Warum wird angenommen, dass Begabte sich gerne herausfordern

vom 27.02.2015, 15:55 Uhr

Vielleicht kennt ihr solche Aussagen, wie dass begabte Kinder besonders gefördert werden müssten oder dass Kinder, die vielleicht intelligenter sind als andere, eine Herausforderung brauchen und sich sonst langweilen. Ich denke, dass das nicht immer Stimmen muss und dass es die eine Seite ist, ob man etwas von der Intelligenz her kann oder nicht kann, dass es aber die andere Seite ist, ob man auch Lust darauf hat, sich herauszufordern. Es kann ja genauso gut auch Begabte geben, die eben kein besonderes Interesse an spezieller Förderung haben, sondern eher ihre Ruhe haben wollen.

Ich bin ein gutes Beispiel dafür. Ich hab schon mehrere Intelligenztests gemacht und meisten kam irgendwas zwischen 130 und 145 raus. Das schwankt ja irgendwie je nach Test. Ich erinnere mich etwa, dass mal eine Krankenschwester mit mir als Jugendliche so einen Test gemacht hat und der war so konzipiert, dass man den nicht in der vorgegebenen Zeit schaffen soll, sondern dass dann gezählt wird, wie weit man kam und was man alles richtig hat. Ich hatte den aber bis zum Ende geschafft und nur eine Aufgabe falsch und das war dann nicht mehr auf ihrer Umrechnungstabelle, weil der Test für die Durchschnittsbevölkerung gedacht war und nur bis 130 ging.

Jedenfalls gelte ich damit eigentlich als hochbegabt und mich wollte ein Bekannter, der in diesem Hochbegabtenverein Mensa ist, mal überreden, da auch den Aufnahmetest zu absolvieren und mitzumachen. Dann habe ich mir mal durchgelesen, was die so machen und davon Abstand genommen. Wenn ich das richtig verstanden habe, dann geht es denen vor allem um Förderung, als man macht gemeinsam Denkspiele und beschäftigt sich mit philosophischen Themen usw. Ich habe ganz ehrlich keine Lust, mich nach der Arbeit noch mit irgendetwas zu beschäftigen, was geistig anspruchsvoll ist. Ich habe an solchen Denkspielen gar kein Interesse.

Aber das war bei mir schon immer so. Ich habe zwar mein Abi und meine beiden Studienrichtungen alle mit 1 abgeschlossen, aber ich habe definitiv nicht zu denen gehört, die irgendwie Spaß am Lernen hatten oder sich gerne damit befasst haben, sich neues Wissen anzueignen. Eigentlich habe ich immer versucht, nur das Nötigste zu machen und ich habe etwa in der Schule die Leute aus der Parallelklasse befragt, was in den Klausuren dran kam und dann vor allem das gelernt, was gut funktioniert hat.

Derzeit schreibe ich nebenbei an meiner Doktorarbeit, aber hier interessiert mich die Note, die ich da haben werde, nicht ganz so, ich möchte nur einen schönen Doktortitel vor meinem Namen haben. Mir macht das auch inzwischen nicht mehr so viel Spaß, weil ich immer noch Kleinigkeiten ändern soll. Aber es wird ja nicht mehr lange dauern, dass ich fertig bin.

Generell im Leben habe ich nicht so viel Lust, mich herauszufordern und eigentlich sehne ich mich nach einem Leben, in dem ich nichts mehr großartig leisten muss. Also ich will nicht komplett nichts machen, das würde bestimmt auch langweilig werden und ich langweile mich auch, wenn ich die ganze Zeit das Gleiche mache, weshalb ich mehrere Teilzeitstellen habe statt einer Vollzeitstelle, aber so grundsätzlich hätte ich auch nichts dagegen, wenn ich nur zwei Tage in der Woche arbeiten müsste und die restlichen Tage mit Herumgammeln verbringen würde.

Nie hätte ich Lust dazu gehabt, in irgendeinen Begabtenunterricht zu gehen oder irgendwelche Denkspiele mit anderen zu machen. Ich möchte eigentlich eher so meine Ruhe im Leben haben und ich schaue auch gerne Sendungen im Fernsehen an, bei denen man immer sagt, dass die für einfach strukturierte Leute gedacht sind, auch wenn ich ja keineswegs einfach strukturiert bin. Aber es ist so schön, sich von Bachelor und Dschungelcamp berieseln zu lassen. Als Teenager hätte man mich auch den ganzen Tag vorm Fernseher parken können und ich wäre glücklich damit gewesen.

Woher kommt also die Annahme, dass Begabte auch gefördert werden wollen? Das stimmt doch nicht. Warum denkt man, dass jemand, der etwas kann, das auch machen will?

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von Mod am 27.02.2015, 17:16, insgesamt 1-mal geändert. Zeige Beitragsversionen


Ich kann hier jetzt nur spekulieren. Ich bin ja schließlich nicht in dem Bereich tätig und habe mich auch noch nicht damit beschäftigt. Aber ich denke, dass dies vergleichbar ist mit vielen anderen Situationen. Beispielsweise die Situation eines Rollstuhlfahrers. Dieser hätte bestimmt gerne zwei funktionierende Beine und kann nicht ganz nachvollziehen, warum manche Menschen ihre zwei funktionierenden Beine so wenig nutzen. Würden seine Beine heilen, hätte er die größte Freude daran, wieder zu laufen und zu springen und zu hüpfen.

Normal intelligente Menschen träumen hingegen davon, wie schön es wäre, intelligenter zu sein. Was man dann alles wissen könnte und was man alles machen könnte. Die Situation ist nicht eins zu eins vergleichbar mit dem Rollstuhlfahrer, weil normale Intelligenz eben normal ist. Normal Intelligenten ist das nicht wirklich bewusst, dass ihnen etwas fehlt. Dem Rollstuhlfahrer ist das jeden Tag (schmerzlich) bewusst. Aber vielleicht gehen normal Intelligente unterbewusst daher davon aus, dass man hohe Intelligenz nutzen muss und auch will.

Aber es ist bestimmt auch nicht so, dass jeder Rollstuhlfahrer unbedingt wieder laufen können will. Man leidet ja nicht unentwegt. Viele kommen gut zurecht, finden dennoch ihr Glück und akzeptieren es als ein Teil ihres Lebens. Keine Ahnung ob das vergleichbar mit hoher Intelligenz ist.

Ich denke, man kann einfach generell nicht nachvollziehen, warum jemand etwas nicht macht, obwohl er es kann. Vor allem solange man es selber nicht kann. Im Bereich Bildung ist das weit verbreitet. Man denke nur an Eltern, die nicht studieren konnten und sich das unbedingt für ihr Kind wünschen, auch, wenn dieses gar kein Interesse daran hat. Ebenso im Bereich Sport. Wenn jemand die Chance hat, an Olympia teilzunehmen, wären bestimmt viele Kameraden entsetzt, wenn er darauf keine Lust hat

Ich denke aber trotz allem, dass es auf die meisten Hochbegabten zutrifft, dass sie gerne gefördert werden. Vielleicht hättest du auch nur schon viel früher gefördert werden müssen. Dann hättest du vielleicht einen Bereich gefunden, der dich begeistert. Das ist womöglich vergleichbar mit Sport. In fast jedem Kind steckt ein Bewegungsdrang. Manche Kinder werden darin bestärkt und werden in Sportklubs und -kursen angemeldet, andere werden vorm Fernseher ruhiggestellt, weil es den Eltern zu viel ist. Bis sie erwachsen sind, haben sie sich daran gewöhnt, ihrem Bewegungsdrang nicht nachzugehen und halten sich für unsportlich.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Natürlich kann man Hochbegabte nicht einfach in eine Schublade stecken. Jeder Mensch ist anders und das gilt selbstverständlich auch für Hochbegabte. Manche werden sicherlich ihr Potenzial ausschöpfen wollen und andere lieber abends trinken und feiern. Ich glaube lediglich, dass die prozentuale Verteilung derer, die lieber lernen und sich herausfordern wollen, bei den Hochbegabten wesentlich höher ist. Deswegen darf man dies jedoch immer noch nicht für jeden einfach voraussetzen.

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