Sollten Medizin-Studenten vermehrt "Deutsch" lernen?

vom 22.10.2014, 16:12 Uhr

Jeder kennt das Problem, man geht zum Arzt und wird in der Regel mit Mediziner-Latein konfrontiert, mit dem man nicht unbedingt immer etwas anfangen kann. Viele Ärzte haben Probleme, sich für die Patienten verständlich auszudrücken und viele Patienten gehen mit mehr Fragen als Antworten aus dem Sprechzimmer. Die Uni Dresden will dem jetzt Abhilfe schaffen, in dem sie bundesweit ein einzigartiges Wahlfach anbietet. So sollen Medizin-Studenten "Deutsch" lernen, soll heißen, dass sie in einem Wahlfach aktiv Ärzte-Latein in verständliche Laien-Sprache übersetzen sollen.

Ich finde dieses Konzept sehr gut, vor allen Dingen weil der Bedarf ja auch da ist und ich würde es gut finden, wenn vermehrt derartige Fächer angeboten werden würden. Beim Hausarzt habe ich persönlich keine großartigen Probleme, den verstehe ich in der Regel auch so ohne großartige Probleme. Aber gerade in Krankenhäusern stelle ich mir das schon schwierig vor und gerade dort fühlen sich Patienten besonders hilflos.

So habe ich beispielsweise auch mal mit einem Arzt im Krankenhaus sprechen müssen, als es um eine Operation meines Großvaters ging und dieser nicht wirklich verstanden hat, was genau jetzt gemacht wird und warum. Es war für einen Laien schon etwas schwierig, dem Arzt zu folgen und ich habe vermehrt konkret nachgefragt und vermutlich auch total "dämliche" Fragen gestellt, aber eben nur, weil mir das Fachjargon unbekannt ist und mich aber die Thematik interessiert hat.

Wie seht ihr das? Sollten Medizin-Studenten vermehrt "Deutsch" lernen, damit sie sich gegenüber Patienten normal ausdrücken können? Oder seid ihr der Meinung, dass sich viele Patienten einfach nur blöd anstellen und man die Ärzte auch so gut verstehen kann?

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



So große Probleme hatte ich noch nie, mich mit Ärzten über Diagnosen zu unterhalten. Aber das mag daran liegen, dass ich eben medizinisch interessiert bin und mit so manchen Ausdrücken auch etwas anfangen kann.

Allerdings kann ich mir schon vorstellen, dass das bei weitem nicht allen Patienten so geht. Nicht umsonst sind Seiten mit medizinischen Informationen im Internet sehr beliebt. Und längst nicht jeder hat ein medizinisches Fachwörterbuch im Haus.

Ich würde das Fach nicht "Deutsch" nennen, sondern "Beratungsgespräche führen" oder ähnlich. Denn letztlich geht es ja nicht nur darum, Fachbegriffe aus dem Lateinischen ins Deutsche übersetzt in unverständliche Rede einzubauen. Zu einem guten Gespräch vom Arzt zum Patienten gehört auch, dass letzterer auch versteht, was die Diagnose für ihn bedeuten wird. Und dazu gehört wesentlich mehr.

Dann ist meiner Meinung nach nicht nur wichtig, dass man verstanden wird, sondern auch wie man die Lage an den Patienten verkauft. Wie düster darf oder soll man die Situation erklären? Wie geht man mit logisch folgenden Gefühlen von Patienten und Angehörigen um? Das wäre meiner Meinung nach wirklich unverzichtbar in der Ausbildung, da man eben nicht immer nur gute Nachrichten überbringen muss. Und da ist es eben auch bequemer, sich hinter Fachtermini zu verstecken, statt Klartext zu reden.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Ich habe nicht mal ein Problem die ausländischen Ärzte bei uns im Krankenhaus zu verstehen. Da wir ein Lehrkrankenhaus sind, haben wir da mehr Ärzte als normal, aber eben auch viele davon die später wieder in ihr Heimatland gehen. Die Ärzte sind da sogar so gut, dass sie bei der Behandlung von Kindern alles so erklären, damit es der Nachwuchs auch gleich versteht. Und das sind keine speziellen Kinderärzte mit denen ich dort zu tun hatte.

Ob da ein entsprechendes Fach helfen wird, das Verständnis zwischen Ärzten und Patienten zu erhöhen, ist auch fraglich. Denn es liegt ja an jedem Arzt selbst ob er nur im Fachchinesisch ausdrückt oder so, dass es der Patient auch verstehen kann.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



Punktedieb hat geschrieben:Denn es liegt ja an jedem Arzt selbst ob er nur im Fachchinesisch ausdrückt oder so, dass es der Patient auch verstehen kann.

Das würde ich so jetzt nicht unterschreiben. Sicher ist man am Ende des Tages schon für sein eigenes Tun verantwortlich. Man muss aber auf der anderen Seite auch den Grund für das Handeln hinterfragen und überwiegend lernen wir doch aus Fehlern die wir machen oder aus dem was wir uns von anderen abschauen. Und zum Beispiel ein Beruf wie der des Arztes lebt ja in seiner Ausbildung unheimlich von dem, was einem dort vorgelebt wird.

Als Arzt fängt man nach dem Studium ja nicht plötzlich in der eigenen Praxis an und kann dort tun und lassen was man will. Der klassische Weg, den fast alle gehen, ist ja der als Assistenzarzt in einer Klinik anzufangen und dabei die praktischen und klinischen Tätigkeiten von höhergestellten Ärzten also Fach- und Oberärzten oder dem Chefarzt zu lernen beziehungsweise abzuschauen.

Nun ist ja eben so, dass man schon im Studium nur mit dem eigenen Klientel beschäftigt ist, also nur mit Ärzten, angehenden Ärzten oder anderen fachnahen Akademiker, die im Grunde bei allen Fachbegriffen wissen worum es geht und somit hat es niemand nötig, dass ganz in eine Sprachen für den einfachen Mann zu übersetzen. Und auch in der praktischen Tätigkeit lernt man dann eben wie oben beschrieben ja von Leuten, die genau den gleichen Weg gegangen sind.

Der typische Arzt bekommt es also von Studienbeginn an vorgelebt sich akademisch zu äußern und sieht dass dann überwiegend auch in der Praxis. Um mit seinen Patienten deutsch zu reden, muss er also entweder Glück haben an einen der wenigen ganz normal gestrickten Ärzte zu raten, die es von Haus aus können, so mit Patienten zu reden, dass die wissen worum es geht oder er muss von sich aus einfach aus dem typischen Ausbildungsmodell ausbrechen. Und wenn man das nicht gelernt hat ist das eben sehr schwierig und das sieht man ja nun mal auch ganz oft in Krankenhäuser und Arztpraxen.

Man hat teils sehr gut ausgebildete Ärzte mit wahnsinnig viel Fachwissen, die das einfach nicht mit einfach Worten rüber bringen können oder noch schlimmer im Grunde gar nicht verstanden haben, was sie da erzählen oder warum sie eine Behandlung so durchführen wie sie es tun, durchaus auch schon gesehen und erlebt. Das wurde halt schon immer so gemacht und deswegen muss es richtig sein. Kann ja auch der Fall sein, kann aber eben auch dazu führen, dass man gar nicht mehr nachfragt wieso man das so macht.

Ich denke da kann so ein Fach durchaus helfen, einfach wieder zu vermitteln, was der ganze akademische Wust bedeutet oder wie viel man denn nun tatsächlich erzählen muss und sollte. Selbst wenn man nach das Medizinerlatein ins Deutsche übersetzen kann muss nicht für jeden Patienten eine Aufklärung bis ins letzte Detail die beste Aufklärung sein. Man kann damit jemanden ja auch überfordern und genau das sind Sachen, die im Studium nicht beigebracht werden und die vielen Ärzten auch in der Praxis nicht beigebracht werden.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Ich kenne es gar nicht so, dass man nur die lateinischen Fachbegriffe lernt. Oftmals lernt man den lateinischen Begriff und muss diesen auch auf deutsch übersetzen können, da die Fragen in den Prüfungen mit beiden Begrifflichkeiten sein können. So ein Arzt kann sich schon aussuchen, wie er es einem Patienten erklären will und leider gibt es da eben einige, die sich mit Fachbegriffen eindecken und dann eben wenig Aussagekraft haben. Das heißt aber nicht, dass der Arzt den deutschen Begriff nicht kennen würde.

Ich finde nicht, dass man das Studium in diesem Punkt ändern sollte. Wenn dann muss man generelle Sachen im Studium verändern, auch die Prüfungen auf einem normalen Maß gestalten, was wie ich finde nicht der Fall ist. Man hat mit diesem Studium auch so schon wenig Freude und man muss es nicht noch immer schwerer machen. In einer guten Uni sollte man beides lernen, deutsche und lateinische Begriffe. Auch auf den Kontakt mit den Patienten wird eigentlich mehr Wert gelegt im Studium, also kann ich nicht verstehen, wieso man sich da nicht normal ausdrücken kann.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Ob ein Arzt in Deutschland geboren ist oder nur hier studiert und später in sein Heimatland zurück kehrt, hat doch mit dem Thema das Threads absolut Null zu tun. Hier geht es darum, ob sich Ärzte zu sehr mit Fachchinesisch ausdrücken. Und das sind eindeutig zwei verschiedene paar Schuhe.

Ich denke viele Menschen kennen es aus ihrem Berufsleben, dass sie in den Fachjargon zum Teil rein gewachsen sind. Fast jeder Beruf hat Fachbegriffe, die auch recht häufig genutzt werden und die man dann auch nutzt. Oft fällt es einem gar nicht mehr auf, dass man eben Begriffe verwendet, die ein Mensch, ohne Hintergrundwissen, teilweise eben nicht kennt.

Mir würden hier als Beispiele Köche und auch Informatiker einfallen. Fast jeder Mensch kocht daheim und fast jeder Mensch, hat in irgendeiner Form mit Computern zu tun. Trotzdem kann ein Fachmann sicherlich perfekt in Fachchinesisch was erklären, was ein einfacher Hobbykoch oder Hobbysurfer eben nicht weiß.

Im ärztlichen Bereich finde ich es allerdings sinnvoll,wenn Ärzte in der Lage sind klar und verständlich was zu erklären. Einmal weil es eben Menschen gibt, die den Fachbegriffen gar nicht folgen können, aber auch weil man als kranker Mensch oftmals erst recht Probleme hat einer umständlichen Erklärung zu folgen.

Ganz generell denke ich, es ist schon wichtig, dass Ärzte lernen sich verständlich auszudrücken. Ich denke aber auch, die meisten Ärzte machen das nicht zwingend aus Unwissenheit oder um den Patienten zu ärgern. Sondern einfach weil sie es so gewohnt sind und eben auch zum Teil so gelernt haben.

» XL » Beiträge: 680 » Talkpoints: -0,02 » Auszeichnung für 500 Beiträge


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