Soziale Schulungen für Mitarbeiter von Ausländerbehörde?
Meine Mutter ist Ausländerin, hat allerdings, weil sie über 20 Jahre am Stück in Deutschland gelebt und in der Zeit nie Sozialleistungen beansprucht hat, um das Jahr 2000 herum einen unbefristeten Aufenthaltstitel beziehungsweise eine Niederlassungserlaubnis für Deutschland bekommen.
Sie ist einige Jahre später und nach der Trennung von ihrem damaligen Partner doch wieder ins Ausland gezogen, um sich dort selbstständig mit einer Ferienanlage zu machen. Der Aufenthaltstitel gilt weiterhin, muss aber natürlich bei einem Wechsel des Personalausweises in den neuen übertragen werden, was nur vor Ort in Deutschland bei einer Niederlassung der Ausländerbehörde geht. Und da der alte Reisepass meiner Mutter zwischenzeitlich voll geworden war, mussten wir nun eben diese Übertragung des alten Titels in den neuen Reisepass vor einigen Monaten organisieren, als meine Mutter mal wieder nach Deutschland gereist war. Ich bin mit zur Behörde gegangen, weil ich im Vorfeld schon mit der zuständigen Abteilung einige Dinge geregelt hatte, weil es einfacher direkt hier vor Ort zu regeln war, als das alles postalisch aus dem Ausland zu klären.
Jedenfalls kam es dann zu dem Termin zwecks Übertragung des Aufenthaltstitels. Die Sachbearbeiterin sprach sehr schnell und etwas wirr, und warf mit Paragraphen nur so um sich. Obwohl ich mal zu behaupten wage, als deutsche Muttersprachlerin und Person mit abgeschlossenem sprachwissenschaftlichem Studium die deutsche Sprache mangelfrei zu beherrschen, habe ich von dem Amts-Kauderwelsch teilweise nicht alles verstanden, beziehungsweise kamen mir einige Punkte missverständlich vor.
Von daher habe ich noch einmal an diesen Stellen nachgefragt, um auch ganz sicher zu gehen. Die Sachbearbeiterin wurde daraufhin extrem patzig, motzte immer mehr herum, spielte sich dann noch einmal im Klugscheißer-Ton auf und meinte letztendlich auch noch überheblich, es sei ja egal, ob wir das nun verstünden oder nicht, es sei halt einfach so in Deutschland. Ich wollte ihr daraufhin noch ein paar Worte sagen, sie fiel mir aber direkt ins Wort und schickte uns aus dem Zimmer.
Ich fand ihr Verhalten nicht nur im Bezug auf den Anlass unangemessen, sondern fand es insbesondere fragwürdig, dass jemand, der gerade bei der Ausländerbehörde arbeitet, offenbar keineswegs mit Nachfragen klarkommt, die sich auf sprachliche Formulierungen ihrerseits beziehen. Gerade bei der Ausländerbehörde dürften doch häufiger Leute einen Termin haben, die keine Experten der deutschen Sprache sind. Egal, ob nun Asylbewerber, die gar kein Wort Deutsch sprechen, oder Auslandsstudenten, die ein Jahr in Deutschland eine Universität besuchen möchten, die zwar schon über Deutschkenntnisse verfügen, aber in der Regel eben auch nicht gerade über extrem fortgeschrittene.
Sehe ich das zu eng? Sollte nicht gerade in dem Bereich Leute arbeiten, die besondere sprachliche oder soziale Fähigkeiten haben? Wobei das wieder so hochtrabend klingt. Aber die Fähigkeit, ruhig zu bleiben, wenn jemand die Sprache nicht versteht, und auch zu wissen, wie man sich notfalls mit einfacher Sprache verständlich machen kann, das halte ich für diesen Beruf schon für sehr wichtig. Gibt es für Angestellte in den Ausländerbehörden da eigentlich besondere Seminare oder Weiterbildungen? Oder gibt es überhaupt, wenn man bei so einer Behörde anfangen will, besondere Voraussetzungen in diese Richtung? Wenn ja, welche?
Meine Mutter meinte übrigens bloß, ich solle die mies gelaunte Frau doch einfach ignorieren, sie habe sicher nur einen schlechten Tag gehabt. Gut, das mag stimmen. Aber inwiefern man die dort Angestellten auf die besondere sprachliche Situation in diesem Beruf im Vorfeld vorbereitet oder nicht vorbereitet, das würde mich nun doch interessieren.
Ich musste bei dem abschließenden Kommentar deiner Mutter an das Experiment "Der Rassist in uns" denken: Dort wurden einige Teilnehmer gefragt, ob sie schon mal etwas tun mussten, ohne darum gebeten zu werden. Die Deutschen kannten sowas nicht, ein älterer Mann erklärte, wenn er etwas machen soll, kann man ihn darum bitten. Eine Frau mit dunklerer Hautfarbe wirkte kurz verwundert über die Frage und sagte dann sowas wie "ja natürlich".
Vermutlich denken leider viel zu viele Menschen- Mitarbeiter der Behörden eingeschlossen- dass die Ausländer ja etwas wollen, also sollen sie sich anpassen. Ich selbst erlebte in München wie eine Britin bei der Arbeitsagentur nicht alles verstanden und auf Englisch nachfragen/zusammen fassen wollte. Ihr wurde daraufhin auf deutsch erklärt, dass sie sich dann auf eigene Kosten einen Übersetzer mitbringen solle. Ich fragte mich, ob rudimentäre Englischkenntnisse nicht vorhanden sein sollten, wenn man eine abgeschlossene Schulausbildung (ich glaube es muss im Amt sogar mindestens die mittlere Reife sein) hat und einen Beruf in Deutschland erlernt hat.
Bei einer anderen Situation versuchte ich gar dazwischen zu gehen, als eine Sachbearbeiterin lautstark auf dem Gang mit einem Afrikaner über seinen Anträge diskutierte und zu ihm sagte, er befinde sich in einer deutschen Behörde. Der Mann verstand deutsch, wirkte auch nicht so, als würde er die ARGE mit einem afrikanischen Fest verwechseln und Datenschutz und Diskretion sollte doch eigentlich für alle gelten.
Allgemein finde ich, dass Paragrafengebrauch gegenüber Laien unangemessen ist, sofern diese nicht selbst so reden. Wenn ihr nun hereingekommen wärt, um im Amtsdeutsch euer Anliegen vorzutragen, könnte ich eine solche Reaktion verstehen. Insgesamt wirkt die Situation auf mich jedoch eher so, als säße dort eine überforderte Frau, die unglücklich mit ihrem Job ist. Vielleicht hätte man sie fragen sollen, ob es in Deutschland nicht auch so ist, dass man seine Kunden ausreden lässt.
Allgemein scheint es wenig Seminare in Sozialkompetenz für Behördenmitarbeiter zu geben. Von der ARGE weiß ich, dass es für manche eher Learnung by doing war. Mein damalige Sachbearbeiter gestand mir nach Beendigung meines Leistungsbezuges mal, dass ich eine seiner ersten Kundinnen war und er eigentlich nur die Aufgabe hatte eine Unterschrift unter die Eingliederungsvereinbarung zu bekommen. Er hatte solche Gespräche vorher mehrfach angehört und unter Aufsicht eines Kollegen selbst geführt. Mit mir hatte er nicht gerechnet.
Er war jedoch noch recht jung, hatte seine Ausbildung woanders gemacht und ein gewisses Selbstbewusstsein, so dass er vor mir nicht nervös wurde und die Situation gut meisterte. Ich habe erst später erfahren, dass er ganz neu war. Das lag aber eher an seinen menschlichen Fähigkeiten, die er mitbrachte in den Job. Doch danach werden die Bewerber in Behörden meistens nicht ausgewählt.
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