Sind die Aldi Brüder Schuld an der Massentierhaltung?
Vor kurzem habe ich einen Beitrag im Fernsehen gesehen (Die Aldi-Story) der sich mit den Aldi-Brüdern beschäftigt hat und dort wurde auch gesagt, dass die Albrecht Brüder die ersten waren, die den Discounter eingeführt und quasi ''erfunden'' haben. Dieses Konzept war zunächst noch unbeliebt und viele Ausländer und arme Menschen haben dort eingekauft. Später wurden aber auch ''Luxusartikel'' zu günstigen Preisen eingeführt und seitdem kaufen eigentlich Menschen aus allen Schichten bei Aldi ein.
Schon bevor die Albrecht Brüder ihre Discounter eingeführt hatten, war es bei ihnen immer sehr wichtig, dass die Ware zu sehr günstigen Preisen angeboten wurde und sie diese auch zu sehr günstigen Preisen bezogen. Heute zieht sich dieses Konzept weiterhin fort und in dem Beitrag wurde auch erwähnt, dass die Aldi Brüder somit indirekt auch Schuld an der Massentierhaltung haben.
Ohne die qualvolle Massentierhaltung wäre günstiges Fleisch nicht möglich und günstige Preise sind nun mal oberstes Gebot. Würden andere Läden das Fleisch nicht zu solchen Preisen anbieten, könnten sie nicht mit Aldi konkurrieren und daraus ergibt sich die zwangsläufige Konsequenz, dass alle Menschen in Deutschland und anderen Ländern hauptsächlich günstiges Fleisch aus Massentierhaltung verzehren.
Ich selbst fand diese Unterstellung etwas gewagt. Sicherlich hat das Konzept des Discounters dazu geführt, dass solche Ideen aufkamen, aber ich denke auch, dass es sowas nie geben würde, wenn die Menschen wirklich dagegen wären. Früher oder später wäre eine Massentierhaltung auch ohne Aldi Brüder denkbar gewesen, es wäre so oder so gekommen.
Aber inzwischen weiß jeder es und hat sicherlich schon Beiträge und Kritik dazu gesehen und gelesen. Geändert hat sich aber nichts, die Menschen akzeptieren es und kaufen weiterhin billiges Fleisch von Geflügel, das teilweise noch nie in seinem Leben laufen konnte, weil das Körpergewicht einfach zu schwer für die Beine ist. Eines von wenigen traurigen Beispielen.
Denkt ihr, dass man das Konzept der Massentierhaltung den Aldi Brüdern und anderen Vorreitern im Bereich des Discounters in die Schuhe schieben kann? Sind diese Menschen daran Schuld, nur weil sie den Wünschen der Bevölkerung entgegen gekommen sind? Kann man nicht viel eher sagen, dass wir selbst daran Schuld sind, weil wir vor vollendeten Tatsachen stehen und diese weiter unterstützen? Argumente wie wenig Geld zählen hier meiner Meinung nach gar nicht, denn auch arme Familien könnten sich Fleisch aus fairem Handel leisten, nur eben nicht jeden Tag. Wie seht ihr die Sache?
Sicherlich können sich auch arme Familien teureres Fleisch leisten, wenn auch nicht täglich, aber wenn sie eben täglich Fleisch essen möchten oder zumindest beinahe täglich? Denn ich würde mal behaupten, dass Fleisch für die meisten Menschen, wenn man sich nun nicht gerade super bewusst ernährt, zum Alltag gehört und auch oft beiläufig konsumiert wird. Da kauft man ein Stück Pizza mit Schinken und dort ein fertig belegtes Brötchen - überall ist doch Fleisch dabei.
Ich esse Beispielsweise total gerne Fleisch und ich habe manchmal richtig Heißhunger auf etwas Deftiges und auf Fleisch und da schaue ich auch, dass ich etwas nehme, was nicht so viel kostet. Ich könnte mir bestimmt auch teures Fleisch leisten, aber da fängt dann schon das logistische Problem an. Wo bekomme ich denn das teure Fleisch her?
Das liegt eben nicht im Kaufland oder im Lidl oder Aldi neben den anderen Fleischprodukten in der Kühltruhe, sondern da müsste man vielleicht zu einem Wochenmarkt oder zu einem speziellen Laden, der solches Super-Bio-Fleisch führt und da ich ohnehin keinen Kühlschrank habe und auch nicht koche, sondern beim Essen eher so von dem lebe, was ich gerade gekauft habe, also alles innerhalb eines Tages verbrauche, könnte ich einen Braten etc. gar nicht verwerten.
Nun weiß ich, dass es auch Bio-Fertigprodukte gibt oder ich esse beispielsweise gerne Wiener Würstchen und ich denke, die gibt es auch als Bio. Aber ich kann mich nicht bewusst daran erinnern, das mal irgendwo gesehen zu haben und wenn, dann war es bestimmt so teuer, dass mir das zu viel war.
Ich bin beim Essen eben bequem, ich will etwas Schnelles, was keinen großen Aufwand macht und ich gehe auch gerne mal zum Imbiss, wo ich ohnehin keine Kontrolle über de Herkunft der Waren habe. Es gibt Menschen, die sich total viel Gedanken über die Ernährung machen, aber das ist nur eine spezielle Teilgruppe der Bevölkerung. Ich möchte mal behaupten, dass viele einfach nur was Schnelles und Schmackhaftes und Günstiges wollen - zumindest häufiger.
Und darum wäre bestimmt auch jemand anderes auf die Idee der Massentierhaltung gekommen. Das geht vermutlich gar nicht anders, wenn man so viel Waren zur Verfügung stellen will, dass jeder in einem Land wie unserem fast täglich Fleisch essen kann.
Wenn etwas möglich ist, wird es auch gemacht. Das ist in allen Bereichen so. Nicht jeder ist dann dafür, nicht jeder nutzt es, aber es wird gemacht und einige nutzen es. Und man kann Tiere eben zu tausenden halten, ihnen kein auch nur annähernd angenehmes Leben gewähren und dadurch viel Geld sparen und das Fleisch so billiger anbieten. Es ist leider zu viel verlangt, dass sich alle von dieser Geschäftsidee fernhalten.
Je nach allgemein gesellschaftlicher Bewertung und Lukrativität dieser Geschäftsidee gibt es mal weniger mal mehr Geschäftsleute, die es umsetzen. Menschenhandel ist umstritten, aber da es möglich ist und viel Geld bringt, machen es dennoch ein paar.
Im Gegensatz zur Massentierhaltung ist es auch möglich, Kühe auf grünen Wiesen zu halten, ihnen drei Mal mehr Lebenszeit zu gönnen bis zur Schlachtung, sie täglich zu massieren und dann als superteure Spezialität zu verkaufen. Da es möglich ist, wird es gemacht. Ebenso wie jede Graustufe dazwischen.
Ich würde die Aldi-Brüder nun nicht als absolut wunderbare Menschen bezeichnen, die nie was falsch gemacht haben. Über ihre Denkweise, alles möglichst billig zu vermarkten, kann man sicher streiten. Aber ihnen die Schuld zu geben für eine Entwicklung, die ganz logisch war, geht zu weit.
Ich glaube mit dieser Behauptung machen sich die Kritiker das zu einfach. Denn man muss auch sehen, wie sich die Bevölkerung insgesamt entwickelt hat. Wenn ich allein die ehemaliger DDR anschaue, die nun keinen Discounter hatte, wo auch Fleisch relativ teuer war und trotzdem brauchte entsprechende Tierhaltung, damit man den Bedarf decken konnte. Es kann also nicht am preisgünstigen Angebot liegen, dass es Massentierhaltung gibt.
Und ich gehe sogar soweit, wenn man alles umstellen und nichts importieren würde, dann hätten wir wieder lange Schlangen vor den Geschäften, wenn es Fleisch gibt. Was man mit herkömmlicher Tierhaltung an Fleisch auf den Markt bringen könnte, würde nicht ausreichen, um den Bedarf zu decken.
Nicht Aldi alleine hat angefangen abgepackte Wurst und auch Fleisch zu verkaufen. Aldi Süd ist in das Frischfleischgeschäft auch erst sehr spät eingestiegen. 2006 habe ich persönlich das erste Mal bei Aldi Nord Frischfleisch gesehen, da war das in Aldi Süd Filialen noch nicht mal im Gespräch.
"Billige" Wurst gibt es auch nicht erst seit Aldi. Ich selber bin in einem Metzgerhaushalt groß geworden. Bei Aldi wurde damals nicht wirklich gekauft. Was aber auch an der Entfernung lag und dem damals sehr eingeschränktem Sortiment. Aber bei HL und Plus gab es damals schon abgepackte Wurst. HL hatte in meiner Kindheit schon eine Fleischtheke. Plus ist später in das Thekengeschäft mit eingestiegen.
Meine Tante, die als Schwester meines Vaters, mit im Betrieb gearbeitet hat, meinte mal zu mir, als die Supermärkte begonnen haben Fleisch und Wurst zu verkaufen, hätten die deutschen Metzger was machen sollen. Aber damals hätte niemals jemand geahnt, wie sehr das Wurst- und Fleischangebot der Supermärkte den Metzger verdrängt.
Preislich lagen Supermärkte an den Bedientheken nicht immer günstiger als in den Metzgereien. Kam auf die Metzgerei an. Standort, Lage, Kundschaft und die Einkaufsmenge des Betriebes. Sonderangebote von Supermärkten konnten aber kaum unterboten werden. Können es heute wohl immer noch nicht. Einer meiner Arbeitgeber legte uns mal das Werbeblättchen eines Supermarktes in seinem Ort (kleiner Betrieb, aber einzige Metzgerei im Dort) vor.
Die hatten irgendwas vom Schwein im Angebot. Er meinte zu uns Verkäuferinnen, er zahlt schon mehr pro Kilogramm für ein halbes Schwein. Und davon hat er noch Abschnitte, Teile die sich nicht verkaufen lassen, Knochen, Schwarte und so weiter. Die Arbeitskräfte, die das Teil ausbeinen und zuschneiden muss er auch bezahlen.
Davon mal abgesehen, glaube ich nicht, dass alleine der Preis es macht. Bei vielen ist es einfach auch Bequemlichkeit. Man fährt nach der Arbeit zum Discounter oder Supermarkt auf die grüne Wiese und nimmt dort gleich alles mit. Von Hygieneartikeln über Nudeln, Reis, Brot, Obst und Gemüse bis zum Fleisch und der Wurst. Das ist einfach herrlich bequem. Und ich gebe zu, als ich noch ein Auto hatte, habe ich das auch gerne gemacht.
Hinzu kommt das vor allem kleinere Fleischereien oft nur bis 18 Uhr geöffnet haben. Ist an meinem Wohnort bis heute so. Eventuell mal bis 18.30 Uhr oder 19 Uhr. Die Fleischtheke bei Rewe oder Walmart haben zum Teil bis 22 Uhr geöffnet. Selbst Aldi, Lidl und Netto haben hauptsächlich bis mindestens 20 Uhr geöffnet. In Zeiten von Schichtarbeit und langer Arbeitszeiten fährt man eben gerne nach der Arbeit einkaufen. Nur wo bekomme ich um 19 Uhr noch von einem Metzger frisches Fleisch?
Aldi hat das Ding generell nicht neu erfunden. Supermärkte, die wesentlich billiger waren als der Tante Emma Laden oder die Bäckerei oder Metzgerei vor Ort gab es schon immer. Aldi ist zu einem Teil nur auf den fahrenden Zug aufgesprungen. Im Bereich Frischfleisch sogar relativ spät.
Punktedieb hat geschrieben:Ich glaube mit dieser Behauptung machen sich die Kritiker das zu einfach. Denn man muss auch sehen, wie sich die Bevölkerung insgesamt entwickelt hat.
Nicht nur das, ich finde, dass man dabei auch den Aspekt der Globalisierung und der internationalen Arbeitsteilung in Betracht ziehen sollte. Kein Land kann den eigenen Bedarf an allen Rohstoffen und Gütern decken, sodass es eben Spezialisierungen gibt und dann wird eben miteinander gehandelt und ausgetauscht. Das ist doch Logik und mit zunehmender Globalisierung doch eine nachvollziehbare Konsequenz.
Dass man da den Aldi-Brüdern allein die Schuld an der Massentierhaltung gibt ist in meinen Augen selten dämlich und an Dummheit nicht zu überbieten. Solchen Sachen sind immer multifaktoral bedingt und nicht monokausal erklärbar. Wenn die Sendung aber alleine Aldi die Schuld daran gibt, frage ich mich, wer den Mist finanziert hat. Das war bestimmt die Konkurrenz von Aldi, anders kann ich mir das nicht erklären.
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