Ost-West-Unterschied bei Mitarbeiterwahl noch ein Thema?

vom 13.02.2013, 12:37 Uhr

Derzeit bin ich ja eifrig dabei, Bewerbungen zu schreiben, weil ich zum einen eine neue berufliche Herausforderung suche, zum anderen aber auch endlich mal mehr Geld verdienen möchte. Und da ich im Berliner Umland zu Hause bin, bewerbe ich mich überwiegend in Berlin, da dort die Chancen auf einen guten Job wesentlich besser gestellt sind.

Allerdings bewerbe ich mich sowohl im östlichen Teil, als auch im westlichen Teil Berlins, weil mir das eigentlich egal ist, wo ich dann arbeite. Aber irgendwie habe ich noch immer das Gefühl, dass Firmen, die im westlichen Berlin angesiedelt sind, auch lieber Mitarbeiter einstellen, die ebenfalls aus dem westlichen Teil kommen. Das Gerücht der "faulen Ossis" scheint sich immer noch hartnäckig zu halten, jedenfalls kommt es mir so vor.

Der Chef meines Ex-Freundes beispielsweise, hat wohl auch öfter Andeutungen gemacht, dass er keine "Ossis" einstellen will. Gut, nun hat er gleich zwei, denn sowohl mein Ex-Freund, als auch sein Kollege kommen aus dem östlichen Teil von Berlin.

Aber warum ist es so, dass sich dieses blöde Klischee immer noch so hartnäckig hält? Was habt Ihr diesbezüglich für Erfahrungen gesammelt? Denkt Ihr auch, dass in bestimmten Berufen immer noch Unterschiede gemacht werden? Und wenn ja, warum?

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» Jacqui_77 » Beiträge: 2718 » Talkpoints: 19,87 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Also ich lebe tief im Westen und denke mal, dass ich hier nicht so oft auf Ossis treffe, wie im Berliner Raum. Den "faulen" Ossi aber habe ich noch nie erlebt. Wir haben auf der Arbeit auch welche, die machen ihre Arbeit aber genauso gut - nur ist das Motz-Potential bei beiden höher, wobei das hier noch keiner daran festgemacht hat, dass sie aus dem Osten kommen.

Klagen kommen dagegen immer von meiner Freundin, deren Firma eine Zweigstelle im tiefsten Mecklenburg-Vorpommern hat, wo sie ein paar Mal im Jahr auch hingefahren ist. Da kamen dann so Aussagen, in denen es darum ging, dass die Leute unselbständig sind und sich nur auf Anweisung rühren. Auf der anderen Seite weiß ich aber auch nicht, wie die Leute ausgebildet worden sind. Manchmal ist ja auch seitens der Chefetage kein selbständiges Denken erwünscht.

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» Bellikowski » Beiträge: 7700 » Talkpoints: 16,89 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Also ich komme selber aus dem Osten und lebe nun im Westen. Ich hatte mal eine Arbeitsstelle, da hat man mich wirklich spüren lassen, dass die dort keine Ossis wollen und Vorurteile haben. Ich habe dann dort nach 8 Wochen freiwillig gekündigt, weil egal was ich gemacht habe, ich konnte es denen dort nicht recht machen.

Jetzt arbeite ich wieder in einer anderen Region im Westen und dort habe ich nur positive Erfahrungen gemacht. Meine Mitarbeiter sind super nett und ihnen ist vollkommen egal ob ich ein ´´Ossi`´ bin. Wir verstehen uns super und die Zusammenarbeit macht auch wirklich Spaß. Ich denke, dass kommt auch immer ein Stück weit auf die eigene Erfahrung und die Einstellung der Menschen an, mit denen man dann zusammen arbeiten muss. Es gibt eben solche, die das tolerieren und keine Probleme haben und andere die einem nur das Leben schwer machen, wenn die dann wissen, dass man aus dem Osten kommt.

» selinasmami » Beiträge: 127 » Talkpoints: 0,63 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Ob "Ossi" oder "Wessi", das ist doch völlig egal, das schreibst Du ja selbst. Und so ist es auch in Sachen Vorurteile: Die gibt es auf beiden Seiten bei einigen Leuten. Ebenso, wie es auch im Osten und im Westen Menschen gibt, die in diesem Bereich vorurteilsfrei sind und ihre Mitarbeiter nicht nach ihrer Herkunft sortieren und beurteilen. Menschen sind eben überall doch einfach nur Menschen. Und da gehören Vorurteile eben leider sehr oft dazu. Nicht nur von einigen Westdeutschen gegenüber "faulen Ossis", sondern es gibt ja auch Ostdeutsche, die etwas gegen "die Wessis" haben, die dann als eingebildet, besserwisserisch oder ebenfalls faul bezeichnet werden. Man kann also immer an einen doofen Arbeitgeber gerater, der einen wegen der Herkunft diskriminiert. Egal, ob man aus dem Osten oder aus dem Westen Deutschlands stammt, oder auch aus dem Ausland. Es gibt leider immer einige Leute, die daraus ein Problem machen.

Wieso sich das Klischee noch hält? Ich denke, eine Mitschuld trägt daran, dass noch immer so oft nach Ost- und Westdeutschen unterschieden wird. Man spricht andauernd darüber, wer ein Ossi und wer ein Wessi sei, und viele Leute klassifizieren sich auch selbst noch danach. Und dann wundert sich jemand, wieso es noch blöde Vorurteile gibt, dass es zwischen den Menschen je nach Herkunft Leistungsunterschiede gäbe? Man bauscht ja einen Unterschied geradezu künstlich auf, indem man andauernd Unterschiede betont, statt einfach zu sagen: "Egal, aus welchem Bundesland, wir sind alle Deutsche und keiner ist aufgrund seiner Herkunft schlechter als ein anderer."

Ein Grund für die Vorurteile gegenüber Ossis oder Wessis ist, das vermute ich jedenfalls, eine Sache, die bei allen Vorurteilen eine Rolle spielt. Man grenzt eine "fremde" oder als fremd empfundene Gruppe aus, um sich selbst aufzuwerten. Oder vielleicht ist es teilweise auch einfach eine unbewusste Angst vor dem Fremden. Man glaubt, die Ost- oder eben Westdeutschen seien völlig anders als man selbst, und schon fühlt man sich irgendwie bedroht oder eingeschüchtert. Das produziert bei einigen Menschen die Tendenz, dann erst recht patzig zu werden oder eben die Fremden gleich "vorsorglich" anzugreifen. Sie werden quasi aggressiv, um ihre Angst zu überspielen.

Einige Erfahrungen mit einer Diskriminierung aufgrund meiner Herkunft aus West-Berlin habe ich jedenfalls noch nicht machen müssen. Weder im Beruf, wobei ich übrigens denke, dass es da auch keine Unterschiede zwischen unterschiedlichen Berufen gibt, noch im privaten Bereich. Ich hatte schon Kollegen aus allen Teilen Deutschlands, und auch die Chefs waren sowohl aus dem Osten als aus dem Westen. Zum Glück kam man immer gut miteinander klar. Ob man aus dem Osten oder Westen kam, war eigentlich nie ein Thema. Allerdings bin ich auch erst Ende 1986 geboren worden, bin also zu einer Zeit zur Schule gegangen, wo es sowieso keine zwei getrennten deutschen Staaten mehr gab.

Wobei ich in Sachen Herkunft leider auch schon Fälle von Diskriminierung erleben musste. Die bezogen sich aber nicht auf die Herkunft aus dem Osten oder Westen Deutschlands, sondern auf die ausländische Abstammung meiner Mutter, die man mir nun einmal ansieht. Diskriminierung oder Feindlichkeit gegenüber einem Menschen aufgrund seiner Herkunft ist also absolut nichts Seltenes, wenn man einfach mal überlegt, wie verbreitet beispielsweise Ausländerfeindlichkeit leider ist. Man sieht also, die geografische Herkunft eines Menschen scheint für einige Leute wahnsinnig wichtig zu sein. Da ist es noch weniger verwunderlich, dass es auch Ossi- oder Wessi-Feindlichkeit gibt.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Ich glaube, dass das immer ganz stark auf denjenigen ankommt, der sich die Bewerbung anschaut, als in den meisten Fällen wohl der Personalchef. Je nachdem, was derjenige für Ansichten und auch Vorurteile hat, wird entschieden. Ich glaube nicht, dass in einer Firma nun allgemein der Grundsatz herrscht, dass man keine „Ossis“ bei sich arbeiten lässt. Das wäre ja auch gegen das Gesetz, man darf niemanden aufgrund seiner Herkunft, seines Aussehens oder seiner Religion die Arbeitsstelle verweigern.

Ich kenne übrigens genau das Gegenteil. Eine Frau, die aus dem Osten kommt und ganz und gar nichts mit uns „Wessis“ anfangen kann. Ihre Begründung ist, dass wir es damals soviel besser hatten, weil unser Lebensstandard höher war. Das ist natürlich absolut lächerlich, denn ich war damals zum Beispiel noch gar nicht geboren und meine Mutter hat nun auch nichts an den gegebenen Umständen von Ost und West ändern können. Trotzdem mag sie uns nicht. Ich denke, wenn sie nun beispielsweise Personalchefin wäre, würde sie auch niemandem aus dem Westen nehmen, weil diese ihr einfach unsympathisch sind. Und wenn sie das aufgrund der Bewerbung irgendwie begründen kann, warum sie diese oder jene Person nicht in das nähere Auswahlverfahren nimmt, dann kann man ihr da auch nichts vorwerfen, leider.

Ich denke, genauso verhält es sich auch mit dem Vorurteil gegenüber den faulen Menschen aus dem Osten. Ich glaube aber auch, dass dieser Gedankengang in ein paar Jahrzehnten verschwunden sein wird, wenn dann eben so Leute wie die von mir beschriebene Frau nicht mehr für die Personalabteilung zuständig sein werden. Für den Moment kann man leider nichts an der Situation ändern.

» *sophie » Beiträge: 3506 » Talkpoints: 1,38 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


*sophie hat geschrieben:Ich glaube, dass das immer ganz stark auf denjenigen ankommt, der sich die Bewerbung anschaut, als in den meisten Fällen wohl der Personalchef.

Das denke ich auch. In unserem Unternehmen wird nicht nach der Herkunft von Bewerbern unterschieden. Wer über das nötige Fachwissen verfügt, ein paar allgemeine Voraussetzungen erfüllt und im Vorstellungsgespräch überzeugt, der darf anfangen.

Ich habe übrigens festgestellt, dass man tatsächlich noch manchmal erkennen kann, woher ein Bewerber stammt. Das hat aber weniger etwas damit zu tun, dass Ossis als faul gelten. Meine Landsleute sind zum Teil extrem unsicher und haben nur wenig Selbstbewusstsein. Das kann sich dann sicherlich auch manchmal im beruflichen Alltag zeigen, indem man sich nicht traut, selbst etwas zu entscheiden, sondern auf Weisungen wartet.

Zum Glück sind solche Unterschiede aber eher selten zu erkennen. Und vielleicht habe ich bisher nur durch Zufall noch keinen Bewerber kennen gelernt, der aus dem Westen Deutschlands stammt und ebenfalls nur wenig Selbstbewusstsein hat.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Man kann Menschen nicht über einen Kamm scheren. Ich habe aber mit Leuten aus Ostdeutschland schon gemischte Erfahrungen gemacht, die teilweise ein Vorurteil schüren könnten. Von daher wundert es mich nicht, dass sich das Vorurteil bei vielen Menschen hält, auch wenn es eigentlich ungerechtfertigt ist.

Auf der einen Seite kenne ich einige Ostdeutsche, die freiwillig in den Westen gezogen sind und dort eine Arbeitsstelle gesucht haben. Diese Leute haben sich immer sehr bemüht, sich in die lokale Mentalität einzugliedern und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie nur selten Probleme mit Vorurteilen haben.

Auf der anderen Seite kenne ich eine ganze Gruppe, die sich sehr stark gegen den Westen wehren und teilweise sich die DDR zurück wünschen. Dazu muss man sagen, dass die meisten die DDR auch nur aus ihren Kindheitstagen kennen. Es gibt aber auch einige ältere Menschen, die so denken.

Mit einer solchen Einstellung wird man natürlich Probleme mit der "Wessi-Mentalität" bekommen, auch wenn der Gegenüber keine Vorurteile hat. Oft sind die Vorurteile nämlich eben auch umgekehrt vorhanden. Wenn da ein Personaler öfters schlechte Erfahrungen gemacht hat, wird er beim Einstellen vorsichtiger. Das heißt aber noch nicht, dass er "Ossis" generell ablehnt.

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