10 Gebote – Gesetze oder Werte?

In einem meiner Seminare gestern sind wir in einer Diskussion ziemlich vom Thema abgekommen, sodass es letztendlich darum ging, ob die 10 Gebote Gesetze oder Werte waren. Ein Student war der Ansicht, dass die 10 Gebote nur so etwas wie Werte waren und keine „juristischen“ Folgen hatten, wenn man diese übertreten hatte. Der Dozent war da anderer Meinung und meinte, dass man sofort mit Bestrafung durch den Staat und die Gesetze zu befürchten hatte, wenn man auch nur ein Gebot nicht beachtet hatte.

Ich fand diese Diskussion sehr unterhaltsam, auch wenn das überhaupt nichts mit dem eigentlichen Thema mehr zu tun hatte. Ich sehe das jedoch eher so wie mein Kommilitone, also dass die 10 Gebote zu der damaligen Zeit eher so etwas wie Werte waren und keine bahnbrechenden Konsequenzen hatten. Zu den bahnbrechenden Konsequenzen würde ich persönlich jetzt zählen, dass man für Mord ins Gefängnis kommt oder dass bei Diebstahl die Hand abgehackt wird oder so.

David hat ja auch Ehebruch begangen laut Bibel, aber eine Strafe im Sinne von Gefängnis oder Geldstrafe musste er nicht zahlen, zumindest ist mir nichts bekannt. König Salomo fiel irgendwann durch seine heidnischen Frauen vom Glauben ab und betrieb Götzendienst. So „richtig“ bestraft wurde er da auch nicht meines Wissens nach.

Wie seht ihr das? Sind die 10 Gebote eurer Meinung nach damals so etwas wie Werte und „Empfehlungen“ gewesen oder doch so etwas wie knallharte Gesetze, deren Übertretungen direkt bestraft wurden? Warum denkt ihr so?

Die Frage an sich ist schon mal falsch gestellt. Die christliche Bibel ist ja kein Geschichtsbuch sondern größten Teils Fiktion, was man zum Beispiel an Vergleichen mit der ägyptischen Geschichtsschreibung sehen kann.

In dem Sinne gibt es also kein "zur damaligen Zeit" oder besser gesagt existiert das nur im Kontext der Bibelgeschichten. Um also herauszufinden, was für Konsequenzen ein brechen dieser Gebote hatte kann man sich also nur auf das verlassen, was dazu auch in den Bibelgeschichten geschrieben wird.

Wenn externe Quellen zum Beispiel von einer Bestrafung für Mord sprechen liegt das nicht an den zehn Geboten sondern daran, dass Mord in vielen real existierenden Gesetzestexten schon seit langer Zeit verurteilt wird. Siehe zum Beispiel Hammurabi.

In den Bibelgeschichten gibt es übrigens hunderte von Geboten, darunter auch richtig obskures Zeug wie das Verbot vom Tragen von Kleidung aus mehreren verschiedenen Fasern. Viele davon werden später überhaupt nicht mehr erwähnt, einige werden gebrochen und vom Gott persönlich bestraft, der seine eigenen Gebote aber selber auch regelmäßig bricht und natürlich nicht bestraft wird. Dieses Buch hätte wirklich einen Lektor vertragen können oder auch zwei oder drei.

Ich befasse mich mit so etwas eigentlich eher weniger. Ich glaube in der heutigen Zeit ist es definitiv etwas anderes, gegen bestimmte Gebote zu verstoßen als damals. Ich denke, um die Frage ausreichend beantworten zu können, muss dazu auch gesagt werden, in welcher Zeit man es denn so sehen möchte.

In der heutigen Zeit sind natürlich einige dieser Gebote Gesetze. Wenn du jemanden umbringst oder etwas klaust, wirst du bestraft und gehst ins Gefängnis. Ich glaube, dass steht auch außer Frage. Wenn man sich die anderen Gebote ansieht, wäre es ziemlich schwachsinnig diese als Gesetz zu sehen. Denn mal ehrlich, wer bekommt schon eine Strafe dafür, dass man "Gott verdammt" sagt? Und wer will das verfolgen? Zudem wäre es auch eine ganz schöne Einschränkung anderer Glaubenskulturen, wenn es ein Gesetz geben würde, dass man nur diesen einen Gott haben darf.

In der damaligen Zeit waren dies aber einfach nur Werte. Damals gab es eben keine Gesetze oder so etwas in der Art und schon gar kein Richter, der prüft und urteilt. Aber ich bezweifle, dass es dort an Bestrafung mangelte. Wenn man jemanden bei etwas "unerlaubten" erwischt hat, ist man sicher auf diesen losgegangen. Mit Sicherheit sind auch viele bestraft worden, auf denen auch nur der Verdacht lag.

Ich sehe es natürlich auch so, dass die Gebote eher Werte als Gesetze sind. Auch für die heutige Zeit sehe ich es so. Aber das dies Werte sind, schließt es eben nicht aus, dass man, wenn man diese bricht, auch mit dem Gesetz in Konflikt kommt. Das sind meiner Meinung nach eben zwei paar Schuhe.