Fachwörter in fachfremde Kontexte setzen - wer machts?

vom 28.10.2014, 11:49 Uhr

In der Schulzeit und später auch im Studium wird man oft mit diversen Fachwörtern konfrontiert. Viele Fachwörter werden auch nur in bestimmten Kontexten gebraucht und man begegnet ihnen außerhalb von bestimmten Themen so gut wie kaum. Ein Beispiel ist für mich das Wort Epizentrum. Ein Epizentrum ist das Gebiet, bei dem ein Erdbeben am stärksten ausgeprägt ist. Ich verwende dieses Wort eigentlich nur, wenn ich über Erdbeben-Thematiken spreche, aber ich habe schon diverse Menschen getroffen, die gerade dieses Wort dann in komplett andere Kontexte setzen und es dann auch so in ihren alltäglichen Wortschatz übernommen haben.

So verwendet mein Freund das Wort Epizentrum gerne, aber in komplett anderen Kontexten, meistens sind diese Kontexte nicht einmal naturwissenschaftlich. Oder neuerlich war ich auf einem Workshop und dort war dann von dem "Epizentrum von Ebola" die Rede, dabei ist Ebola wie wir wissen eine Krankheit und kein Erdbeben.

Ein anderes Beispiel ist das Wort "Erosion", die natürliche Abtragung von Boden und Gestein durch Wasser, Gletscher und Wind. Dieser Begriff ist gerade in der Landwirtschaft oft verbreitet, weil man gerade hier verhindern muss, dass fruchtbare Böden wegerodiert werden, weil sonst ein Schaden für die Landwirtschaft entsteht. Nun habe ich aber vor kurzem in einem Zeitungsartikel dieses Wort in einem komplett anderen Kontext gelesen. Dort war dann plötzlich von "erodierenden Arbeitsplätzen" die Rede.

Auch wenn ich selbst nicht auf die Idee kommen würde, derartige Fachwörter in fachfremde Thematiken einzuflechten und zu gebrauchen finde ich derartige Ausdrucksweisen doch sehr treffen. So weiß man sehr schnell was gemeint ist ohne großartig um den heißen Brei herumzureden. Benutzt ihr oft Fachwörter in fachfremden Kontexten? Welche Wörter sind das und in welchen Kontexten benutzt ihr sie? Wie findet ihr das, wenn man derartige Fachbegriffe in andere Kontexte setzt?

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Privat übertrage ich, glaube ich, selten Worte in einen anderen Kontext. Wenn das so sein sollte, dann passiert das spontan und fällt mir bestimmt auch gar nicht auf.

Anders sieht es aus, wenn ich Texte formuliere. Da schafft das Nutzen von Worten im übertragenen Sinne griffige Überschriften und gibt gerade trockenen Themen Schwung. Auch in werblichen Texten macht sich das oft sehr gut. Epizentrum ist schönes Wort dafür, das geht immer: Finanzkrise, Seuchen, Katastrophen, Demonstrationen – jeder versteht es sofort. Auch sehr passend sind oft Puls, Tafelsilber, Zerreißprobe oder Schachzug.

Ganz viele Worte bekommen im Laufe der Zeit neben ihrer Hauptbedeutung noch weitere, die jedem sofort klar sind. Ursprünglich meint der Sattel, das Gerät auf dem Pferderücken. Aber heute haben auch Fahrräder Sättel und Berge sowieso. Dieses Umwidmen einzelner Worte gehört für mich zu einer lebendigen Sprache. Das findet sich auch bei Redewendungen. "Einen Zahn zulegen", "auf Rosen gebettet sein" oder "die Kuh vom Eis holen" waren auch einmal ganz anders gedacht.

» cooper75 » Beiträge: 13382 » Talkpoints: 510,79 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Häufig ist es ja so, dass ein Fachwort in mehreren verschiedenen Kontexten genutzt werden kann, ohne dass es die ursprüngliche Sinnhaftigkeit einbüßt. Diese Fachworte verwende ich dann ab und an in passenden Themengebieten. Dafür ist bei mir aber die Voraussetzung, dass ich mich mit einer Klientel unterhalte, welche selber Fachwörter verwendet. Ich erschlage niemanden unnötig mit Fremdwörtern oder Fachwörtern, wenn er oder sie nicht mit ihnen bewandert ist.

So finde ich es beispielsweise übertrieben, wie stark viele Studenten Fachwörter in ihre Alltagssprache übernehmen und dann alles nur noch mit ihrer neu angeeigneten Sprache erklären. So kenne ich jemanden, der doch allen ernstes an einem Tisch mit Nicht-Mathematikern saß und immer nur vom Tag als Restklassenring F12 sprach, was außer mir niemand verstanden hat.

In mir löste dies nur Kopfschütteln aus und auch nach mehrmaligen Hinweisen darauf, wie unnötig dieses Verhalten ist und auch wie unhöflich, wurde es nicht abgelegt. Ich habe mir dann meinen Teil gedacht und die anderen beteiligten Personen hatten nicht das Beste Bild von unserem Gesprächspartner. Das ist ein Beispiel dafür, was es anrichten kann, wenn man Fachwörter ihrem Kontext entreißt.

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» olisykes91 » Beiträge: 5367 » Talkpoints: 24,16 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



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