Bei einem schlimmen Schicksal einen Schuldigen suchen

vom 17.03.2015, 14:03 Uhr

Ich habe schon oft gehört, dass einem es helfen kann über ein schlimmes Schicksal hinwegzukommen, wenn man einen Schuldigen findet, der an diesem Schicksal schuld sein könnte. So war es auch in der Nachbarschaft meiner Eltern, als ein Kind verunglückte. Der Fahrer von dem Auto konnte wirklich nichts dafür. Er ist langsam gefahren und das Kind ist ihm genau vor das Auto gelaufen und ist im Krankenhaus gestorben. Das ist nun schon ein paar Monate her und bis zur Verhandlung konnten die Eltern den Fahrer des Wagens als den Schuldigen sehen.

Nun ist dieser Mann frei gesprochen worden, weil er nichts dafür konnte und nun suchen die Eltern einen anderen Schuldigen. Sie geben sich nun sogar gegenseitig die Schuld, weil keiner auf das Kind richtig aufgepasst hat. Das ist aber wohl kein Einzelfall und dieses Thema soll auch nicht um das Kind gehen, sondern einfach um das Thema, dass man bei einem schlimmen Schicksal einen Schuldigen braucht um darüber hinwegzukommen.

Denkt ihr, dass es wichtig ist, dass man einen Schuldigen findet, wenn einem was Schlimmes widerfährt? Warum ist das so wichtig? Kann man nicht hinnehmen, dass es einfach auch keinen Schuldigen gibt?

Benutzeravatar

» MissMarple » Beiträge: 6786 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



Wenn einem etwas so Fürchterliches widerfährt wie der Unfalltod des eigenen Kindes, ist es doch eigentlich ganz normal, dass die Betroffenen es nicht schaffen, die Situation nüchtern und logisch zu Ende zu denken und auf unterschiedliche Arten versuchen, dem Ganzen zumindest eine Art Sinn oder eine vermeintliche Begründung abzuringen.

Deswegen habe ich durchaus Verständnis dafür, dass manche Leute das Bedürfnis haben, einen Schuldigen zu finden, wenn etwas Schlimmes passiert. Dann gibt es nämlich verschiedene Reaktionsmöglichkeiten, die auch zumindest vorübergehend von der grauenhaften Realität, wie in diesem Fall sein eigenes Kind zu Grabe tragen zu müssen, ablenken können:

Man kann die Person hassen, man kann sich selber von Schuld freisprechen, man kann Rachegedanken hegen, man kann mit Begriffen wie Gerechtigkeit und Strafe arbeiten und so weiter. Dieses Vorgehen empfinden viele Menschen eher als Erleichterung als die schlichte Erkenntnis, dass manchmal einfach niemand Schuld hat und auch Menschen krank werden und/oder sterben, die man über alles liebt.

» Gerbera » Beiträge: 11319 » Talkpoints: 49,61 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


Das wird wahrscheinlich eine Weile so weiter gehen, dass sie einen Schuldigen dafür suchen. Einen finden werden sie wirklich schlecht. Aber das gehört einfach zu der Trauerphase dazu, dass sie jemanden als Grund für ihre Trauer und Wut über das Ereignis ansehen. Das ist ja auch ein schrecklicher Vorfall.

Es wird eine ganze Weile dauern, bis sie diesen Vorfall verarbeitet haben. Eine ganze Weile, schließlich war es ihr Kind. Aber komplett verarbeiten werden sie es wohl auch nicht. Ich kann das Verhalten schon verstehen. Doch dadurch haben sich schon viele getrennt, weil sie eher aufeinander losgegangen sind, als für einander da zu sein.

Es gibt ja auch noch die Fünf Phasen der Trauer. Die Eltern scheinen wohl in der Phase zu sein, in der sie wahnsinnig wütend sind und einfach auf jemanden losgehen wollen. Diese kann sich leider Jahre lang strecken. Es einfach ändern, können sie leider nicht und in so einem Fall finde ich, sollte man sich Hilfe suchen, da das wirklich ein sehr schwerer Schicksalsschlag ist.

Ich hoffe sie schaffen es, diesen Vorfall halbwegs zu verarbeiten und noch so viel Glück wie möglich zu finden.

Benutzeravatar

» Divia » Beiträge: 745 » Talkpoints: 55,66 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Die Mutter von meiner besten Freundin ist an Brustkrebs erkrankt und muss jetzt Medikamente nehmen, Chemotherapie machen und eben in Kur gehen und all diese Sachen machen, die man bei dieser Erkrankung wohl unternimmt. Ich weiß noch wie ich mit meiner besten Freundin in der Schule geredet habe und sie wirklich sehr geweint hat, außerdem gab es auch einmal schlechte Neuigkeiten bezüglich der Gesundheit ihrer Mutter und dann habe ich sie noch ein wenig begleitet, bevor sie nach Hause gefahren ist. Wir haben lange und intensive Gespräche über die Gesundheit ihrer Mutter gehabt, wobei es ihrer Mutter zum Glück jetzt auch besser geht und sie eben auch fitter wirkt. Sie arbeitet auch sehr an ihrer Gesundheit und kämpft sich durch, das gibt meiner Freundin noch weitere Kraft.

Aber während einem Gespräch zwischen uns beiden hat sie gesagt, dass sie Brustkrebs so schlimm findet, da sie niemanden dafür verantwortlich machen kann. Sie kann den Brustkrebs nicht einmal einer „Sache" zuordnen wie zum Beispiel Zigaretten, da ihre Mutter mit dem Rauchen aufgehört hat. Ich werde nie vergessen wie sie das gesagt hat und mich so traurig mit ihren großen blauen Augen angeschaut hat. Das hat mir wirklich das Herz zerrissen, als ich ihre Verzweiflung bei dieser Aussage gefühlt habe. Ich habe lange überlegt und es ist ja auch mittlerweile kein Geheimnis mehr, dass sich die Menschen gerne einen Sündenbock suchen. Oder eine Sache einfach begründen, da man schlecht mit Ungewissheit klar kommt.

Benutzeravatar

» soulofsorrow » Beiträge: 9228 » Talkpoints: 24,02 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Das Elternpaar hat nun den einzigen Halt verloren. Bisher sahen sie in dem Fahrer den Schuldigen, wahrscheinlich haben sie nicht richtig überlegt, dass er nichts dazu konnte.

Wenn sie nach dem Freispruch sich nun gegenseitig beschuldigen, kann es soweit gehen, dass sie einen tiefen Groll und Hass gegenseitig empfinden, der sich immer mehr steigert. Irgendwann könnte es dann zur Trennung kommen, obwohl sie sich im Grunde lieben. Aber die Tatsache, dass ihr einziges Kind nicht mehr lebt, ist einfach nicht zu begreifen.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge


Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^