Fremde im Alltag einfach so beschimpfen und beleidigen?

Ich bin vor kurzem mit dem Bus zur Arbeit gefahren und bin Zeugin einer ziemlich befremdlich wirkenden Szene geworden. Der Busfahrer hatte die Tür geschlossen, weil scheinbar alle Fahrgäste eingestiegen waren und war schon einige Meter angefahren, als noch ein Mann angelaufen kam und schnell einsteigen wollte. Der Mann hatte gesehen, dass der Busfahrer angefangen hat zu rollen und hat dann dem Busfahrer dann ein wütendes "Arschloch" hinterher gerufen. Dabei wollte der Busfahrer gerade abbremsen und den Mann noch reinlassen, als er aber dann die Beleidigung gehört hat, ist er dann aus Trotz weiter gefahren und hat den wütenden Mann auf der Straße zurückgelassen.

Ich finde die Reaktion des fremden Mannes einfach nur daneben. Der Busfahrer ist pünktlich abgefahren und nicht zu früh und wenn der Mann pünktlich gewesen wäre, dann hätte er den Bus auch erwischt und er hätte auch mitfahren dürfen, wenn er den Busfahrer nicht beleidigt hätte. Ich meine, wenn er selbst unpünktlich ist aus welchem Grund auch immer, finde ich es total daneben, wenn er dann seine Aggressionen an anderen Menschen auslässt und sie wüst öffentlich beschimpft. Ich finde das einfach respektlos und voll daneben.

Ich gebe zu, dass mich manche Menschen im Alltag auch aufrege, gerade wenn sie vor einem so gehen, dass man nicht überholen kann auch wenn man es ziemlich eilig hat. Aber ich bin noch nie auf die Idee gekommen, sie deswegen zu beschimpfen oder zu beleidigen oder überhaupt etwas zu sagen. Ich bemühe mich immer, trotzdem freundlich zu sein, auch wenn ich manchmal etwas ungeduldig wirke, aber ich werde trotzdem nicht laut, auch wenn ich schlechte Laune habe oder sonst irgendwie gereizt bin.

Wie findet ihr das? Würdet ihr Fremde im Alltag einfach so beschimpfen und beleidigen, wenn sie sich nicht so verhalten, wie ihr es gerne hättet? Könnt ihr das Verhalten des Mannes nachvollziehen? Hättet ihr als Busfahrer den Mann trotz Beleidigung einsteigen und mitfahren lassen? Man könnte ja auch so argumentieren, dass der aufgebrachte Mann es gar nicht so meinte, weil er einfach nur schlechte Laune hatte.

Ich wohne in einer Stadt mit großem Busbahnhof und erlebe sowas auch des öfteren. Nicht immer ist der Busfahrer aber das Opfer. Es gibt einzelne Busfahrer, die bekannt dafür sind, Leute einfach draußen stehen zu lassen und so zu tun, als hätten sie sie nicht gesehen. Kein Wunder, wenn da die potentiellen Fahrgäste immer unfreundlicher werden. Wie es in den Wald rein schallt, so schallt es eben wieder raus.

Ich selbst bleibe immer freundlich, auch wenn mir sowas passiert. Ich bin eben immer der Meinung, dass es schlimmeres gibt, über das man sich aufregen kann und außerdem hat man ja nichts von seinem Ärger. Schließlich ist man ja - wie Du schon schriebst - selbst Schuld daran, wenn man nicht pünktlich genug an der Haltestelle steht.

Hehe, das mit den langsam schlendernden Menschen, die meinen, sie wären alleine auf der Straße und die keinen Platz für Menschen zum Überholen lassen, die es eilig haben, das kenne ich auch und darüber rege ich mich auch ziemlich oft auf. Da kommen meist so Sprüche wie "Genau, bleib doch mitten auf dem Weg stehen.,. Bist ja allein auf der Welt." oder ich gähne auffällig, aber sonst bin ich in der Öffentlichkeit ganz cool. Ich hab eben tierisch etwas gegen Egoismus, also, wenn Menschen meinen, sie müssten überhaupt keine Rücksicht auf andere nehmen und nur ihr Ding durchziehen.

Ah doch, jetzt fällt mir noch ein, wo ich mich immer aufrege: An der Supermarktkasse. Da sind bei uns morgens immer ganz viele Schüler in der Pause und die Rentner mit ihren vollen Einkaufswagen bleiben stur stehen und lassen nicht einen Schüler vor. Ich lass da immer die ganzen Schüler vor, weil ich weiß, wie schnell so eine Pause um ist und ich habe morgens nun mal nichts Wichtiges zu erledigen.

Letztens hat es mir gereicht, da haben dann ein paar Schüler gemeint:"Was haben die Rentner es immer so eilig?" und ich habe dann so geantwortet, dass ich wusste, die Rentner hören es:"Ah ja, die müssen sich eben beeilen, die könnten schließlich jederzeit sterben." Da bin ich gerne frech, denn man hört ständig so Sprüche wie "Die Jugend von heute ist respektlos..." usw., aber die Alten dürfen sich erlauben, was sie wollen, weil sie denken, sie hätten einen Senioren-Bonus.

Ich arbeite mit alten Menschen und weiß ganz genau, wie die ticken und da sind einige dabei, die diese Weltanschauung haben und null Respekt vor anderen haben, erst Recht nicht vor jüngeren. Zu Deiner Frage: Ja, ich hätte den Mann trotzdem mitgenommen, denn ich denke, das Schimpfwort kam im Affekt, weil er vielleicht einen sehr wichtigen Termin nicht verpassen wollte. Ich hätte ihn aber höflich darauf aufmerksam gemacht, dass ich gerade im Begriff war, nochmals für ihn abzubremsen und dass er das nächste mal erst mal tief durchatmen und bis 10 zählen soll, bevor er losschreit.

Ich habe das auch schon mal gemacht, wenn ich ehrlich bin. Damals war es so, dass der Busfahrer zu früh losgefahren ist und mir entgegen kam. Wobei er dann an einer roten Ampel stand und ich ihn bat mich hinein zu lassen. Er grinste fett und lies die Tür zu, dann rutschte mir das Wort auch aus dem Mund, wobei ich sonst nicht so bin, aber das zog für mich eine Verspätung hinter sich her und das finde ich immer nicht so schön.

Ich denke, im Affekt kann einem so einiges rausrutschen. Es ist eben saublöd gelaufen, dass er den Bus nicht mehr bekommen hat. Wenn einem ein Bus vor der Nase wegfährt und es nur um Sekunden ging, ist das total ärgerlich. Da schimpft man eben mal los.

Allerdings habe ich noch nie erlebt, dass man bei solchem Schimpfen im Affekt sich selbst die Schuld gibt. "Scheiße, warum bin ich auch so blöd?!" oder "Ich Depp!". Im Affekt wird immer anderen die Schuld gegeben.

Aber es macht eben nicht jeder. Ich bin auch gar nicht der Typ dafür, anderen Schimpfwörter hinterherzurufen. Selbst wenn sie es tatsächlich verdient hätten, schreie ich nicht "Arschloch" durch die Gegend. Dann eher so was wie "Geht´s noch?".

Also zum einen habe ich schon Verständnis für die Wut über die Situation. Aber andere zu beleidigen, auch im Affekt, zeugt schon irgendwie von einem schlechten Charakter. Denn es muss in einem stecken, damit man es im Affekt rauslassen kann. Dadurch ist man jetzt nicht gleich ein schlechter Mensch, das meine ich nicht. Aber die Hemmschwelle ist halt niedriger als bei anderen.

Ich finde das Benehmen des Mannes echt daneben, doch leider ist das keine Ausnahme! Ich kenne aber auch oft die Situation genau umgekehrt. Ein Bsp. Tram öffnet die Türen, Leute steigen ein, Tram schließt die Türen, steht aber immer noch - Leute kommen angerannt und versuchen wie wild die Tür noch zu öffnen, doch vergeblich. Trambahnfahrer drückt nicht den grünen Knopf, steht aber weiterhin auf den Schienen und fährt nicht.

Und dann beschweren sich die Menschen zurecht! Ich hab das selbst schon so oft erlebt und denke mir da immer meinen Teil, bzw.schüttle empört den Kopf über so viel "Sadismus im Alltag"! Was ich neulich aber auch erlebte und was mich sehr ärgerte - Die S-Bahn verspätete sich um einige Minuten und laut Durchsage lag das daran, dass ein Fahrgast ärztlich versorgt werden musste.

Die "Durchsage" bitte um Entschuldigung - eine Frau neben mir, total motzig und mies gelaunt "der P.... müsste sich entschuldigen" (quasi der Fahrgast, der ärztlich versorgt werden musste. Ich habe meinen Ohren nicht getraut! Was sagt ihr dazu? Das ist doch traurig, oder?