Seht ihr Liszt, Chopin und Paganini als Rockstars?

Er spielt sich durch die verschiedenen Musikepochen und bezaubert sein Publikum von der ersten Minute an mit seinem Geigenbogen. Der überwältigende Applaus für das, was er aus mehreren Jahrhunderten an abwechslungsreichem Programm bietet - ein Hörgenuss, ist gerechtfertigt.

Wie findet ihr den Ausspruch von David Garrett: „Die Paganinis, Liszts und Chopins des 19. Jahrhunderts waren in meinen Augen die ersten Rockstars der Welt.“ Was haltet ihr von diesem Ausspruch? Meint Ihr, er hat wohl Recht damit, wenn er von Rockstars spricht?

Für mich laufen Liszt, Chopin und Paganini unter "Musik, die mir zu hoch ist". Aber das heutige Publikum hat natürlich zum größten Teil vergessen, dass es sich um die heutigen "Klassiker" auch mal um lebende, atmende Menschen gehandelt hat, und die haben es bestimmt auch mal krachen lassen, wenn sie nicht gerade unsterbliche Werke geschaffen haben. Mozart ist ja das beste Beispiel dafür.

Gerade im 19. Jahrhundert hat man ja auch den Überschwang der Phantasie und der Gefühle gefeiert. Stichwort Romantik. Wer da als Musiker oder Komponist den Nerv der Zeit getroffen hatte, hatte bestimmt damals auch schon Fans und begeisterte Verehrer bzw. Verehrerinnen. Franz Liszt hat das damalige Klavierspiel revolutioniert und das Publikum mitgerissen. Auch privat war er kein Kind von Traurigkeit. Chopin war ebenfalls ein damals berühmter Klavier-Virtuose, und ist mit knapp 40 Jahren schon gestorben. Paganini hat an der Geige brilliert, war ebenfalls ständig auf der Reise, ständig krank und hatte eine überwältigende Bühnenpräsenz, die das damalige Publikum ebenfalls begeistert hat.

Wenn man sich also in die Thematik einarbeitet, kann man mit ein bisschen gutem Willen durchaus Parallelen zwischen den Genies und Virtuosen des 19. Jahrhunderts und den modernen Rockstars ziehen, zumindest was die manchmal geringe Lebenserwartung und die zahlreichen Skandale und Weibergeschichten angeht. Allerdings glaube ich nicht, dass dieses Wissen in der Bevölkerung weit verbreitet ist. Der gute Herr Garrett möchte eben Werbung für sein Metier machen und auch klassische Musik als "cool" verkaufen.

Och, bevor die klassische Musik zur Klassik wurde, war es populäre Musik. Es war eben die Unterhaltungsmusik ihrer Zeit. Da sind in Bezug auf Stars, Trends und Skandale ganz viele Parallelen zur heutigen Zeit.

Als der Walzer das Menuett ablöste, was diese Musik absolut skandalös. Die Paare kamen sich viel zu nahe, das war extrem unschicklich. Und dass man die Knöchel der Dame wegen der fliegenden Röcke sehen konnte, das war ein echter Angriff auf die Sittlichkeit.

Typische Komponisten von Walzer und Polka verursachten in etwa das, was Elvis Presley nach dem Krieg auslöste. Die genannten kann man dagegen durchaus als Rockstars sehen. Sie haben die Techniken revolutioniert und Werke erschaffen, die die Menschen damals so verwirrt haben müssen wie die moderne Musik manchen Senior heute.

Ich kann mir durchaus vorstellen, dass diese Künstler und Musiker zu der damaligen Zeit eben auf ihre Weise "Rockstars" waren. Ich kann jetzt nicht beurteilen, ob sie zu der damaligen Zeit auch so viele Konzerte oder Tourneen hatten wie die Stars und Sternchen heutzutage, aber ich kann mir vorstellen, dass es sicherlich den ein oder anderen "Groupie" gegeben haben wird, der auf seine Weise ein Autogramm erhaschen wollte.

Es ist sicherlich schwer vorstellbar, weil man eben auch den Eindruck hat, dass die Menschen damals sehr sehr viel verklemmter waren als heute und das man erst heute in der Gegenwart wirklich "frei" leben kann und machen kann was man will weitestgehend unabhängig von irgendwelchen gesellschaftlichen Konventionen. Aber ich halte es durchaus für möglich, dass Musiker wie Chopin eben so etwas wie Rockstars waren in ihrer Zeit und durchaus auch so etwas wie den ein oder anderen "Groupie" gehabt haben könnten.