Bewerbung für andere schreiben?
Mein Freund und ich stammen beide aus Migrantenfamilien. Wir selbst sind hier zur Schule gegangen und beherrschen die deutsche Sprache sehr gut in Wort und Schrift. Aber gerade die älteren Generationen haben da so ihre Probleme.
Das führt dann oftmals dazu, dass wir von Verwandten gebeten werden, bei Bewerbungen zu helfen. Besonders bei Eltern oder älteren Geschwistern ist das der Fall, weil diese in der Regel hier kaum zur Schule gegangen sind und Angst haben, dass sie durch falsche Grammatik oder Rechtschreibung potentielle Arbeitgeber abschrecken. Ich bin da auch ein Mensch, der dann sehr gerne hilft, auch wenn es manchmal etwas lästig sein kann und man viel lieber andere Sachen machen würde. Aber aus Liebe zur Familie mache ich das auch ganz gerne und es freut mich auch, wenn die Bemühungen von Erfolg gekrönt sind.
Ich habe aber auch eine Bekannte, die sich diese Mühe gar nicht machen würde. Man muss aber auch dazu sagen, dass sie keinen Migrationshintergrund hat und der Familienzusammenhalt da auch nicht so stark ausgeprägt ist. Dort ist es eher so, dass jeder für sich selbst verantwortlich ist und man keine Hilfe leistet, selbst wenn diese benötigt werden sollte. Ich finde das schon traurig und krass und kann das nur bedingt nachvollziehen.
Einerseits denke ich mir, dass Hilfe bei Rechtschreibung und so weiter bei Einheimischen wahrscheinlich nicht so notwendig ist wie bei Migranten, sodass es nicht unbedingt notwendig ist, bei Bewerbungen zu helfen. Aber andererseits denke ich mir, dass Hilfe grundsätzlich nicht schaden kann und ein Korrektur lesen ist bestimmt legitim.
Wie macht ihr das? Helft ihr bei Bewerbungen auch anderen oder schreibt sie sogar für andere? Oder sind euch die Bewerbungen und der berufliche Erfolg von anderen total egal?
Ich helfe meiner Nichte seit Wochen bei ihren Bewerbungen um einen Ausbildungsplatz. Sie ist erst 15 Jahre alt, was ich persönlich viel zu früh finde. Bei ihr ging es nicht nur um Rechtschreibung, sondern auch wirklich um Formulierungen und was alles in eine Bewerbung reingehört. Klar lernen sie das auch in der Schule, aber wenn es dann wirklich darauf ankommt, einen Ausbildungsplatz zu finden, stehen sie schon sehr unter Druck.
Und oft hört man auch, wie herzlos die Bewerbungen sortiert werden. Wenn sich ein Personalchef hunderte Bewerbungen durchlesen muss, ist es bestimmt ganz angenehm, wenn man einzelne Bewerbungen gleich rausschmeißen kann, weil in der Überschrift "Bewerbung für einen Ausbildungsplatz" steht, statt "Bewerbung um einen Ausbildungsplatz".
Ich bin für diese Hilfe extra zu ihr gefahren (500 Kilometer) und ich saß teilweise noch bis spät in die Nacht dran, die Bewerbung und den Lebenslauf zu formatieren. Und an ihrer Fotomappe, weil sie Fotografin werden will. So viel Aufwand ist bei anderen nicht notwendig. Aber ja, ich helfe da auf jeden Fall, wo ich kann. Ich könnte gar nicht anders. Sie ist doch meine Nichte. Für mich ist das selbstverständlich.
Und das würde ich auch für alle anderen Familienmitglieder machen. Gerade habe ich eine Hausarbeit für meine Schwester Korrektur gelesen, die noch studiert. Bestimmt schon die zwanzigste. Und ich habe auch die Bachelorarbeit ihres Freundes korrigiert, weil der nach einigen Jahren Beziehung eben auch schon zur Familie gehört.
Klar, man muss die Zeit dafür haben. Die habe ich glücklicherweise. Ich empfinde es als totalen Luxus, die Zeit zu haben, meiner Familie zu helfen, wenn sie mich braucht.
Ich helfe gerne anderen Leuten, ob sie nun meine Familienmitglieder sind oder nicht. Ich kann gut Texte Umschreiben und ausformulieren, sodass sie besser klingen, und das mache ich auch gerne für andere. Aber eine komplette Bewerbung schreibe ich niemanden. Damit wäre der Person nicht geholfen.
Diese Person muss es ja auch irgendwie lernen. Ich gebe dabei gerne Tipps und frage Dinge nach, die diese Person vielleicht nicht reinschreiben wollte und sich unsicher war, oder sogar vergessen hat und ergänze diese dann.
Ich erarbeite das dann aber mit der Person zusammen, damit sie dabei auch etwas lernt und es vielleicht das nächste mal etwas selbstständiger machen kann. Ich bin dann auch jedes mal unglaublich stolz auf mich, wenn es dann durch die bearbeitete Bewerbung Vorstellungsgespräche regnet und ich bekomme auch immer Dank von den Personen ausgesprochen.
Bis zu einem gewissen Rahmen helfe ich bei Bewerbungen gerne, aber ich schreibe eigentlich kein Grundgerüst, gerade wenn es um Leute geht die nicht vernünftig schreiben können. Das klingt herzlos, aber man muss es so sehen: Wenn ich einem Migranten oder Legastheniker eine perfekte Bewerbung schreibe und er dann in der Firma etwas schreiben soll was wie eine Kritzelei aussieht dann wird das sehr negativ auffallen.
Daher würde ich lieber mit demjenigen zusammen das Grundgerüst verfassen, frei nach dem Motto, dass er schreibt und ich kontrolliere und mache konstruktive Einwürfe.
Ansonsten sehe ich natürlich gerne über Bewerbungen drüber und versuche einzelne Textbausteine zu formatieren oder sogar grammatikalisch / inhaltlich zu verbessern. Leider legt auf sowas aber nicht jeder wert. Bei uns in der Firma zum Beispiel sehe ich manchmal Bewerbungen auf dem Schreibtisch wo ich nur mit dem Kopf schüttele. Noch schlimmer wird es wenn derjenige auch noch eingestellt wird. Aber das lasse ich mal in einem anderen Thema diskutieren.
Ich würde sagen: das kommt darauf an. Wenn es darum geht, jemandem zu einem eher praktischen Job zu verhelfen, dann finde ist es gut und sinnvoll, eine Bewerbung zu formulieren oder zu überarbeiten.
Wenn es aber eine Tätigkeit sein sollte, bei der das Sprachgefühl und die sprachlichen Kompetenzen Teil der beruflichen Qualifikation sind, dann könnte das nach hinten los gehen.
Kein Bewerber erfüllt 100% alle Anforderungen einer Stellenanzeige, aber einen "Schreibstil oder Sprachstil" kann man sich nicht so einfach in Kürze aneignen wie bestimmte Computerprogramme...
Ich habe auch schon Bewerbungen für meinen Ex geschrieben. Dieser hatte gar keinen Plan, wie man das schreiben soll und vor allem war er aber auch eine totale Niete in Rechtschreibung und Grammatik. Ich wollte, dass er arbeiten geht, also habe ich ihm das geschrieben und versucht ihm das zu erklären, wobei er da nicht wirklich zugehört hat. Ich würde schon wieder helfen, gerade wenn man nur wegen der eigenen sprachlichen Defizite nicht genommen werden würde, dennoch würde ich mich auch nicht ausnutzen lassen.
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