Warum verteidigen Rechtsanwälte schuldige Verbrecher?
Kann ein Rechtsanwalt, der genau weiß, dass er einen gefährlichen Verbrecher vertritt, noch in den Spiegel gucken und schlafen, wenn er den Verbrecher frei bekommt, obwohl er schuldig ist? Er kann ihn ja vertreten vor Gericht, aber nicht dafür sorgen, dass er frei gelassen oder zu milde verurteilt wird. Das sollte er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren können.
Als Pflichtverteidiger muss ein Rechtsanwalt den Beschuldigten ja vertreten. Aber was veranlasst einen Rechtsanwalt dazu, einen Schwerverbrecher oder Mörder freiwillig zu verteidigen? Ich setze voraus, dass die Schuld klar ist. Machen die Rechtsanwälte das aus Publicity oder warum?
Jeder Verbrecher, jeder Mensch hat ein Recht auf Verteidigung und der Rechtsanwalt versucht dann die Strafe so milde wie möglich zu erreichen. Bei Straftaten muss ein Rechtsanwalt vor Gericht vertreten sein. Und wenn sich keiner bereit erklärt, dann wird ein Rechtsanwalt gestellt. diese Pflichtverteidiger müssen dann die Verteidigung übernehmen.
Und Rechtsanwälte, die das freiwillig machen, machen es, weil sie Geld damit verdienen. Gerade Strafrechtler werden wohl nur mit solchen Fällen ihr Geld verdienen und sehr oft sind eben dann auch die Menschen schuldig und da versucht halt der Verteidiger das beste heraus zu holen. Wenn er das mit dem Gewissen nicht vereinbaren kann, dann kann er ja das Mandat auch niederlegen. Aber ich denke, dass es eben der Beruf ist, welchen er ausübt und da gehört es einfach dazu auch einen Verbrecher zu verteidigen.
Letztes Jahr lief im Fernsehen eine Miniserie - The Escape Artist - die sich genau mit dieser Frage und den Konsequenzen beschäftigt. Ich weiß leider nicht, ob es die Serie auf DVD gibt oder ob sie vom deutschen Fernsehen gekauft und synchronisiert wurde.
In der Serie hatte ich nicht unbedingt den Eindruck, dass die Anwälte Mörder verteidigen, weil ihnen das viel Geld einbringt, sondern weil das für sie eher eine Art Schachspiel ist. Auf der einen Seite sitzt die Staatsanwaltschaft, auf der anderen die Anwälte und die Seite, die die Gesetze am besten zu ihren Gunsten nutzen kann und die passenden Gesetzeslücken findet gewinnt.
Und so lange sie nicht direkt mit den Konsequenzen konfrontiert werden spielt sich das Ganze eben auf einer ziemlich abstrakten Ebene ab. Das könnte praktisch genauso gut eine philosophische Diskussion sein in der man rein theoretisch Recht und Gerechtigkeit miteinander vergleicht.
Es ist ein Job, sicherlich keiner wie jeder andere, aber ein Job. Ein Anwalt muss jeden Mandanten vertreten und bei jedem wird er sich ins Zeug legen, Schuld oder nicht. Ich denke, dass man auch ohne schlechtes Gewissen diesem Job nachkommen kann, man macht ja nichts Schlimmes und jeder Mensch hat ein Recht darauf verteidigt zu werden. Ich denke, dass ein guter Anwalt auch seinem Mandaten dazu raten wird zu gestehen, wenn er Schuld ist und dann heißt es ja eh nur das Beste herauszuholen.
@Ramones: So lange der Anwalt nicht als Pflichtverteidiger berufen wurde, muss er niemanden vertreten. Ein Anwalt darf schon noch selbst entscheiden, welchen Mandanten er vertritt oder eben auch nicht. Ansonsten geht es doch darum, dass die Staatsanwaltschaft in der Position ist ein Verbrechen so nachzuweisen, dass keinerlei Zweifel an der Schuld bleiben.
Der Anwalt dagegen versucht eben Zweifel zu streuen oder auch Behauptungen der Staatsanwaltschaft zu entkräften. Ist das am Ende nicht möglich, dann versucht man Gründe als Rechtfertigung für die Tat ins Spiel zu bringen, um das Strafmaß so gering wie möglich zu halten. Wenn es das nicht so gäbe würde man bei spektakulären Fällen nicht immer wieder was von schlechter Kindheit und dergleichen hören, die den Täter erst dahin gebracht haben, wo dann ist.
Aber am Ende zählt für den Anwalt nur, dass er Geld verdient. Denn Kanzlei und Mitarbeiter wollen bezahlt werden. Auch für den Ruf ist es oft sinnvoll auch solche Fälle anzunehmen. Wenn man in der Branche als harter Hund bekannt ist, verunsichert das manchen Gegner schon vorher.
Aus den Antworten entnehme ich, dass es durchaus mal vorkommt, dass ein Rechtsanwalt einen Schwerverbrecher frei bekommt. Genau das meine ich. Wenn der Rechtsanwalt seinen Triumph über den Staatsanwalt genügend genossen hat, muss sich doch das schlechte Gewissen melden. Denn der Schwerverbrecher hätte doch hinter Schloss und Riegel gehört. Ich glaube, man muss Rechtsanwalt sein, um da nicht moralisch zugrunde zu gehen. Jeder andere Mensch könnte nicht mehr ruhig schlafen.
Das auch Schwerverbrecher durch eine Anwalt vertreten werden müssen, hat ja durchaus seine Gründe. Hier geht es nicht darum, eventuell schuldige Verbrecher frei zu bekommen, sondern darum, dass es einen fairen Prozess gibt. Noch dazu gilt in Deutschland die Unschuldsvermutung. Das heißt, jeder der nicht rechtskräftig von einem deutschen Gericht verurteilt wird, gilt als unschuldig.
Es ist zwar nun schon ziemlich lange her, aber im Dritten Reich wurden viele eben einfach verurteilt und die meisten auch zu unrecht, eben weil man das so wollte. Deshalb finde ich es an sich gut, dass jeder Verbrecher an Anrecht auf einen fairen Prozess hat. Und das sollte man sich eben bei den Gedankengänge auch vor Augen halten. Das unter anderem eben auch niemand verurteilt wird, weil er die falsche Religion, Hautfarbe oder Frisur hat.
Um es aber an einfachen Beispielen zu erklären. Der fiktive Herr Kunibald Mustermann überfährt die fiktive Frau Elfriede Schwindikowski. Generell könnte man das ja nun einfach als Mord ansehen und Herrn Kunibald Mustermann einfach lebenslänglich ins Gefängnis stecken. Ein Rechtsanwalt der aber Herrn Kunibald Mustermann vertritt, würde auch die Hintergründe beleuchten. Wie kam es eigentlich dazu, dass Herr Kunibald Mustermann Elfriede Schwindikowski überfahren hat? War es wirklich Absicht? Gründe für das Unglück könnten nämlich auch versagende Bremsen gewesen sein oder das Elfriede Schwindikowski mit Suizidabsicht Kunibald Mustermann vor das Auto gesprungen ist.
Die Angehörigen von Elfriede Schwindikowski fordern natürlich den Tod von Kunibalb Mustermann. Immerhin hat er die Frau getötet. Warum eigentlich noch einen Prozess führen? Selbstjustiz ist ja auch noch eine Option. Wobei genau diese eben auch mit fairen Prozessen vermieden werden sollte.
Um beim Tod von Elfriede Schwindikowski zu bleiben. Die gute Frau wird tot im Straßengraben aufgefunden. Es ist klar ersichtlich, dass sie auf ihrem Fahrrad angefahren auf wurde, im Straßengraben landete und der Fahrer geflüchtet ist. An der Unfallstelle ist auch zu erkennen, dass sie von einem roten Fahrzeug angefahren wurde. Frau Schwindikowski muss mach dem Unfall noch mehrere Stunden gelebt haben und ist alleine, unter starken Schmerzen im Straßengraben verstorben. Wäre sie gleich in ein Krankenhaus gebracht worden, könnte sie noch leben.
Nun wird bei den Ermittlungen fest gestellt, dass das Auto von Herrn Kunibald Mustermann in der Nähe des Unfallorts gesehen wurde. Deshalb bekommt er eine knappe Woche nach dem Tod der Frau Besuch von der Polizei. Diese stellt fest, dass es Kratzspuren am Fahrzeug von Herrn Kunibald Mustermann gibt. Diese passen auch zum Lack das Fahrrades der Opfers. Wie Herr Kunibald versichert, ist der Schaden aber schon vor längerem passiert, als Frau Elfriede Schwindikowski ausversehen sein Auto streifte. Am Unfalltag selbst war Herr Kunibald Mustermann aber auch im Ausland und er ist erst am Tag vorher zurück gekommen.
Nun könnte man klar sagen, die Spuren am Auto und am Fahrrad passen aber zusammen. Außerdem wurde das Fahrzeug ja in der Nähe des Unfallortes gesehen, also muss Herr Kunibald Mustermann die Frau angefahren haben und hat dann Unfallflucht begannen. Da Elfriede Schwindikowski durch die Fahrerflucht aber verstorben ist, ist Herr Kunibald Mustermann ein Mörder.
Der Rechtsanwalt von Herrn Kunibald Mustermann würde nun natürlich versuchen zu beweisen, dass sein Klient gar nicht am Tatort gewesen sein kann, weil er nachweisen kann, dass er zur Tatzeit im Ausland war. Gäbe es die Pflicht der anwaltlichen Vertretung nicht, würde die Polizei vielleicht auch gar nicht weiter nach prüfen, ob jemand anderes in Frage kommt. Da aber hier jemand den Täter verteidigt, wird man einen Prozess nur anstreben, wenn die Schuld schon fast bewiesen ist oder die Indizien eben die Tat beweisen würden.
Es mag sicherlich Fälle geben, in denen klar ist, wer der Täter ist. Zum Beispiel wenn Herr Kunibald Mustermann Frau Elfriede Schwindikwoski mitten in der Fußgängerzone überfahren hat, während andere Menschen zuschauten und es klar ersichtlich war, dass er das in voller Absicht tat und extra noch Gas gegeben hat. Auch hier geht es nicht unbedingt darum, den Täter vor einer Strafe zu bewahren, sondern unter anderem auch darum, dass keine Selbstjustiz geschieht und der Täter eine angemessene Strafe bekommt.
Da hier gerade so viel mit Mord und Mörder agiert wurde. Auch da gibt es noch Unterschiede und wenn der Staatsanwalt hier Mord vorwirft, kann es durchaus auch nur Totschlag sein oder Körperverletzung mit Todesfolge. All das sind Dinge, die ein Täter, wenn er es denn wirklich war, nur mit Hilfe eines Anwalts darlegen kann. Denn was will ein Angeschuldigter aus der Untersuchungshaft heraus machen? Ihn dürfen nur nahe Verwandte besuchen und ansonsten kann nur der Anwalt agieren und vor allem auch die Akten einsehen.
Zum Glück sind wie heute soweit, dass viele Dinge allein schon über DNA nachgewiesen werden können. Aber es gibt eben auch in vielen Fällen erst mal nur Verdachtsmomente, wo man als Verdächtiger da steht ohne etwas mit dem Fall zu tun zu haben. Einfach weil ein paar Details zusammen passen. Sie das Szenario, was LittleSister beschrieben hat.
Nehmen wir dabei an, dass man Herrn Kunibald Mustermann sofort in Untersuchungshaft steckt. Um seine Unschuld zu beweisen, braucht er aber jemanden, der einige Telefonate erledigt und Unterlagen anfordert. Würde nun die fiktive Ehefrau Kunigunde Mustermann dies versuchen, würde man ihr an mancher Stelle schon einen Strich durch die Rechnung machen und sie auf Juristen verweisen, die nur ein Recht dazu haben, das anzufordern.
Ich würde nicht sagen, dass man einen Schwerverbrecher einfach so frei bekommt, nur weil der Staranwalt XY auftaucht und eine Tränen nasse Rede schwingt. Das mag in den USA mit den Geschworenen im Gericht eher klappen. Aber so wie in mancher Anwaltsserie im Fernsehen läuft es in unserem Rechtssystem eben nicht.
Auch ein noch so aggressiver oder eloquenter Anwalt kann nicht Indizien konstruieren, die nicht auf Fakten beruhen. Und ich kann mir auch vorstellen, dass sich ein Anwalt strafbar macht, der die gerechte Strafe wider besseren Wissens für einen Täter verhindert. Ich denke, dass es da wirklich eher um das Ausmaß der Strafe geht. Und es macht sicher schon einen Unterschied, ob man drei oder dreizehn Jahre ins Gefängnis gehen muss.
Um beim obigen Beispiel von Herrn Mustermann zu bleiben: Es wurden die Lackspuren seines Wagens am Unfallort gefunden. Es kann nun auch sein, dass der 16 Jahre alte Sohn von Herrn Mustermann ohne Wissen von Papa das Auto für eine Spritztour ohne Fahrerlaubnis kurz mal "ausgeborgt" hat. Dabei könnte ja auch der Unfall entstanden sein. Klar hätte Vater Mustermann den Schlüssel sicherer weg räumen können. Aber ein Mörder ist er deshalb noch lange nicht.
Denkbar ist auch, dass Herr Mustermann die Dame zwar angefahren hat, aber sich danach überzeugt hat, dass sie außer einem Schrecken und einem blauen Fleck an der Hüfte nicht zu Schaden gekommen ist. Da die ältliche Frau Schwindikowski aber an Alzheimer leidet fährt sie einfach weiter auf der Straße ohne auf das Risiko zu achten und wir letztlich von heftigen Windstoß eines LKW erfasst, der mit überhöhter Geschwindigkeit zu dicht an ihr vorbei fährt. Da sie ohnehin schon etwas zittrig auf den Beinen schwankend Fahrrad fährt reicht der Windstoß aus, um sie gegen einen Alleebaum zu schleudern, der ihr den Schädel zerschmettert. Der Tod tritt ein. Spuren von dem LKW sind schwer zu finden. Dieser wurde aber an dieser Straße ein paar Meter weiter durch eine Radarfalle mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit kurz nach der Unfallzeit fotografiert. Ist daran dann wirklich unser Herr Mustermann schuld? Ist er deshalb ein Mörder oder hätte er einfach besser reagieren sollen und die alte Dame zum Arzt wegen eine, blauen Fleck bringen sollen?
Ich denke schon, dass ein Anwalt genau die Aufgabe hat, erst mal seinem Klienten zu glauben und nach Beweisen für dessen Story zu suchen. Dass sicher auch schon unzählige Anwälte sich getäuscht haben könnten, das steht auf einem anderen Blatt. Schließlich sind die auch nur Menschen und nicht allwissend.
Letztlich stellt sich dann schon die Frage was schlimmer ist: Ein Verbrecher, der leider nicht ins Gefängnis kommt, obwohl er es verdient hat? Oder dass jemand unschuldig bestraft wird, weil er nicht ausreichend verteidigt wurde. Von daher sehe ich es schon als wichtig an, dass Anwälte auch Leute als Klienten annehmen, die auf den ersten Blick Verbrecher zu sein scheinen.
Mich hat diese Frage auch mal interessiert und ich habe meinen ehemaligen Chef (Fachanwalt für Strafrecht) gefragt, warum er Verbrecher vertritt. Erst einmal muss man wissen, dass das Strafrecht für den Anwalt sehr lukrativ ist. Allein dafür, dass der Mandant den Auftrag erteilt, verdient der Anwalt schon 200 €. Auch alle folgenden Gebühren sind sehr großzügig bemessen, sodass sich viele angehende Rechtsanwälte aus Kostengründen für dieses Fachgebiet entscheiden.
Mein damaliger Chef hat auch so gut wie alles vertreten: Mörder, Hehler, Vergewaltiger, Kinderschänder etc. also das ganze Programm. Mir hat er gesagt, dass er grundsätzlich keine Probleme damit hat, nur Sexualverbrechen würden ihm bei der Vertretung Bauchschmerzen bereiten, weil er an seine Frau und Kinder denken müsste. Anwälte haben also auch ein Gewissen, auch wenn das manchmal nicht so scheint.
Dennoch haben auch Anwälte keine große Wahl bei der Mandatsannahme, selbst wenn sie das freiwillig tun. Spricht sich nämlich herum, dass ein Anwalt wählerisch bezüglich der Straftaten der Mandanten ist, werden weniger Straftäter zu ihm gehen. Die beste Werbung, die ein Strafverteidiger bekommt, sind nämlich laut Umfragen die Empfehlungen unter den Häftlingen im Gefängnis. Wenn dort aber die Runde macht, dass Anwalt XY bestimmte Straftaten nicht vertritt, dann wirft das ein schlechtes Licht auf ihn.
Ähnliche Themen
Weitere interessante Themen
- Schöne Blatt Pflanze für die Wohnung 1037mal aufgerufen · 1 Antworten · Autor: Rubbelfeld · Letzter Beitrag von Verbena
Forum: Garten & Pflanzen
- Schöne Blatt Pflanze für die Wohnung
- Palmen für die Wohnung 2996mal aufgerufen · 1 Antworten · Autor: Dreddi · Letzter Beitrag von Verbena
Forum: Garten & Pflanzen
- Palmen für die Wohnung
- Was kann man gegen eine tropfende Birkenfeige tun? 1850mal aufgerufen · 1 Antworten · Autor: helgak62 · Letzter Beitrag von Verbena
Forum: Garten & Pflanzen
- Was kann man gegen eine tropfende Birkenfeige tun?
- Verträgt Banane chemisches Anti Insekten Mittel? 1344mal aufgerufen · 1 Antworten · Autor: Wawa666 · Letzter Beitrag von Verbena
Forum: Garten & Pflanzen
- Verträgt Banane chemisches Anti Insekten Mittel?