Wie sah der Alltag in einer DDR-Kinderkrippe aus?
Bei einer Familienfeier kamen wir kürzlich auf DDR-Kinderkrippen zu sprechen. Eine Bekannte erzählte mir, dass es in der Krippe, in die ihre beiden Kinder damals gingen, sehr ordentlich zuging. Die Erziehung der Kinder war pädagogisch geprägt und keineswegs ideologisch belastet, wie man das heute mitunter manchmal lesen kann.
Das Einzigste, was sie wirklich störte war, dass Sauberkeit und Hygiene maßlos übertrieben wurden. So liefen die Erzieherinnen den ganzen Tag in langen weißen Kitteln herum, so wie in einem Krankenhaus, was die Kinder irritierte und zum Teil sogar Angst machte. Da ich nicht aus der DDR komme, möchte ich hier mal fragen, ob das wirklich so war?
Das ist absolut korrekt, das Krippenpersonal trug grundsätzlich eine weiße Ganzkörperschürze. Warum das aber bei den Kindern für Irritationen gesorgt haben soll kann ich mir nicht vorstellen, schließlich kannten sie es ja nicht anders. Sie sahen ihre Tanten doch in diesem Aufzug jeden Tag.
Diese Hygienekleidung war Pflicht, selbst die Leiterin der Kinderkrippe und die reinen Bürofrauen musste diese Kleidung tragen obwohl sie mit den Kindern überhaupt nicht in Berührung kamen. Nebenbei, das galt auch für das gesamte Personal in den Polikliniken, angefangen von der Telefonistin, über die Mitarbeiterinnen der Aufnahme bis zum Kaderleiter. Erst so um 1980 wurde diese Vorschrift gelockert weil es einfach zu teuer war die ganzen Kittel zu waschen und zu stärken. Ab dann war es den Mitarbeitern freigestellt, außer dem Krippenpersonal natürlich.
Ob diese Hygienevorschrift nun wirklich Sinn machte kann ich nicht beurteilen, man hatte aber große Angst vor ansteckenden Krankheiten. Ich denke aber eher weniger weil dann die Kinder krank würden und sich plagen müssten sondern weil die Mütter ausfallen würden die fast zu 100 % berufstätig waren.
Ich kann mich noch an meine Kindergartenzeit gut erinnern, da stand fast immer am Eingang eine Schüssel mit Desinfektionsmittel wo sich jeder Ankommende, auch die Kinder, sich ihre tägliche Dosis Formaldehyd abholten. Ich denke in der Kinderkrippe wird das auch nicht anders gewesen sein. Dazu kommt ja auch immer noch dass die Erzieherinnen mit Fäkalien und Erbrochenem in Berührung kamen und dieses enthielt ja unter Umständen auch Krankheitskeime.
Die angesprochene erzieherische Bildung kann ich nur bestätigen. Krippenerzieherin war ein sehr gefragter Beruf, trotz der schlechten Bezahlung von so etwa um die 600 Mark im Monat. Es gab dort keine ungelernten oder umgeschulten Kräfte, jede Krippenerzieherin musste ein dreijähriges Fachschulstudium auf sich nehmen und erhielt dann die staatliche Erlaubnis zur Ausübung ihres Berufes.
Gelehrt an der Schule wurden natürlich auch die Grundlagenfächer Russisch und Marxismus-Leninismus, das war an jeder Fachschule so. Aber daneben gab es natürlich auch die pädagogische Schiene und jeder musste ein Instrument spielen können. Natürlich gab es Vorgaben die es zu erfüllen galt. Ich sage mal überspitzt mit drei Jahren sollten die Kleinen Erich Honecker auf einem Bild erkennen können und wissen dass die Arbeiter ihnen das Spielzeug in der Krippe geschenkt haben.
Ansonsten wurde so wie heute auch noch viel gebastelt, gewandert und gesungen, da hat sich nichts geändert. Ich kannte damals viele Krippenerzieherinnen und die liebten ihren Beruf und die Kinder liebten sie. Vom Sozialismus und Klassenbewusstsein hielten sie inoffiziell alle nie viel, das war dann alles auch nur Show für den Parteivorsitzenden oder den jährlichen Kampf um den Titel des „Sozialistischen Kollektivs“.
Die ideologische Erziehung begann doch eher erst im Kindergarten. Denn ich kann mich erinnern, dass wir da auch Soldaten malen durften und solche Dinge. Aber bei der Kinderkrippe kann man da noch nicht so viel erreichen. Allerdings wurde eben bei der Sauberkeit entsprechend erzogen. Es gab kaum Kinder, die noch älter als ein Jahr waren und noch rund um die Uhr Windeln brauchten. Wenn man da heute manchmal sieht, dass sie mit vier Jahren noch das dicke Polster in der Hose haben, stellen sich mir eher die Nackenhaare auf.
Klar, damals war es ein Zwang. Aber auch wenn man es ohne Zwang macht, werden Kinder wesentlich früher sauber und sind damit ohne Windel unterwegs. Was die weißen Kittel angeht, so muss man eben auch sehen, dass man dort ja Kleinkinder hatte, die eben auch mal gespuckt haben. Damit wurde die private Kleidung weniger verschmutzt. Kommt man heute in eine Kindergrippe weiß man ja nicht mal gleich, ob man nun dem Personal gegenüber steht oder vielleicht doch einer Mama die ihr Kind bringt oder abholt.
Na ja, die Ideologie wurde in kindgerechten Geschichten verpackt. Ich muss da immer sofort an den „Bummi“ denken, das war eine bunte Bilderzeitung für kleine Kinder mit Geschichten rund um Bummi und mit vielen Dingen zum Basteln. Bummi besuchte dann zum Beispiel die Bauarbeiter vor Ort die die vielen Neubauwohnungen hochzogen oder war in Moskau bei anderen Kindern zu Besuch.
Um noch einmal darauf zurück zu kommen wie der Alltag in einer Kinderkrippe war möchte ich noch erwähnen dass die Krippe von 5:50 bis zu dem Zeitpunkt geöffnet war wo das letzte Kind abgeholt wurde. Das konnte auch durchaus mal 18:00 Uhr sein. In der DDR herrschte Vollbeschäftigung und es konnten sich auch nicht viele Eltern leisten so lange unbezahlt zu Hause zu bleiben. Die Omas und Opas waren dann in der Regel auch so um die 40 Jahre alt und ebenfalls ihrer Arbeit verpflichtet. Bei 42 3/4 Wochenstunden plus Frühstücks- und Mittagspause kann sich jeder ausrechnen wie lange der Tag war, auch für die Kinder.
Es gab unheimlich viele Pendler, die Züge waren zu den Stoßzeiten immer rappelvoll denn es hatte ja kaum jemand ein Auto. Wer pünktlich auf Arbeit sein wollt der musste dann meistens so gegen 6:00 Uhr am Bahnhof stehen. Ich selbst und meine Frau fuhren auch immer mit dem 6 Uhr-Schichtzug um gegen 7 Uhr dann auf Arbeit zu sein. Da blieb es einfach nicht aus dass die Kinder gleich um 6 Uhr bei jedem Wind und Wetter in der Krippe abgegeben wurden, auch wenn sie noch total verschlafen waren.
@hooker: Nur weil der Bummi bei Bauarbeitern war oder in Moskau Kinder besucht hat, leitest du davon ideologische Erziehung ab? Ich würde eher sagen, dass es heute recht sinnvoll wäre, wenn Kinder wesentlich früher gezeigt bekommen, was Arbeit bedeutet. Dass man damit Geld verdient, um eben auch Essen, Kleidung und Spielzeug zu kaufen. Das hat dann nichts mit Sozialismus zu tun, sondern mit Aufklärung der Kinder.
Bei uns war zum Beispiel die Küchenfee schon morgens ab 5.30 Uhr in der Waschküche von der Kinderkrippe zu Gange. Weil da eben noch Wäsche anfiel. Dort konnten damals die Kinder auch gelassen werden, bis die erste Erzieherin kam, damit die Mütter ihre Züge zur Arbeit auch bekamen. Und meine Mutter hatte da mehr als 2 Kilometer zwischen Kindergrippe und Bahnhof, die sie täglich bewältigen musste. Auch bei Glatteis oder Schneefall.
Punktedieb, das waren Beispiele. Bummi war auch bei den (russischen) Soldaten die unsere Heimat vor dem Feind schützten und noch bei vielem mehr. Durch solche und andere Geschichten wurde schon damit angefangen ein Weltbild zu prägen, auch wenn die Kinder nicht alles verstanden. Du schreibst ja selbst von Soldaten die ihr (im Kindergarten) malen durftet. Heute sicherlich undenkbar.
Außerdem, die Kinder waren dort maximal drei Jahre alt. Mein Erinnerungsvermögen tendiert da gegen Null. Aber durch meine damaligen Kontakte weiß ich dass die ideologische Erziehung einen breiten Rahmen in der Ausbildung der Krippenerzieher einnahm.
Ich denke auch dass zu meiner Zeit das noch viel strenger war. Ich bin Jahrgang 1964 und da war Ulbricht an der Macht und der Kalte Krieg war auf dem Höhepunkt.
Meine Kinder besuchten in den 80er-Jahren eine DDR-Kinderkrippe. Die Erziehung in der Krippe orientierte sich an pädagogischen Aspekten. Ideologie spielte kaum eine Rolle, denn dafür waren die Kinder einfach noch viel zu klein. Neben Essen und Trinken wurde viel gespielt und gesungen. Ich glaube, dass meine Kinder gern in die Krippe gingen.
Von einer übertriebenen Hygiene ist mir nichts bekannt. Die Krippenerzieherinnen mussten sich allerdings langärmelige weiße Arbeitskittel anziehen, die im Rücken geknöpft wurden. Mir sind diese speziellen Kittel nur unter der Bezeichnung „Schwesternkittel“ bekannt, da diese Kittel in der Regel auch von Krankenschwestern getragen wurden. Von weißen „Ganzkörperschürzen“ ist mir nichts bekannt.
Die Kinderkrippen unterstanden dem Gesundheitswesen und darin ist sicher auch der Grund zu sehen, dass Krippenerzieherinnen im weißen Schwesternkittel herumlaufen mussten. Weiße Schwesternkittel waren damals die Standardberufsbekleidung für weibliche Angestellte im Gesundheitswesen und mussten bei fast allen Tätigkeiten getragen werden.
Danke Roberto55, ich bin nicht auf den Namen "Schwesternkittel" gekommen. Wir meinen dasselbe Objekt. Männer gab es ja in den Krippen nicht, mit Ausnahme der Heizer natürlich, aber alle männlichen Mitarbeiter hatten in den Polikliniken dann auch weiße Arztkittel an. Mein Vater war dort Kaderleiter, deshalb weiß ich das so genau.
Die Ausbildung der Krippenerzieherinnen waren den medizinischen Fachschulen angeschlossen die auch die Krankenschwestern ausbildeten. Die Bezahlung erfolgte ebenfalls nach dem Tarif des Gesundheitswesens.
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