Seinen Partner in der Öffentlichkeit bloßstellen

vom 10.02.2014, 20:19 Uhr

Immer wieder begegne ich Paare, die sich in der Öffentlichkeit gegenseitig bloßstellen. Besonders in der Praxis erlebe ich das sehr oft. So hat letztens eine Patientin ganz laut an der Anmeldung erzählt, das ihr Freund betrunken auf den Sessel gefallen wäre, und jetzt schmerzen hat. Der Partner saß auch im Wartezimmer, und jeder wusste, das es um ihn geht.

Ich persönlich mag so etwas gar nicht, sich zum Beispiel auch öffentlich über den Partner lustig machen. Meist geht dieses ja auch nur von einer Seite aus, aber warum lässt sich der andere das überhaupt gefallen?

» laraluca » Beiträge: 1068 » Talkpoints: 9,76 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ich denke eigentlich nicht, dass man das so pauschal sagen kann, denn jede Beziehung ist ja auch anders. Du hast in einem anderen Thread bereits geschrieben, dass dein Freund auch ein Alkoholproblem hat und dass dir das auch nicht so recht ist. Ich weiß ja nicht, wie es dir dabei geht, ich muss aber meinerseits schon sagen, dass ich übermäßigen Alkoholkonsum in einer Partnerschaft nicht tolerieren und auch meinen Partner nicht schützen würde, wenn dieser das wiederholt tut. Wenn man nicht hinter dem Alkoholkonsum des Partners steht, dann ist es eigentlich normal, dass man es dann auch nicht zu verbergen versucht. Und gerade das ist ja schon etwas, was von mangelnder Disziplin zeugt und vielleicht einem Teenager aber keinem Erwachsenen Menschen passieren sollte.

Ich denke, dass ich auch kein Problem damit hätte, sowas offen zu sagen, wenn mein Freund sich sowas leisten würde. Ich weiß, dass mein Freund keinen Alkohol trinkt und ihm sowas daher auch eher nicht passieren würde, aber wenn es passieren würde, dann würde ich mir keine Lügen für ihn ausdenken oder so, ich würde es sagen, wie es ist und mein Partner muss dann selbst damit klar kommen.

Du fragst dich auch, wie der Partner der besagten Frau sich das gefallen lassen kann. Ganz ehrlich, was lässt er sich denn gefallen? Er hat sich besoffen und ist dabei hingefallen, seine Partnerin hat die Wahrheit gesagt, warum ist das jetzt eine Bloßstellung? Wenn man etwas großartiges aus dem Privatleben von sich erzählen würde oder so, dann wäre das für mich eine Bloßstellung, aber hier hat sie nur die Wahrheit gesagt und da gibt es nichts, was der Partner zu meckern hat. Was sollte er denn deiner Meinung nach machen, das ganze Abstreiten? Das wird ihm doch wohl kaum weiter helfen.

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


In dem von dir geschilderten Beispiel kann ich auch keine Bloßstellung erkennen. Natürlich ist es für den Mann nicht schön, wenn noch mehr Leute erfahren, dass er betrunken war und hingefallen ist. Wenn jemand aber so betrunken ist, dass ihm so etwas Dummes passiert, dann sollte er auch dazu stehen und daraus lernen. Da ist es vielleicht sogar richtig, den Vorfall exakt so zu schildern, wie er abgelaufen ist.

Eigentlich ist es auch für den Arzt gut zu wissen, dass der Mann im Vollrausch umgefallen ist. Wenn ein jüngerer, eigentlich gesunder Patient hinfällt, wird der Arzt ihn ohnehin fragen, wie das passieren konnte. Unter Umständen könnten weitere Untersuchungen anstehen, sofern der Mann sich in der Situation in Widersprüche verstricken und irgendwelche ominösen Ursachen erfinden würde. Außerdem ist es gut, wenn der Arzt weiß, dass der Patient keinen gesunden Umgang mit alkoholischen Getränken hat. Zum einen kann er vielleicht auf ihn einwirken, sich etwas zurückzuhalten, auch wenn das recht optimistisch gedacht ist. Zum anderen kann er diesen Umstand mit bedenken, wenn er dem Patienten Medikamente verschreiben will, die sich im Zusammenhang mit Alkohol nicht gut vertragen.

Ich würde für einen Partner, der so blöd war, sich bis zum Verlust der Koordinationsfähigkeit zu betrinken, sicher nicht lügen. Vermutlich würde ich ihn auch alleine zum Arzt schicken. Wenn ich dabei wäre, dürfte er seine Geschichte aber schön selbst erzählen. Schafft er das aus irgendeinem Grund nicht, würde ich die Situation so schildern, wie sie sich ereignet hat, selbst wenn das dem Partner unangenehm wäre. Aber vielleicht lernt er auch daraus und lässt sich beim nächsten Mal nicht so gehen. Das ist aber doch keine Bloßstellung.

Als Bloßstellung würde ich Situationen empfinden, für die der andere nichts kann und die er vermeiden würde, wenn er das könnte. Wäre der Partner zum Beispiel inkontinent, würde ich das nicht herumerzählen, denn dafür könnte derjenige nichts und er könnte sich auch nicht anstrengen, um diesen Zustand zu beenden. Wenn jemand aber selbst verschuldet und ganz bewusst in eine so blöde Situation gerät, dann würde ich mir da keine Mühe geben, diesen Umstand vor anderen zu verschleiern. Wenn der andere das als Bloßstellung empfindet, muss er sich einfach überlegen, ob sein Verhalten diese vermeintliche Bloßstellung nicht doch rechtfertigt.

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» Cologneboy2009 » Beiträge: 14210 » Talkpoints: -1,06 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Hast du schon mal darüber nachgedacht, dass es für manche Menschen ganz heilsam sein kann, wenn die Tatsachen anderen Leuten bekannt werden? Das klappt sicherlich nur bei wenigen Menschen, aber es kann auch sein, dass die Frau ihr eigenes Verhalten damit rechtfertigt, dass sie keine andere Lösung mehr sieht. So nach dem Motto, wenn es jeder weiß, kann dir vielleicht auch geholfen werden.

Man kennt eben die Hintergründe nicht. Vielleicht war es eine Art Hilferuf der Frau, vielleicht ist sie von Natur aus so redselig und macht sich nichts daraus, wenn über sie und ihren Partner getuschelt wird. Aber insgesamt würde ich mal sagen, dass du eine professionellere Einstellung zu deiner Position in der Praxis bekommen solltest. Vor allem, weil dein eigenes Leben auch sehr belastet ist mit Problemen jeglicher Art.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



Ich denke, dass die Frau das eher aus Verzweiflung gemacht hat. Mein Onkel war auch jahrelang Alkoholiker und es war egal, wer aus der Familie mit ihm darüber gesprochen hat, er hat nie eingesehen, dass er ein Problem hatte. Seiner Ansicht nach haben wir uns angeblich alle gegen ihn verschworen und er hätte ja gar kein Problem mit dem Trinken.

Gerade wenn Betroffene so beratungsresistent gegenüber dem engsten Umfeld sind kann ich mir schon vorstellen, dass der ein oder andere (wie diese Frau eben) dann eine Art Zustimmung von völlig Fremden sucht und auch Wert darauf legt, dass ihr Mann das auch mitbekommt. So begreift er vielleicht schneller, dass er ein Alkoholproblem hat, wenn er merkt, dass mehr oder weniger alle außer ihm dieser Ansicht sind. Bei manchen hilft eben nur diese Strategie.

Ich persönlich würde meinen Freund/ Mann überhaupt nicht decken, wenn er ein Alkoholproblem hätte. Denn wenn ich ihn decken würde, wäre das doch praktisch eine Einladung für ihn, genauso weiterzumachen wie bisher.

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Ich finde, dass es immer ganz darauf ankommt, aus welchem Grund man den Partner bloßstellt. Macht man das bei jeder Kleinigkeit, dann finde ich das völlig übertrieben und das sollte man sich als Partner auch nicht bieten lassen. Eine Beziehung sollte ja auch nicht den Sinn haben, sich ständig immer am anderen rächen zu wollen, wenn er etwas falsch macht. Jeder Mensch macht einmal einen Fehler, wobei man diese Fehler am besten gemeinsam mit dem Partner unter vier Augen besprechen sollte. So kann man miteinander reden und der Partner kann es dann auch einsehen. Den Partner wegen jeder Kleinigkeit gleich bloßzustellen, finde ich jedoch falsch und das würde ich auch niemals machen. Das ist keine Beziehung für mich und ich würde ja auch nicht wollen, wenn man mich so behandelt.

In deinem Beispiel handelt es sich jedoch nicht nur um einen kleinen Fehler. Stattdessen kann es wirklich gut sein, dass der Mann ein großes Alkoholproblem hat und die Frau sich nicht mehr anders zu helfen weiß. Wenn reden einfach nichts mehr bringt und wenn sie schon etliche Gespräche unter vier Augen mit ihrem Partner geführt hat, dann muss sie vielleicht zu solchen drastischen Mitteln greifen, um dem Partner zu zeigen, was er da eigentlich tut und wie groß sein Problem eigentlich ist.

Ich finde also, dass man das nicht so pauschal sagen kann. Generell sollte man immer zuerst versuchen, mit dem Partner alleine zu reden und das gemeinsam als Paar zu klären. Wenn das jedoch nicht funktioniert und man scheitert, dann muss man dem Partner doch irgendwie die Augen öffnen. Man liebt den Partner doch trotzdem und diese Bloßstellung macht man dann ja nicht, um den Partner zu verletzen und um ihn fertig zu machen, sondern um ihm zu helfen.

Man meint es im Endeffekt ja vielleicht auch nur gut, wenn man ihm auf diese Weise die Augen öffnen möchte. Immerhin muss man eben etwas tun und man kann auch nicht einfach zuschauen, wie der Partner sich selbst zerstört. Da muss man eben irgendwann auch zu drastischen Mitteln greifen, wenn nichts anderes hilft und wenn man dem Partner dennoch noch eine Chance geben möchte, statt die Beziehung gleich zu beenden.

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» Prinzessin_90 » Beiträge: 35273 » Talkpoints: -0,01 » Auszeichnung für 35000 Beiträge


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