Wahlergebnisse in Griechenland und Akzeptanz

vom 11.05.2012, 12:39 Uhr

Irgendwie ist es z.Z. komisch, wenn ich mir die Radio-Nachrichtensender und die jeweilige Einschätzung zu den Wahlen und der (aktuellen) Regierungsbildung in Griechenland anhöre. Alle Kommentatoren sind sich einig (mache sogar auf humorvolle Weise: "Die Griechen haben eine schlechte Regierung abgestraft, die sie über Jahre in das Schlamassel gebracht haben und eine neue gewählt, welche in kürzerer Zeit ein größeres Schlamassel anrichtet."), dass das was die Griechen als Volk gewählt haben, die falsche Wahl war. Und mit dieser falschen Wahl sollte die EU wieder daran denken, dass auch ein schmerzhafter Ausstoß von Griechenland (wenigstens aus der Euro-Zone), stabilisierend (für die EU, nicht für Griechenland) wirken könne.

Aber keiner scheint auf die Idee zu kommen, dass bei der Erwartungshaltung nur das Vorlegen der gewünschten Wahlergebnisse durch z.B. eine Kommission in Brüssel erreicht werden kann. Man schreibt den Griechen also am Besten die gewünschten Wahlergebnisse vor und spart eben den Griechen das Wählen (weil sie sich sowieso verwählen). Und schon kann es dann weiter gehen. Kommt bei der Wahl aber nicht das heraus, was sich die politische Klasse wünscht, dann muss eben entsprechend gestraft werden. Nur, ist dies wirklich das europäische Demokratieverständnis?

Außerdem ist es bislang nachweislich so, dass jede Sparmaßnahme die Situation verschlechtert hat. Weshalb sollte man also einen Weg weiter gehen, der bislang nichts an Erfolgen hat vorbringen können? (Außer für die internationalen Gläubiger!)

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ja was soll man da antworten? Was die Herren in Brüssel und letztlich auch Mutti in Berlin wirklich noch stört, ist diese vermaledeite Demokratie. Und sind daran nicht auch die Griechen schuld?

Das hat sich doch spätestens bei den Referenden zum EU-Vertrag gezeigt. Passt ein Ergebnis nicht, wird so lange gewählt, bis das Ergebnis passt. Zwischendurch wird mit medialer Hilfe eine Drohkulisse aufgebaut, bis der dusselige Bürger so eingeschüchtert ist, dass ihm keine Alternative mehr sinnvoll erscheint. Das hatten wir z. B. in Irland, das hatten wir nun auch wieder bei der Wahl in Griechenland.

Oder nimm die Amtsübernahme von Monti in Italien und Papadimos in Athen. Das waren in meinen Augen eigentlich Staatsstreiche, am Parlament und am Souverän vorbei. Technokratie und Expertokratie statt Demokratie. So sieht die Zukunft für uns in Europa aus, du liegst richtige, genau das ist das neue Demokratieverständnis unserer sog. Eliten. Wenn die Bombe nicht noch platzt, wofür zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht. Und in Griechenland? Vor wenigen Wochen noch haben sie über diese korrupten Vereine Nea Dimokratia und Pasok als eine der Wurzeln des Übels geschimpft und jetzt sind sie zufrieden, dass der gleiche korrupte Verein wieder gewählt wurde. Unfassbar.

Und richtig, warum soll man den offensichtlich idiotischen Weg der Sparmaßnahmen (die ja nur Schuldenerhöhungsmaßnahmen sind) weiter gehen (ich bin da ganz auf Tsipras Seite) und noch schlimmer, diesen Maßnahmen Verfassungsrang geben ("Schuldenbremsentrallalla - keinerhatsbegriffen"), wobei man sehenden Auges über die Klippe springt? Das fragt sich doch inzwischen die ganze Welt, außer Mutti und ihren tapferen EU-Vasallen. Heise bietet hier eine kleine Zusammenfassung der Weltmeinung.

Leider sind unsere Eliten nicht bereit, die Ursachen der Finanzkrise zu erkennen, entsprechend unsinnig und kontraproduktiv sind die Lösungen. Sie wollen die Bretter vor dem eigenen Kopf nicht sehen. Sie haben auch aus der Historie nichts gelernt. Wir kehren nach 1930 zurück und die fahren die Karre erneut voll an die Wand. Man hat sich ja immer gefragt, wieso die Menschen damals so dumm waren, heute verstehe ich, wie das läuft. Wir gehen gerade einen ganz ähnlichen Weg.

Ja, derzeit ist es verdammt düster am Horizont.

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» Richtlinie2 » Beiträge: 1872 » Talkpoints: -0,63 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Die kleinen Leute in Griechenland tun mir leid. Sie zahlen zuweilen sogar mit dem Leben für die neue Sparpolitik. Wer es nicht glaubt, darf gerne mal Krebs und Griechenland googeln. Viele Krebspatienten dort wurden nämlich arbeitslos und fielen somit aus dem Gesundheitssystem heraus und sind elendig gestorben. Da braucht man sich über solche Wahlergebnisse nicht zu wundern.

Trotzdem will ich mich nicht von Griechenland erpressen lassen und eine neue prorussische Politik benötigen wir meiner Ansicht nach auch nicht.

» Juri1877 » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



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