal Grün ist, in einer anderen Blau, ist ja nichts Neues. Dass eine Sache, die körperlich deutliche Folgen hinterlässt, zur Mode wird, finde ich schon erstaunlicher. Ab einer bestimmten Tunnelgröße sieht man ja, selbst, wenn man das Piercing nicht mehr trägt, wohl für immer etwas. Es ist nicht so, wie bei normalen Ohrlöchern, die ja mit der Zeit einfach wieder zuwachsen.

Aber woher kam dieser Trend zu Flesh Tunnels eigentlich genau? Wer hat damit angefangen? Und wieso ließ sich so ein Trend so schnell und extrem etablieren, gerade, wenn man bedenkt, wie ungewöhnlich er ist, im Vergleich zu dem, was sonst so zur Mode wird?

Bereits Tutanchamun hatte gedehnte Ohrlöcher. Ebenfalls waren die geweiteten Ohrlöcher bei den Azteken und Olmeken bekannt und auch Buddha-Statuen hatten sie.

Indische Frauen tragen die Nasenringe aus einem besonderen Grund. Das Piercing schwappte vom mittleren Osten im 16. Jahrhundert über nach Indien. Hier wird es häufig am linken Nasenflügel getragen. Es wird angenommen, dass eine Geburt dadurch einfacher ist. Diese Annahme kommt aus der Ayurveda-Medizin. Die Apatani-Frauen tragen in beiden Nasenflügeln, besonders geweitet, eine runde Holzplatte. Wahrscheinlich deshalb, um gegenüber den Männern der benachbarten Volksstämme nicht begehrenswert zu sein.

Vorbilder für gedehnte Ohrlöcher waren Tutanchamun, Buddha, Moai-Statuen und auch Ötzi. Ferner die schon erwähnten Apatani in Indien, Ureinwohner Brasiliens, Borneos und aus dem Nagaland (Grenze Indien/Myanmar. Es gibt unterschiedliche Bedeutungen von bestimmten Schönheitsidealen zum Statussymbol und Tapferkeit. Über den Grund der Apatani-Frauen schrieb ich schon.

Die Hippies entdeckten auf Reisen nach Indien diese Piercings und übernahmen sie. Mittlerweile haben sie ihren Siegeszug auch im Westen angetreten.