Muss man bei Psychotherapie durchgeknallt sein?
Ich habe vor Kurzem eine Verhaltenstherapie angefangen wegen meiner Prüfungsangst. So eine Verhaltenstherapie zählt ja als Unterkategorie einer Psychotherapie und wenn ich das gegenüber anderen erwähne, bekomme ich schon seltsame Reaktionen.
Normalerweise sagen die Leute zwar nichts dazu oder meinen, es sei vernünftig von mir, das Problem anzugehen, aber an den schockierten Blicken merke ich auch, dass in den Köpfen was ganz anderes vorgeht. Manchmal habe ich das Gefühl, mein Gegenüber würde daraus schließen, ich hätte einen leichten Dachschaden.
Eine Bekannte von mir macht wegen Depressionen auch eine Psychotherapie und als ich mit gemeinsamen Freunden und Bekannten darüber geredet habe, haben sich alle bezüglich ihr sehr abfällig geäußert. Das fand ich schon etwas fies und daneben.
Würdet ihr öffentlich dazu stehen, wenn ihr in Therapie seid? Oder hättet ihr Angst, verurteilt zu werden. Kennt ihr Leute, die in Psychotherapie sind und findet ihr diese Personen seltsam?
Eine gute Freundin von mir ist seit Ewigkeiten in Behandlung und nimmt Anti-Depressiva. Ich fand das noch nie komisch. Eine andere Freundin bräuchte dringend eine Therapie wegen ihrer Zwangsstörung, aber sie sieht das selber noch nicht. Ich habe lange mit einer gemeinsamen Freundin darüber nachgedacht, wie wir sie dazu bewegen können, eine Therapie zu machen.
Also ich sehe daran gar nichts Schlimmes. Gerade Prüfungsangst ist doch auch echt harmlos. Da muss man ja nicht mal Angst haben oder sich wirklich Sorgen machen. Meine Freundin mit der Zwangsstörung könnte sich irgendwann in ihre Wohnung zurückziehen und diese nicht mehr verlassen. Die Ersterwähnte hat auch schon einen Suizidversuch unternommen. Aber Prüfungsangst kennen wir doch alle ein bisschen. Das ist doch nichts Erschreckendes.
Aber ich würde in die Reaktionen auch nicht zu viel hineininterpretieren. Vielleicht wissen die Betreffenden auch nur nicht, wie sie reagieren sollen und sind einfach nur unsicher. Oder du bist die Erste, die sie kennen, die das so offen zugibt. Da ist es schon schwierig, das Richtige zu sagen oder wieder auf ein anderes Thema umzuleiten. Oder es kommen ihnen ganz viele Gedanken und Fragen, die sie sich aber nicht zu fragen trauen. Es muss doch nicht zwingend damit zusammenhängen, dass sie dich verurteilen.
Wie dir Bienenkönigin schon geschrieben hat, wird es eine Unsicherheit der Menschen sein, die damit nicht umgehen können, wenn du ihnen sagst, dass du wegen Prüfungsangst in Therapie bist. Ja, ich kenne Menschen, die eine Psychotherapie machen, es sind ganz normale Menschen. An deiner Stelle würde ich mit keinem mehr darüber sprechen, da du die Reaktion der Leute kennst und sie vermeiden kannst. Denn die Reaktion ärgert dich und das musst du dir nicht antun.
Ich mache eine Psychotherapie aufgrund meiner Prüfungsangst, die sich in weitere Unsicherheit gewandelt hat, und ich finde auch nicht wirklich etwas Schlimmes daran. Man merkt teilweise schon, dass bei dem Wort Psychotherapie bei einigen Menschen schon die Alarmglocken losschrillen und gleich gesagt wird, dass man wirklich ernsthafte Probleme haben muss und deswegen zur Psychotherapie muss.
Ich denke jedoch ebenfalls, dass viele Menschen einfach unsicher sind, wenn sie den Begriff hören und einfach zuviel hineininterpretieren. Viele tun Prüfungsangst auch als lapidar ab und können es nicht mit einer Psychotherapie in Verbindung bringen. Wenn ich aber bedenke, dass ich den Lehrern teilweise schon aus Panik fast vor die Füße gefallen bin, dann kann ich es nicht mehr als leichte Angst abtun.
Wenn dein Umfeld so reagiert und dich gleich für verrückt hält, dann solltest du vielleicht nicht mehr über die Psychotherapie reden oder komplett drüber stehen. Ansonsten ärgerst du dich wirklich nur noch und entwickelst vielleicht noch weitere Ängste und Probleme, weil dein Umfeld es nicht versteht, warum man eigentlich eine Psychotherapie macht, wenn man scheinbar nicht verrückt ist.
Ich habe eine psychische Erkrankung und mache zur Zeit keine Psychotherapie. Habe aber schon mehrere Psychotherapien kennen lernen dürfen. Was mit einer diagnostizierten psychischen Erkrankung nun mal nicht ausbleibt. Und alles was ich bisher gemacht habe, waren Verhaltenstherapie (wenn sie auch zum Teil anderen Bezeichnungen haben). Das ist generell das Standardverfahren bei Problemen mit der Psyche oder bei Ängsten und so weiter.
Meine ersten Psychotherapien machte ich zu Zeiten, zu denen ich noch als gesund galt. Gründe gab es viele. Die Meinungen waren eher geteilt. Zu der allerersten wurde mir geraten. Da wussten wenige davon. Als ich meinen Eltern beichten musste, war das für mich so, wie wenn man sonst ein Geheimnis beichten muss. Nicht weil es Psychotherapie war, sondern weil ich etwas hinter ihrem Rücken gemacht habe.
Ich weiß nicht mehr wirklich, wie die Reaktionen waren. Meine Mutter deutete was an, dass sie wohl bemerkt hat, dass ich Hilfe brauche. Allerdings gilt in meinem Elternhaus bis Heute Psychotherapie als was für - ich weiß nicht wie ich es nennen soll. Damals wäre der Therapeutin eine Familientherapie am Liebsten gewesen, die mein Vater aber mit fadenscheinigen Gründen ablehnte. Heute denke ich an schlechten Tagen, ich könnte gesund sein. Zumindest wäre mein Leben anders verlaufen. Aber es beschreibt eben sehr schön, wie mein Vater dazu eingestellt ist.
Seit dem ich eben eine psychiatrische Diagnose habe und ich da generell recht offen mit umgehe (umgegangen bin - die Zeiten ändern sich da ein wenig), outen sich recht viele. Es gibt Menschen, die mir erst nach dem ich schon drin steckte, quasi erzählten, dass sie auch eine Therapie gemacht haben. Aus verschiedenen Gründen. Irgendwie fühlt sich das für mich manches Mal so an, wie wenn man eben Gleichgesinnten was erzählt.
Meine nächsten Angehörigen (meine Mutter verstarb vor ein paar Jahren) sehen das nicht ganz so locker. Über psychisch kranke Menschen wird weiter gelästert, auch wenn ich mit dabei bin. Und das teilweise auf recht unschöne Weise. Ich habe mir bisher verkniffen zu sagen, dass ich da auch dazu gehöre. Irgendwie fühlt es sich wahrscheinlich für meine Familie anders an?
Worauf ich eigentlich hinaus will: Es gibt Menschen, für sind traurig sein etwas, was jeder mal hat. Das es aber auch krankhaft sein kann, wie zum Beispiel bei Depressionen, kann keiner nachvollziehen. Es gibt Menschen, die können sich, ohne selbst erkrankt zu sein, durchaus rein versetzen. Aber für viele Menschen sind psychische Erkrankungen oder auch psychische Probleme nichts greifbares.
Menschen, die selbst schon eine Therapie gemacht haben, sind da offener. Weil sie wissen, dass das alles kein Hokuspokus ist. Weil sie auch wissen, dass es durchaus hilfreich sein kann. Nur zugeben möchten das viele eben einfach nicht, um eben in keine Schublade gesteckt zu werden.
Davon mal abgesehen, eine kleine Anekdote. Bei einer meiner Therapeuten stand mal eine Verlängerung an, die beantragt werden musste. Dazu befragte mich die Therapeutin und so weiter. Sie sagte selbst, dass sie allerdings nicht alles an die Krankenkasse weiter gibt oder schriftlich fest hält, damit ich da nie Probleme bekomme und verwies auf das dunkelste Kapitel der Deutschen Geschichte.
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