Würdet ihr eine Kerze für Vermissten ins Fenster stellen?
Ich habe gerade ein Buch gelesen, indem Buch geht es um eine Mutter, deren Kind lange Zeit vermisst wurde und was dann tot aufgefunden wurde. Die Mutter beschreibt in dem Buch, dass sie jeden Tag eine Kerze im Fenster stehen hatte und diese auch angezündet hat, wohl in der Hoffnung, dass er das Licht sehen würde und sich wieder nach Hause traut. Natürlich klammert man sich an jeden Strohhalm, aber diese Erklärung klingt schon etwas lächerlich. Was meint ihr dazu? Würdet ihr es machen oder nicht? Es schadet ja auch nicht.
Das ist doch einfach ein alter Brauch, der wohl noch aus Zeiten rührt, in denen ein Licht im Fenster dann wirklich weithin sichtbar war, weil es keine Straßenlaternen gab. Als es also nachts auf dem Land wirklich noch stockdunkel war. Wenn man also jemanden erwartete, stellte man ihm eine Kerze ins Fenster, damit er den Heimweg findet. Wenn man auf jemanden wartete, der in den Krieg ziehen musste oder zur See fuhr und man nicht genau wusste, wann und ob er zurückkehren wird, dann stand die Kerze auch mal eine ganze Weile.
Das ist natürlich heute alles nicht mehr nötig, weil man die Kerze eh nicht sehen würde. Die meisten Fenster sind durch elektrisches Licht erleuchtet, dazu gibt es Straßenlaternen, Autoscheinwerfer etc.. Aber ich denke, die Frau hat darin einfach Trost gefunden. Es ist sicherlich schwer, nur abzuwarten und überhaupt nichts tun zu können. Da hilft dann schon so eine kleine Aufgabe; so unsinnig sie erscheinen mag.
Ich habe mal im Krankenhaus einen Streit zwischen Angehörigen einer Sterbenden mitbekommen. Dabei ging es darum, dass die eine der Patientin schon wieder Labello auf die trockenen Lippen gegeben hatte und die andere das aber auch gerne mal tun würde. Wenn es so hoffnungslos ist, dann ist es wirklich tröstend und wichtig auch die kleinsten Dingen zu tun.
Ich habe oft Kerzen am Fenster stehen, ich finde das vor allem im Winter sehr gemütlich. Ich muss mich hier nicht durch Vorhänge vor neugierigen Menschen abschotten, deshalb kann ich die Fensterbänke schön dekorieren, eben auch mit Kerzen. Und wenn ich Gäste erwarte zünde ich auch Kerzen in den Laternen vor der Tür an, als Willkommensgruß.
Dieses Verhalten würde also wenig Sinn machen, weil es sich von meinem normalen Verhalten nur unwesentlich unterscheiden würde. Außerdem bin ich ziemlich rational veranlagt und glaube nicht an irgendwelchen Hokuspokus. Für was braucht ein Kind eine Kerze um nach Hause zu finden? Die meisten Straßen sind gut beleuchtet.
Ich finde Kerzenlicht sehr schön und auch angenehm, gerade wenn es schneller dunkel wird draußen. Ich sehe allerdings keinen Sinn bei diesem Brauch, angezündete Kerzen ans Fenster zu stellen, damit Vermisste schneller nach Hause finden: Welchen Sinn hat das bitte? Die Straßen sind gut beleuchtet in den allermeisten Gegenden, sodass es wirklich unsinnig ist, dann noch eine Kerze anzuzünden. Wenn ich eine Kerze anzünde, dann mache ich das, damit ich es selbst gemütlicher habe und nicht aus irgendwelchen Bräuchen, Traditionen oder sogar Aberglauben.
Es ist natürlich klar, dass auch Eltern, deren Kind vermisst wird und die nicht wissen, ob es noch lebt und wie es ihm geht, immer rational und nachvollziehbar handeln. Wenn ich ein Kind hätte, das irgendwo da draußen ohne mich unterwegs ist oder vielleicht sogar tot in einem Waldstück verscharrt liegt, wäre eine Kerze im Fenster bei weitem nicht das Ungewöhnlichste, was ich unternehmen würde, um nicht den Verstand zu verlieren. Und die Mutter möchte ich sehen, die in einer solchen Extremsituation achselzuckend ihr normales Leben weiter führt.
Menschen finden Trost durch Rituale. Deswegen zünden wir in der Adventszeit ja auch Kerzen an, auch wenn es Glühbirnen auch täten. Ich kann auch verstehen, wieso zu Gedenktagen Blumenkränze niedergelegt werden oder wieso Menschen das Bedürfnis haben, an Orten von Unfällen oder Katastrophen Kerzen anzuzünden oder Blumen abzulegen. Natürlich könnte man auch da sagen: Wieso? Tot ist tot, und das Geld könnte man besser an das Tierheim spenden. Das sagen jedoch meistens diejenigen, die noch nie einen Verlust erlebt haben oder sich nicht vorstellen können, was es heißt, jemanden zu verlieren, den man liebt.
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