Depressionen durch besiegten ''inneren Schweinehund''?

vom 31.03.2015, 12:01 Uhr

Psychologen wie beispielsweise Julius Kuhl wollen herausgefunden haben, dass es Menschen dauerhaft sehr unglücklich machen kann und sogar zu psychischen Störungen führen kann, wenn man dauerhaft gegen sein Bauchgefühl entscheidet. Heute fühlen sich viele Menschen dazu verpflichtet, Entscheidungen nach Vernunft zu treffen, obwohl ihnen ihr Gefühl etwas anderes sagt. Gute Beispiele hierfür sind beispielsweise Fitnessstudios. Viele Menschen fühlen sich durch gesellschaftliche Vorurteile und Klischees dazu verpflichtet, Sport zu machen und melden sich dort an.

Wenn ihnen der Sport aber keinen Spaß macht, dann wird das irgendwann problematisch und tatsächlich sind dann die Menschen am gesündesten dran, die ihr Fitness-Abo auslaufen lassen und aus mangelnder Motivation nicht mehr teilnehmen. Natürlich würde es dann gesellschaftlich direkt heißen, dass man faul ist und seinen inneren Schweinehund nicht besiegen kann, aber psychisch und körperlich betrachtet ist es nur von Vorteil, denn sich zu Dingen zu zwingen die einem keinen Spaß machen, macht nachweislich krank.

Nicht selten ist es so, dass die unzufriedensten Menschen in unserer Gesellschaft eben die sind, die alles nach Verstand entscheiden. Die Gefühle unterdrückt man aktiv, denn es gilt heute als erstrebenswert dies zu tun. Folge können psychische Störungen wie Depressionen und Schlafstörungen sein, auch reagieren diese Menschen meist deutlich sensibler auf Stress und sind weniger belastbar.

Disziplin und Selbstbeherrschung ist auf Dauer problematisch, wenn einem das was man sich vorgenommen hat, gar keinen Spaß macht. Möchte man auch seelisch gesund bleiben, ist es wichtig, dass man das Bauchgefühl auch mitreden lässt und Entscheidungen fällt, die sowohl der Verstand, als auch das Gefühl vereinbaren. Nach dieser Definition sollte man sich Ziele setzen, die man auch tatsächlich als die eigenen empfindet und nicht Ziele, die durch irgendwelche Medien verbreitet wurden und zu denen man meint, sich verpflichtet zu fühlen.

Das es nicht gesund sein kann alles nur nach Verstand zu entscheiden erlebe ich immer wieder bei Bekannten. Ich habe noch nie einen glücklichen Menschen getroffen, der Diät gemacht hat. Ich habe auch noch nie einen glücklichen Menschen getroffen der durch Diät abgenommen hat und nun versucht das Gewicht zu halten. Ich kenne auch keine glücklichen Menschen die sich zu Sport zwingen. Ich habe aber schon viele glückliche Menschen erlebt die nach der Diät wieder zugenommen haben.

Habt ihr selbst auch noch das Bild vom ''bösen inneren Schweinehund'' den man unbedingt überwinden muss? Wie sinnvoll findet ihr es, dies langfristig zu tun? Das man dies zu einigen Gelegenheiten wie beispielsweise beim Lernen oder so tun muss, versteht sich, aber sich langfristig für etwas zu entscheiden was einen nicht glücklich macht, ist verkehrt. Welche Erfahrung habt ihr selbst damit gemacht?

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ich kann deine These da im Grunde sehr verstehen und vertrete sie auch selbst. Wenn man ständig gegen seine Natur angeht, ist das auf Dauer frustig. Genau das Thema Muckibude habe ich nämlich selbst erlebt. Bei mir war das durch die Hausärztin angeregt und im Grunde war ihre Idee nicht schlecht. Kiesertraining ist was für Faule und geht schnell. Hat bei mir auch eine Weile geklappt, brachte was, Motivation und Erfolg waren da bis dann die ersten Monate geschafft waren und Erfolge sich nicht mehr so schnell einstellten.

Dann ging es auch los, statt zweimal die Woche ging ich einmal und war über jeden blöden Grund froh gar nicht zu gehen: Schnee, Hitze, Erkältung. Wartezeiten im Studio nervten, das Einstellen der Maschinen nervte, die Fahrt in die Nachbarstadt nervte, genauso wie das Umziehen. Im Grunde wollte ich nur schnell nach Haus und der Abend war für mich kaputt. Eine Trainingsrunde geht eine halbe Stunde, aber mit allem drum herum war ich zwei Stunden beschäftigt und der Tag war um, was mich total gestört hat. Ich habe den Vertrag dann nicht verlängert, weil ich irgendwann tatsächlich ständig erkältet war und der Moment als ich die Kündigung abschickte, war eine große Erleichterung.

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» Bellikowski » Beiträge: 7700 » Talkpoints: 16,89 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Ich kann mir gut vorstellen, dass man durch dieses dauerhafte ignorieren seines Bauchgefühls depressiv werden kann. Das Bauchgefühl ist einfach etwas, was einem sagt, was für einem selbst gut und richtig ist.

Ich würde zum Beispiel niemals aufhören, meine Schokolade in ihrem tausend verschiedenen Formen zu essen. Sie ist zwar nicht das gesündeste Lebensmittel, aber sie ist einfach lecker und gehört zu mir. Zudem macht Schokolade auch glücklich. Ich würde auch niemals meine Ernährung so umstellen, dass ich nur super gesundes Zeug essen müsste, welches ich gar nicht mag. Natürlich achte ich dort schon ein wenig darauf, dass auch mal etwas gesundes auf den Tisch kommt. Aber es muss mir auch schmecken, weil ich das einfach zum glücklich sein brauche.

Ich habe mir auch vorgenommen, wieder Sport zu machen und abzunehmen. Nicht weil irgendwer sagt, ich sehe schrecklich aus oder sonstiges. Ich habe mich eigentlich jahrelang mit meinem Übergewicht wohlgefühlt und mich davon nicht stören lassen. Aber es ist einfach so, dass ich durch meine Probleme, die ich seit meiner Pubertät habe, einiges zugenommen habe, weil ich mich in meinem Zimmer verkrochen hatte. Dabei war ich eigentlich sehr sportlich und es hat mir auch Spaß gemacht, Sport zu treiben. Ich war damals sogar einer der besten Sportler an unserer Schule. Und da es für mich inzwischen endlich bergauf geht, denke ich, dass ich diesen Teil von mir wieder herausholen kann. Und das macht mich wirklich glücklich.

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» Divia » Beiträge: 745 » Talkpoints: 55,66 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Ich esse phasenweise zu viel Schokolade. Ich sollte mich mehr bewegen. Ich sollte kleinere Portionen essen. Das sind drei Dinge, die schon seit Jahrzehnten feststehen. Aber wirklich ändern will ich sie einfach nicht. Weil ich ganz genau weiß, dass ich damit nicht glücklich wäre. Ich will mich nicht jeden Tag auf´s Neue mit Zurückhaltung quälen.

Beim Rauchen habe ich es geschafft. Nach knapp fünfzehn Jahren habe ich aufgehört. Aber auch nur solange keine Zigaretten rumliegen. Wenn ich welche da habe oder ich mit Menschen zusammen bin, die rauchen, dann rauche ich auch. Allein der ständige Gedanke "Nein, du rauchst jetzt keine. Nein, du rauchst jetzt keine!". Das nervt unendlich. Ich verbiete mir doch selbst nicht etwas, das ich gerne machen würde. Das wäre doch bescheuert.

Aber ich kann es mir eben auch leisten. Wie gesagt, ich rauche mit der Methode nicht viel. Ich bin nicht so dick, dass ich dadurch Probleme hätte. Und ich esse Schokolade nicht kiloweise. Und allein mein Hund bringt mich zwei Mal am Tag nach draußen. Wenn das alles nicht so wäre, dann müsste ich schon etwas ändern, auch wenn es mir dadurch erst mal nicht so gut ginge.

Ich denke, man muss da kurzfristig und langfristig unterscheiden. Wenn man mal ein, zwei Wochen keine Lust auf´s Fitnessstudio hat, sollte man nicht gleich aus Angst vor Depressionen die Mitgliedschaft kündigen. Ebensowenig, wenn man sich in den ersten paar Wochen dazu überwinden muss, hinzugehen. Das ist ja ganz normal. Aber über viele Monate und Jahre sollte man sich eben nicht hinquälen. Wenn man nicht irgendwann Spaß daran findet oder wenigstens die Vorteile genießt, dann hat es wirklich keinen Sinn.

Und wenn man schon gesundheitliche Probleme davon hat, dass man zu viel isst oder sich zu wenig bewegt, dann muss man daran auch etwas ändern. Man kann doch nicht jeden Monat zwei Kilo zunehmen, weil es eventuell sein könnte, dass man Depressionen bekommt, wenn man eine Diät macht. So muss man dann irgendwann von der Feuerwehr aus dem Fenster gehievt werden, um ins Krankenhaus geschafft zu werden.

Diät ist ja auch nicht gleich Diät, Sport nicht gleich Sport. Dann muss man halt genau die Diät und die Sportart finden, an der man mehr Spaß hat als an anderen. Es gibt halt nicht nur die zwei Extreme. Ebenso kann es einen in eine Depression treiben, wenn man ständig zu dick ist und seinen inneren Schweinehund nicht überwinden kann. Dann ist es auch für die Psyche besser, endlich etwas zu tun.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Angesichts des aktuellen Unglücks eines Flugzeugs der Lufthansa wird diesen Schwachsinn hoffentlich nicht mehr so schnell jemand glauben. Man kann bei leichten Depressionen sicher etwas mit Ausdauer und Disziplin machen.

Allerdings ist dies auch kein Allheilmittel und jeder muss irgendwann einmal zugeben, dass er nicht mehr weiterkommt. Gerade Menschen in der Psychobranche haben oft die naive Vorstellung, dass ein Tritt in den Arsch alles wieder ins Lot bringt und alles heilbar wäre. Bei Andreas L. hat man sich wohl auf die Ärzte verlassen und die sind natürlich nur an Erfolgsgeschichten interessiert.

» Juri1877 » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


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