Polygynie und Glaube an Gott - passt das überhaupt zusammen?
Gestern habe ich im Fernsehen eine Sendung über eine amerikanische Familie gesehen, die dem fundamentalistischem Glauben angehört. Von der fundamentalistische Kirche ist es so vorgesehen, dass ein Mann mindestens drei Frauen heiratet und die ganze Familie dann in Polygynie lebt. Die Familie, die in der Sendung gezeigt wurde, hat das genauso umgesetzt, ich glaube, der Mann hatte insgesamt fünf Frauen und etliche Kinder. Es wurde auch noch eine andere Familie gezeigt, die bisher nur zu zweit sind, also Mann und Frau, aber derzeit auf der Suche nach einer weiteren Frau sind.
Grundsätzlich habe ich nichts gegen solche Lebensformen, ich denke, jeder sollte so leben, wie er es für richtig hält, auch in Sachen Partnerschaft. Solange alle Beteiligten mit der Situation glücklich sind, ist das völlig in Ordnung. Was mich nur zum Stutzen gebracht hat, ist die Tatsache, dass sie ja einer Kirche angehören und auch an Gott glauben. Aber wenn sie an Gott und die Bibel glauben, dann verstehe ich nicht, woher sie sich sozusagen das Recht nehmen, mehrere Frauen zu heiraten, denn in der Bibel steht doch ganz eindeutig geschrieben, dass ein Mann und eine Frau zusammen gehören und nicht ein Mann zu mehreren Frauen oder andere erdenkbare Kombinationen.
Polygynie und der Glaube an Gott, wie er in der Bibel beschrieben wird, passt doch irgendwie nicht zusammen, oder? Was denkt ihr dazu? Habt ihr schon einmal von diesem Glauben gehört und könnt mich vielleicht aufklären?
Die Vielehe wird in der Bibel doch an keiner Stelle verurteilt. Die Bibel besagt eindeutig, dass ein Bruder die Ehefrau eines kinderlos verstorbenen Bruder ehelichen soll, damit die Nachfolge des Bruders geregelt ist. Ob dieser Mann bereits verheiratet ist, spielt keine Rolle. Lediglich die Witwe des Bruders kann nach der Bibel darauf verzichten, von diesem Recht Gebrauch zu machen.
Abraham gründete gleich zwölf Stämme, die sexuelle Vereinigung mit mehreren Ehefrauen, dazu mit Dienerinnen und Sklavinnen gilt nicht als verwerflich. Voraussetzung ist, dass der Mann finanziell leistungsfähig ist, die ganzen Frauen und eventuelle Kinder auch zu unterhalten. Selbst Jesus wendet nichts gegen diese Praxis ein.
Wenn man sich frühere Verhältnisse anschaut, dann ist diese Sichtweise doch auch schlüssig. Es gab einen deutlichen Überschuss an Frauen, weil die Sterblichkeit bei Männern bereits ab der Geburt höher ist. Außerdem musste ein Mann seine Familie ernähren können. Wer arm war, musste durchaus auf eine Ehe verzichten. Da blieben ohne diese Regeln Frauen "übrig".
Was man nun davon hält, das bleibt jedem selbst überlassen. Aber die Bibel verbietet es an keiner einzigen Stelle. Im Alten Testament ist es populärer als im Neuen. Aber auch im Neuen Testament findet sich nirgendwo der Hinweis auf ein Verbot.
@cooper75: Hast du denn die Bibel gelesen, dass du derartige Behauptungen aufstellst? Ich gebe zu, dass ich mich nicht sonderlich mit der Bibel auskenne. Es gibt genug Leute, die in dieser Hinsicht bewanderter sind als ich, aber als ich die Begriffe "Polygamnie" und "Bibel" bei Google eingegeben habe bin ich spontan auf zwei Seiten gestoßen, die komplett das Gegenteil von dem aussagen, was du über die Bibel behauptest.
Hier werden diverse Textstellen aus dem Alten Testament zitiert, bei denen es heißt, dass Polygamie nicht ausdrücklich erlaubt war und wenn sie denn mal erwähnt wurde, war sie sehr problematisch. In 4. Mose 17:17 wird sogar gesagt: "Und er soll sich nicht viele Frauen anschaffen", was für mich definitiv ein Zeichen für Monogamie ist. Aus der Bibel ist bekannt, dass Salomo sich nicht an dieses Gebot gehalten hat und am Ende daran zu Grunde ging.
Hier steht, dass Gott die Polygamie eine Zeit lang nur geduldet hat, aber dass dies nie in seinem Interesse oder Willen war. Weiter unten auf dieser Seite werden diverse Stellen aus dem Neuen Testament zitiert, die ausdrücklich auf die Monogamie hinweisen, siehe 1. Korinther und 1. Timotheus.
Ich kann beim Besten Willen nicht nachvollziehen, wie du darauf kommst, dass Polygamie ausdrücklich gewünscht war. Kann es sein, dass du dich eher auf den Islam beziehst, der die Polygamie ausdrücklich erlaubt und fördert? Du schreibst auch, dass du in der ganzen Bibel kein einziges Verbot der Polygamie findest, ich habe spontan mehrere Stellen gefunden, die diese These in meinen Augen widerlegen.
Ich weiß nicht, ob es Sinn macht, sich hier mit Bibelstudium zu beschränken. Wenn es sich um eine fundamentalistische Gruppe handelt, dann bezieht sie sich vermutlich nicht auf die Bibel, die man hier als Standard in jedem Buchladen beziehen kann.
Beispiel Zeugen Jehovas: Die beziehen sich auch auf die Bibel. Aber: Es ist eben nicht die Bibel sondern deren Bibel. Das ist der feine Unterschied. Zwar dulden die Zeugen auch nicht die Vielehe, womit das Beispiel zugegeben etwas hinkt. Ich wollte damit nur erklären, dass Religiöse Splittergruppen sich zwar auf die Bibel beziehen, aber deren Bibel nicht zwangsläufig identisch mit der allgemein bekannten ist. Von daher kann man solche Lebensregeln durchaus aus der Bibel ableiten. Man muss eben nur wissen, welche Zusammenstellung gemeint ist.
Im übrigen lässt sich jetzt auch trefflich darüber streiten, wie viele Frauen viele Frauen sind? Unser heutiges Verständnis von viele Frauen muss sich nicht zwangsläufig mit dem decken, das man vor über 2000 Jahren hatte. So lange da keine präzisen Zahlen genannt werden, kann man da ohne weitere Quellen wenig sagen. Vielleicht meinte damals ja "viele Frauen" eine Anzahl ab zehn Frauen, wobei drei oder vier durchaus in Ordnung gewesen wären?
Das Beispiel mit der Schwagerehe zeigt schon, dass man den historischen Background nicht außer Acht lassen sollte. Es waren damals eben noch ganz andere gesellschaftliche Hintergründe gegeben. Und die Schwagerehe war sicher nicht aus Sicht des Vergnügens für den Schwager so empfohlen, sondern weil damals Witwen eben eher nicht durch Renten und dergleichen Sozialsysteme aufgefangen worden wären.
Fakt ist auch, dass die Urkirche vieles anders gedeutet hat, als das heute üblich ist. Man kann also auch nicht von der heutigen offiziellen Deutung dessen, was die Kirchenoberen als richtig oder falsch sehen darauf Schlüsse ziehen, was die ersten Christen als richtig oder falsch eingestuft haben. Davor mag man sich auch hüten.
Natürlich passt der Glaube an die christliche Bibel und Polygamie zusammen, jedenfalls aus männlicher Sicht. Denn Frauen war es selbstverständlich nicht gestattet mehr als einen Ehemann zu haben. Männer konnten aber ihre Kriegsgefangenen, ihre Vergewaltigungsopfer, die Witwe des Bruders und so weiter ihrem Harem hinzufügen wenn sie Lust hatten oder sich an die entsprechenden Vorschriften hielten.
Aber es macht doch eh wenig Sinn über Logik im Kontext von Religion zu diskutieren. Es gibt über 30000 verschiedene christliche Kirchen, die sich alle auf die christliche Bibel beziehen und die sich alle ihren eigenen Gott machen, weil jede dieser Kirchen irgendwas in diesem Buch anders interpretiert. Du wirst sicher Interpretationen finden, die Polygamie grundsätzlich ablehnen und am anderen Ende des Spektrums wirst du eine grundsätzliche Zustimmung finden. Und für jede Interpretation wird es vermutlich die passend interpretierten Textstellen aus der Bibel geben.
Wenn ich Geschichten aus einer Kultur nehme, in der es normal war, dass ein Vergewaltiger sein Opfer heiraten muss, Sklaven gehalten und misshandelt werden dürfen oder unartige Kinder zu Tode gesteinigt wurden und versuche diesen Geschichten irgendeine Relevanz für die heutige Zeit zu geben muss ich ja zwangsläufig einen Eiertanz aufführen um irgendwie zu einer Interpretation zu kommen, die zu den heutigen Moralvorstellungen passt. Und wie das bei Interpretationen immer so ist - da hat jeder eine andere.
@sophie Natürlich habe ich große Teile der Bibel gelesen. Etwas anderes blieb dir früher als Kind kaum übrig, wenn du nicht getauft warst und es auch nicht werden wolltest. Ich bin in einem extrem katholischen Umfeld aufgewachsen. Nonnen, Priester und der Propst waren für mich völlig normale Gesprächspartner. Anders als Bekehrungsversuche machen Diskussionen über die Bibel, die Kirche und den Glauben durchaus Spaß. Außerdem lässt sich so begründen, warum man nicht Teil des Vereins sein möchte. Gut argumentiert wird das durchaus akzeptiert. Das ist in so einem Umfeld nicht ganz unwichtig, es trägt zum entspannten Leben bei.
Die Ehe mit nur einer Frau hat die Kirche relativ schnell nach der Verbreitung des Glaubens von den Römern übernommen. Denen war die Ehe heilig, auch wenn das nicht unbedingt für die eheliche Treue galt. Die Übernahme von Bräuchen der Bekehrten zeichnet die christlichen Kirchen nicht nur hier aus.
Die Männer aus dem alten Testament, die viele Frauen hatten, erhielten sozusagen nachträglich Dispens, da an deren Heiligkeit nicht gezweifelt werden durfte.
Nach der Bibel hat Jakob die Häupter der Stämme Israels unbeanstandet mit vier Frauen gezeugt. Er hatte seine beiden Ehefrauen, die Geschwister waren und dazu war er auch mit den zwei Dienerinnen der Ehefrauen sexuell aktiv.
Salomon hatte 1.000 Frauen, das war selbst der Bibel zu viel. Aber es wurde nicht die Vielehe an sich dargestellt. Wobei die 1.000 Ehefrauen und Geliebten wohl eher nicht real existiert haben. Sie stellen wohl eher ein Sinnbild für den Reichtum und die Macht des Königs dar und viele dieser doch nicht so vielen Frauen dürften nur zur Sicherung von Bündnissen gedient haben und für den Mann selbst völlig uninteressant geblieben sein.
Die Bibel stellt zwar durchaus die Probleme, die durch eine Vielehe entstehen können, dar. Aber ein wirkliches Verbot gibt es nicht.
Die einzige Stelle, die die Anzahl der Frauen klar regelt findet sich, ich glaube, bei Matthäus. Dort wird ausgeführt, dass der Leiter einer Gemeinde eine Frau haben sollte. Da ist dann wirklich von zahlen die Rede. Aber auch hier ist die Auslegung der Kirchen – sagen wir mal – willkürlich. Die katholische Kirche besteht auf dem Zölibat, die evangelische dagegen erlaubt die Ehe.
Diese Gemeinden in Colorado, Arizona und Mexiko nennen sich „Fundamentalistische Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage“ (FLDS). Ja, da gibt es die von dir beschriebenen polygamen, amerikanischen Familien. Normal sind bei ihnen etwa drei Ehefrauen, die teils vom lebenden Propheten bestimmt werden.
Es ist über 100 Jahre her, dass die Mormonische Hauptkirche sie aufgrund der Polygamie verstoßen hat. Das war ein Abkommen mit der amerikanischen Regierung, die Polygamie nicht duldete. Nun leben diese Menschen vollkommen abgeschottet als fundamentalistische Sekte der Mormonen-Kirche.
Die Frauen dürfen nicht mir Fremden sprechen, sonst drohen Sanktionen. Sie haben nur zu gehorchen. Eine Aussteigerin erzählte, dass sie mit sechs Brüdern und vier Schwestern ihr Zimmer teilen musste. Die Hausarbeit wird unter den Frauen aufgeteilt. Weil es der Prophet so will, werden Minderjährige mit alten Männern verheiratet und müssen sich fügen.
Anfang 2002 übernahm ein neuer Prophet das Regime und richtete eine Schreckensherrschaft ein. Mit Warren Jeffs begannen die Taliban- und Gestapo-Methoden. Dieser neue Prophet verbot Zeitungen, CDs, Bücher, Filme und private Telefonanschlüsse. Er ließ unangemeldet die Häuser durchsuchen, um zu kontrollieren, dass seine Gebote eingehalten werden. Auf Anordnung können jungen Männern die Frauen weggenommen und älteren gegeben werden. Frauen sind nur menschliche Waren und nichts wert.
Mittlerweile hat das FBI dafür gesorgt, dass diese Schreckensherrschaft beendet wurde. Der Verurteilte soll über 40 Ehefrauen haben und mehr als 60 Kinder. Der Präsidentschaftskandidat Mitt Romney kennt diese Vielweiberei von seinem Urgroßvater, der 30 Kinder hatte mit fünf Ehefrauen und auch zur FLDS gehörte.
Diesem Glauben liegt also nicht die uns bekannte Bibel zugrunde. Bei der FLDS Sekte - einer Abspaltung der Mormonenkirche - wird das getan, was der lebende Prophet verlangt. Sie haben ihre eigene Bibel. Bisher konnte sich die Sekte erfolgreich zur Wehr setzen gegen Änderungen.
Wer hat nicht seine eigene Bibel? Wenn man bedenkt, wie viele Teile oder Versionen der Bibel über die Jahrtausende entstanden sind. Teilweise sind die Texte verloren gegangen oder vernichtet worden. Andere Teile liegen im Vatikan oder in Bibliotheken und sind nicht Teil der typischen, gedruckten Bibel.
Selbst verschiedene Übersetzungen der gleichen Quellen bringen völlig unterschiedliche Versionen zu Tage, die sich nicht nur im Stil unterscheiden, sondern eben auch ganz andere Auslegungen und Interpretationen zulassen.
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