Einladung abschlagen wenn andere soziale Schicht?

vom 19.04.2015, 11:59 Uhr

Mein Freund arbeitet seit einiger Zeit in einer sehr guten und bekannten Kanzlei und ist auch mit den anderen Partnern gut befreundet. Es ist so, dass man dort dann immer zu Geburtstagen eingeladen wird und die Partner auch sonst viel miteinander unternehmen. Mein Freund freut sich über diese gute Atmosphäre in der Kanzlei und ich finde die Kollegen auch sehr nett. Über meinen Mentor habe ich selbst auch gute Kontakte zu einem Arbeitskreis an meiner Uni und hier werde ich auch häufiger eingeladen. Ich gehe dann meist mit meinem Mentor oder meinem Freund dahin.

Sowohl bei den Kollegen meines Freundes, als auch bei meinen Kollegen aus dem Arbeitskreis ist es so, dass es sich natürlich um etwas höhere soziale Schichten handelt. Viele meiner Kollegen und die meines Freundes haben Luxusautos und Luxushäuser in Villenvierteln oder so. Wenn man dort eingeladen wird, wird einem dieser Luxus natürlich auch demonstriert und Dinge wie Sauna, Swimmingpools und dergleichen sind absoluter Standard. Die Eltern meines Freundes sind auch nicht gerade arm, so dass dieser das schon gewohnt ist.

Ein anderer Kollege der noch nicht Partner in der Kanzlei ist war auch zusammen mit seiner Freundin bei einer Geburtstagsfeier eingeladen die mir bereits bekannt ist und diese wollte zum wiederholten Male nicht an der Feier teilnehmen. Mein Freund bat mich nachzuforschen, da es merkwürdig erscheinen würde, wenn ein Kollege immer ohne seine Partnerin kommt. Ich habe dann auch wirklich nachgefragt, aber seine Freundin meinte nur, dass es ihr nicht so zusagen würde dort zu erscheinen.

Es wäre eben einfach nicht ihre Welt. Sie selbst kommt aus einer normalen Mittelschicht wo es nicht normal ist das man sich über die Herkunft des Leders unterhält, aus dem die Schuhe oder die Jacke gefertigt worden sind. Sie findet es unangenehm und fühlt sich nicht zugehörig da sie nicht das Geld hat sich so teuer einzukleiden. Ich selbst kann das irgendwie schon verstehen, denn mir selbst waren diese Menschen auch nicht auf Anhieb sympathisch. Aber man muss eben verstehen, dass es für diese Menschen normal ist sich darüber zu unterhalten das sie sich gerade das vierte Auto gekauft haben, während man sich in einer normalen Mittelschicht darüber freut eines zu haben.

Natürlich könnte es ein wenig befremdlich wirken, wenn sie ihren Freund nicht begleiten möchte, aber ich selbst würde das schon verstehen. Könntet ihr selbst nachvollziehen warum jemand aus einer normalen gesellschaftlichen Schicht keine Lust hat an einer Feier teilzunehmen, zu der sonst hauptsächlich Menschen aus höheren Schichten kommen? Würdet ihr euch da überwinden oder es sein lassen, wenn sowas regelmäßiger anstehen würde? Welche Probleme hättet ihr konkret mit solchen Treffen?

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ich glaube, mich würde es vor allem stören, dass Menschen, die Wert darauf legen, eine Villa zu bewohnen, einen Pool zu besitzen und über die Herkunft von Leder zu diskutieren, meistens auch so ein Etepetete-Verhalten an den Tag legen, was ich eher unsympathisch finde. Ich kenne das auch von einigen Kollegen, die dann wirklich sehr geziert und künstlich auf mich wirken, wo ich dann immer den Eindruck habe, mit denen kann man gar nicht normal umgehen, weil sie sonst wieder wegen etwas pikiert sind.

Die meinen das sicherlich nicht böse, die sind halt so, das ist denen ihrer Art, aber wenn man - so wie ich - eher praktisch orientiert ist und sich nicht über jede kleine Handlung Gedanken macht und im Zweifelsfall auch lieber Cola aus der Flasche trinkt und das Mittagessen an der Currywurst-Bude zu sich nimmt, anstatt zum Wein zu greifen und in ein Edel-Restaurant geht, dann nervt dieses Etepetete-Verhalten schon. Das ist dann anstrengend, man muss sich entweder verstellen, wobei man sich unwohl fühlt oder man verstellt sich eben nicht, aber dann fällt man vermutlich unangenehm auf.

Ich finde auch solche Themen, wie die Herkunft eines Leders, vollkommen langweilig. Ich würde mich zu Tode langweilen, wenn ich mich über so ein belangloses Zeug unterhalten müsste. Für die, die darüber diskutieren, ist es natürlich nicht belanglos, aber für alle anderen vermutlich schon. Vielleicht will man durch die Nicht-Anwesenheit bei solchen Veranstaltungen auch vermeiden, dass man sich mit langweiligen Themen auseinandersetzen muss.

In Kreisen, in denen dann untersucht wird, ob man mit oder ohne Partner da ist und wo man dann kritisch beäugt wird, wenn man alleine kommt, würde ich mich aber auch nicht wohlfühlen. Das geht doch keinen was an, ob jemand alleine kommt oder mit Partner und warum er, wenn er alleine kommt, die Partnerin daheim gelassen hat.

Es ist nicht unbedingt das Finanzielle, denn das, was du beschreibst, könnte ich mir vermutlich auch leisten, aber ich habe kein Interesse daran und mir gehen solche Schickimicki-Themen auch eher auf die Nerven. Es gibt bestimmt einige, die sich das zwar leisten könnten, aber es nicht wollen, die zu solchen Kreisen nicht gehören möchten und keine Freude an der Gesellschaft solcher Leute hätten. Wer sich aber dafür entscheidet, seine Mittel dann dafür zu investieren, sich in feinste Lederklamotten zu hüllen und sich eine Villa mit Pool und Sauna zu kaufen, der sagt damit ja auch etwas über sich aus, nämlich dass er gerne protzt und das ist unsympathisch.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von Gio am 19.04.2015, 13:45, insgesamt 1-mal geändert. Zeige Beitragsversionen

Ich gehe auch nicht zu Feiern der Oberschicht, da ich die Themen dort sehr öde finde und meist viel Wert auf gutes Benehmen gelegt wird.

Davon abgesehen würde ich aber grundsätzlich keine Feier von Menschen besuchen, welche ihr Geld damit verdienen, indem sie dafür sorgen, dass Mörder und Vergewaltiger möglichst bald wieder frei rumlaufen dürfen. Ich mag keine Anwälte, weil ich nicht verstehen kann, wie man so gewissenlos sein kann.

» Sternenbande » Beiträge: 1860 » Talkpoints: 70,16 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ich kenne tatsächlich relativ viele Leute, die du als "etwas höhere soziale Schichten " bezeichnen würdest, aber ich muss sagen, dass sich von denen keiner über sein viertes Auto oder das Leder seiner Schuhe mit mir unterhalten möchte.

Wir unterhalten uns über Hobbys, Reisen, Politik, Philosophie, Musik, Filme, Bücher, was Leute machen, die man länger nicht gesehen hat und so weiter. Vielleicht über analysieren wir auch einfach den neuen Star Wars Trailer oder machen irgendwelchen Quatsch in der Küche, der am Ende essbar sein sollte. Oder wir versuchen uns am Wasserski fahren auf dem Rhein. Das sind alles ganz normale, angenehme Menschen, die sich nicht über ihr fettes Auto oder ihr tolles Haus definieren.

Wenn ich die Einladungen von deinen Bekannten ablehnen würde dann nicht, weil ich sie als andere soziale Schicht sehen würde, was ich nämlich nicht tue, sondern weil sie mich mit ihrer Oberflächlichkeit und ihrem Mangel an Selbstironie schlicht und einfach zu Tode langweilen würden.

Die Leute, die du beschreibst, würde ich übrigens eher als "Neureiche" bezeichnen, die mit ihrem neu erworbenen höheren sozialen Status protzen müssen. Wenn es wirklich normal wäre für diese Leute sich teure Lederjacken zu kaufen würden sie sich schließlich nicht groß und breit darüber auslassen. Die "normale Mittelschicht" erzählt ja auch nicht ausgiebig von ihren H&M Einkäufen, die für sie ganz normal sind.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge



Ich denke nun auch nicht, dass die Mittelschicht ausschließlich bei H&M kaufen wird, ich tute es ja auch nicht. Dennoch finde ich es auch in Ordnung, wenn man von einem neuen Kauf berichtet, wenn man sich darüber freut. Das ist ganz normal.

Das nun die komplette Oberschicht so ist, kann ich nicht bestätigen. Einige sind sich durchaus bewusst wo sie hergekommen sind und dass das alles harte Arbeit ist. Vornehmlich Neureiche geben aber gerne mit ihrem Reichtum an und reden dann eben auch ständig darüber.

Ich kann die junge Dame schon verstehen, wenn das alles so oberflächlich ist. Dann muss man aber auch bedenken in welche Richtung sich wohl ihr Freund entwickeln wird und dann dürfte einem klar sein, dass das eigentlich keine Zukunft hat.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Ramones hat geschrieben:Ich denke nun auch nicht, dass die Mittelschicht ausschließlich bei H&M kaufen wird, ich tute es ja auch nicht.

Das habe ich ja nicht behauptet. Das war ein Beispiel für ein Geschäft, in dem man auch mit einem durchschnittlichen Einkommen mal schnell zwei, drei Teile kaufen kann ohne, dass man groß rechnen muss und ohne, dass sich das am Monatsende irgendwie bemerkbar macht. Ich hätte auch Zara oder Only oder was weiß ich nennen können, aber H&M ist am bekanntesten und jeder kennt in etwa die Preise.

Wenn die "normale Mittelschicht" schnell bei H&M rein schaut und ein T-Shirt für zehn Euro schön findet und kauft ist das keine große Sache, also sollte es für die "etwas höhere soziale Schicht" auch keine große Sache sein, wenn sie bei einem Designer ein Teil für hundert Euro mit nimmt. Wenn die "etwas höhere soziale Schicht" dann aber mit der Herkunft ihres T-Shirts prahlt sagt mir das, dass der Kauf doch nicht so normal ist, und, dass man vor dem sozialen Aufstieg wahrscheinlich auch öfters nur bei H&M gekauft hat.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Ich finde es erstmal nicht weiter ungewöhnlich, wenn jemand immer ohne seinen Partner oder seine Partnerin irgendwo erscheint. Es ist ja nicht so, dass man immer begleitet sein muss und ich würde da überhaupt nichts dran finden, wenn ich wüsste, dass eine bestimmte Person, die eigentlich immer alleine auftaucht, in Wirklichkeit einen Partner oder eine Partnerin hat, die oder der aber nicht mitkommen möchte.

Persönlich begleite ich meinen Partner immer, wenn er dies wünscht. Da wäre es mir selber absolut egal, wohin ich mitgehen müsste und um welche soziale Schicht es sich handelt. Ich komme selber aus der guten Mittelschicht, würde ich behaupten. Wir können uns viele Dinge leisten, viele andere wollen wir uns nicht leisten. Deshalb darf ich auch keinen Swimmingpool haben, meine Mutter findet es unsinnig, weil ich den eh nicht mehr als dreimal im Jahr benutzen würde. Und da hat sie auch recht. Außerdem hat keiner Lust, die Blätter aus dem Pool zu fischen und einen Poolboy können wir uns dann doch nicht leisten.

In dem sozialen Umfeld, in dem ich mich bewege, ist es für mich normal, über die Herkunft verschiedener Dinge zu reden. Ich weiß genau, woher das Leder meiner Stiefel ist. Ich weiß genau, was es mit meinen Schuhen auf sich hat und was an meiner Jacke so besonders ist. Wenn man sich über solche Dinge unterhält, muss ich mich mit meinen Gegenständen nicht verstecken und ich unterhalte mich auch gerne über so etwas. Gut, mein Auto ist alt - aber ich habe es bar bezahlt und kenne mich mit diesem Auto aus. Ich schäme mich nicht dafür und jedem, der mir von seinem modernen neuen Sportwagen erzählt, würde ich die Vorzüge meines Kombis unterbreiten. Gar kein Problem.

Das Problem ist nur - je mehr Geld, umso eitler die Fatzkes. Ganz salopp gesagt, natürlich gibt es immer wieder Ausnahmen. Wenn es dann wirklich so ist, dass jeder tut, als wäre er der oder die Beste und ein sehr affektiertes Gehabe an den Tag legt, dann kann das ganz schön nerven. Deswegen würde ich aber eine Einladung nicht ausschlagen. Im Gegenteil, ich würde versuchen, mir selbst aus dieser Situation noch einen Spaß zu machen. Ich ecke eben gerne an.

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» olisykes91 » Beiträge: 5367 » Talkpoints: 24,16 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



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