Deutsche Schulbildung eher weltfremd?

Ja, die Hauptschule hat in der Tat einen schlechten Ruf in NRW, da hast du recht. Sind denn Elektriker und Arzthelferinnen schlechte Berufe? Das finde ich nicht. Es kommt doch auch darauf an, was der einzelne Schüler werden möchte und wofür er sich eignet. Ich weiß schon, wie du das meinst. Aber viele junge Mädchen scheinen sich zum Beruf „medizinische Fachangestellte“ berufen zu fühlen, weil doch recht viele versuchen, hier eine Stelle zu finden.

Es ist nur gut, dass nicht alle Arbeitgeber so denken, wie dein Bekannter, aber leider doch viel zu viele. Sie suchen sich die Rosinen raus, obwohl sie gar nicht so hoch qualifizierte Kräfte benötigen. Die anderen Bewerber würden gern und können auch eine solche Stelle belegen, aber sie haben nicht das entsprechende Zeugnis und deshalb keine Chance. Es ist traurig, wenn Arbeitgeber solche Ansprüche stellen. Eine Arzthelferin mit Abitur und den verlangten Noten sollte sich überfordert fühlen und irgendwann auch ein Studium beginnen. Es ist sehr schade, dass auf eine solche Art vielen jungen Leuten Chancen verloren gehen.

Um Gottes Willen, natürlich sind das keine schlechten Berufe, ganz Im Gegenteil. Nur wenn die meisten Ausbildungsplätze in Berufen wie medizinische Fachangestellte, Büro-, Versicherungs- und Bankkaufleute, Kaufleute im Einzelhandel, Chemikant, etc (die Liste ist endlos, leider) an Abiturienten gehen, was wird dann aus dem Rest.

Es ist selbstverständlich vollkommen ok, wenn ein Teil der Bewerber Abitur haben. Jeder soll sich seinen Beruf aussuchen können. Aber für viele Berufe reicht offiziell ein Abschluss an einer Haupt- oder Realschule. Nur bekommen die meisten Bewerber schon mit sehr guten Zeugnissen kaum Zugang zu den attraktiven Plätzen.

Im Jahr 2013 sind in NRW 5.372 Ausbildungsplätze nicht besetzt worden. Dem stehen aber gleich 24.487 Bewerber gegenüber, die keine Ausbildungsstelle gefunden haben. Und das sind die, die aktiv gesucht haben. Viele sind von der Statistik gar nicht erfasst worden, weil sie sich direkt einen Nebenjob gesucht haben, weil sie wussten, dass sie auf der Strecke bleiben.

Und die Politik in unserem Bundesland macht es vor. Polizist wird keiner mehr ohne Abitur. Jetzt rennen die verzweifelten Bewerber dem Zoll die Bude ein, aber der hat nur wenige Plätze. Wenn für Streifendienst und Alltagsroutine bei der Polizei kein "einfacherer" Abschluss mehr reicht, richten sich viele andere auch danach. Diese Bewerber braucht man gar nicht mehr einladen.

Denn hier geht es schon lange nicht mehr danach, welche Schwerpunkte eine Schulausbildung setzt und welche Fähigkeiten vermittelten werden. Es geht tatsächlich um "Schlecht" und "Gut", was absolut hirnrissig ist. Ein guter Hauptschüler ist nicht schlechter als ein guter Abiturient. Er hat einfach nur andere Fähigkeiten und Kompetenzen. Eigentlich hat er ein Profil, das besser zu vielen Berufen passt als das Abitur.