Sind die Rheinländer freundlicher als andere Deutsche?

vom 16.10.2014, 19:19 Uhr

Ich habe vor kurzem einen Thread hier im Forum gelesen, von jemandem, der von auswärts kommt und sich nun in Deutschland nicht wirklich wohl fühlt. Ich selbst komme ursprünglich auch nicht aus Deutschland, allerdings wohne ich schon fast mein ganzes Leben hier und besuche nur einige Male im Jahr meine Familie im Ausland. Dies ist aber nicht das erste Mal, dass ich höre, dass man Deutsche unfreundlich findet. Wahrscheinlich kommt es schon auf das Land an, aus dem man kommt und wahrscheinlich auch darauf, wo genau man da gewohnt hat, aber grundsätzlich kann ich mir schon vorstellen, dass viele Ausländer Deutsche eher unfreundlich finden.

Ich selbst muss sagen, dass ich das Gefühl mitunter auch habe. Ich komme ja ursprünglich aus dem Sauerland und da sind die Menschen (meiner Meinung nach) unfreundlich. Viele sind eher verklemmt und zurückhaltend, kritisch und meckern gerne. Wenn ich mal im Urlaub war, war ich schon überrascht, muss ich sagen. Italiener beispielsweise, finde ich dann doch deutlich netter und zuvorkommender. Sogar die Franzosen, da habe ich auch sehr gute Erfahrungen gemacht. In Ungarn hatte ich zwar etwas Verständigungsprobleme, dennoch fand ich auch dort die Leute von der Mentalität her netter.

Wegen meines Studiums bin ich dann später einige Kilometer weiter weg gezogen, ins Rheinland. Im Rheinland, sagt man bei uns, sind die Leute netter. Sie sind zuvorkommender und freundlicher. Ich habe das sogar einmal in einem Programm von einem deutschen Comedian mitbekommen. Nun war ich aber da im Rheinland und habe das ehrlich gesagt gar nicht so gesehen. Vielleicht bin ich einfach in die falsche Stadt gezogen. Hier gibt es viele verbitterte Menschen, die sich unfreundlich und dreist an Kassen vordrängeln oder in Wartezimmern vor sich hermeckern. Natürlich gibt es hier auch viele Akademiker und ein Großteil davon scheint sich auch sehr viel auf sich einzubilden. Der Höhepunkt war eine Ärztin, die mir gegenüber mit ihrem Doktortitel angegeben hat (der bei Medizinern natürlich auch ''sehr anspruchsvoll'' ist), sowas habe ich noch nirgends erlebt.

Solche Dinge habe ich im Sauerland dann doch nicht erlebt. Aber da gibt es sicherlich auch regionale Unterschiede. Nichts desto trotz muss ich aber sagen, dass ich nicht der Ansicht bin, dass Deutschland oder das Rheinland besonders freundlich ist. Individuen mögen sicherlich nett sein, aber im Großen betrachtet sind die Menschen es dann eben doch weniger. Weniger aufgeschlossen zumindest, als in anderen Nationen. Das hat man auch gesehen, als es letztens die Diskussionen darüber gab, dass mehr Flüchtlinge nach Deutschland kommen sollen. In der ''Heute Show'' hat man sich über Fernsehbeiträge lustig gemacht, die aus ganz Deutschland kamen und Deutsche gezeigt haben, die sich abwertend dazu geäußert haben und keine Flüchtlinge in ihrer Stadt haben wollten. Da sind andere Länder doch etwas anders.

Natürlich kommen dennoch viele Ausländer zu uns, weil das Bildungssystem oder die Arbeitsstellen in anderen Ländern nicht so gut sind. Das muss aber dann natürlich nicht heißen, dass die Leute sich in Deutschland wohl fühlen. Ein weiteres Anzeichen dafür, dass die Immigranten sich hier nicht immer wohl fühlen, sondern nur wegen der Vorteile hergezogen sind, ist meiner Meinung nach die Tatsache, dass viele später wieder zurückziehen. Meine Eltern möchten ja später auch wieder zurückziehen und das habe ich schon von vielen anderen auch gehört. Mein Onkel ist auch schon zurückgezogen. Das mag zum einen natürlich auch daran liegen, dass man Heimweh hat, aber wenn es hier in Deutschland so schön wäre, würde man das ja nicht machen. Ich denke daher schon, dass wir möglicherweise nicht die Nation sind, bei der man sich am wohlsten fühlt. Wie empfindet ihr das? Wie habt ihr das empfunden, wenn ihr von auswärts hergezogen seit? Seht ihr eine positive Tendenz bei den Rheinländern?

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ich muss sagen, dass ich das Gemecker über die Unfreundlichkeit der Deutschen immer sehr einseitig finde. Da sind dann die Menschen in allen anderen Ländern plötzlich immer sooo freundlich.

Ich würde da noch viel mehr Adjektive und Verhaltensweisen ins Spiel bringen. Es geht doch nicht nur um freundlich und unfreundlich. Ich finde die Deutschen beispielsweise in der Hinsicht einfach ehrlich. Wenn die Amerikaner jedes Gespräch mit einem "How are you?" beginnen und an der Antwort gar nicht interessiert sind, finde ich das nicht wahnsinnig freundlich. Es ist deren Gepflogenheit ohne tiefere Bedeutung.

In Touristengegenden, wo die Menschen vom Geld der Touristen abhängen, sind sie oft eher arschkriecherisch als freundlich. Aufdringlich. Das finde ich dann auch nicht mehr angenehm. Bevor ich nach Thailand flog, wurde mir auch von der Freundlichkeit der Thais vorgeschwärmt. Wenn man in ein Geschäft reinkommt, sind sie auch wirklich unterwürfig freundlich. Aber wehe, man geht, ohne etwas zu kaufen. Da zetern sie dann hinter einem her.

Also meiner Meinung nach ist das Thema viel zu vielschichtig, um es einfach nur in die Kategorien freundlich und unfreundlich zu stecken. Das wird der Sache einfach nicht gerecht. Es ist eine Vereinfachung voll mit Vorurteilen.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


@Bienenkönigin: Man sollte eine solche Äußerung natürlich nicht machen, wenn man ein anderes Land nur in einem oberflächlichen Urlaub kennengelernt hat, das ist klar. Aber gerade die Person von der ich berichtet habe, hat in dem Land das sie vermisst ja auch gewohnt und ich selbst habe auch gute Verbindungen zu dem Heimatland meiner Eltern, so dass ich es nicht aus der ''Touristensicht'' sehen kann. Wenn man mal Urlaub in Gegenden macht, die nicht für Touristen bekannt sind und die eher klein sind und wo es viele Einheimische gibt, der hat eigentlich auch schon mehr vom Land kennengelernt, als wenn man jetzt in Rom oder Paris Urlaub macht und dann meint, Italiener oder Franzosen wären nett.

Man sollte sowas nicht sagen, wenn man das Land nicht kennt, aber wenn man nach Deutschland eingewandert ist oder sich wirklich intensiver mit einem anderen Land beschäftigt und es kennengelernt hat, dann finde ich eigentlich schon, dass man Vergleiche ziehen kann, die mit Klischees nichts mehr zu tun haben. Mir geht es in erster Linie darum wie die Menschen aufeinander zu und miteinander umgehen. Und da habe ich in anderen Ländern eben doch ganz andere Erfahrungen gemacht.

Hier in Deutschland setzt man sich in ein Café und bleibt unter sich. In Italien setze ich mich in ein Café und kenne danach die Lebensgeschichte von dem Paar am Tisch neben uns. Es ist Geschmackssache, viele Deutsche wollen das ja auch gar nicht anders. Aber wenn man es anders kennt, dann macht es einen Unterschied. Wir haben auch viele Brasilianer und Spanier in meinem Studiengang die gehen auch anders mit den Mitmenschen um. Sitzen zwei Deutsche nebeneinander kommt nur langsam und spärlich der Kontakt zueinander auf, da ist immer eine Distanz. Von einem Spanier wird man direkt zum Abschied umarmt und zum Essen eingeladen. Das sind für mich eben Unterschiede.

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ich wollte auch gar nicht dir direkt einen Vorwurf machen. Ich meinte das Gemecker allgemein. Das kommt eben schon oft von Leuten, die nur mal kurz irgendwo Urlaub gemacht haben. Die Diskussion hat eben oft nicht wirklich Hand und Fuß, sondern wird nur oberflächlich und sehr polemisch geführt.

Ich wollte nur darauf hinaus, dass Freundlichkeit eben oft nicht einfach nur Freundlichkeit ist, sondern so ihre Ursachen hat. Das kommt in der Debatte aber oft nicht rüber, weil immer nur von freundlich und unfreundlich gesprochen wird. Ohne Hintergründe, ohne Differenzierungen.

Dass Menschen vieler anderer Nationen - du sprichst Spanier und Brasilianer an, bei Amerikanern ist es auch oft so - schon mit flüchtigen Bekannten so auf Tuchfühlung gehen, sofort Telefonnummern austauschen wollen und einen auf beste Freunde machen, finde ich beispielsweise immer ein bisschen falsch. Bis dato habe ich mir oft nicht mal ihren Namen merken können. Und oft ist es dann auch so, dass die Begegnung eben sehr oberflächlich bleibt. Man ist natürlich nach nur fünf Minuten nicht die besten Freunde. Warum also so tun?

Also klar gibt es Unterschiede. Das will ich gar nicht bestreiten. Aber meiner Meinung nach ist es eben nicht so schwarz-weiß. Die Deutschen sind nicht nur unfreundlich und das ist nicht nur schlecht. Und alle anderen sind nicht nur freundlich und das ist auch nicht nur gut.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ich bin Rheinländerin und wohne nun in Westfalen. Ich kenne auch einige Leute aus anderen Bundesländern. Mein Mann ist Sachse und meine Verwandtschaft kommt zum großen Teil aus Rheinland Pfalz.

Ich muss sagen, dass die Menschen im Rheinland einfach offener sind und auf die Leute zugehen. Hier in Westfalen gehen die Leute wirklich zum Lachen in den Keller. Zum Grüßen bekommen sie den Mund nicht auf und sie versuchen so wenig Kontakt wie möglich zu halten. Leute aus anderen Bundesländern, die hier her gezogen sind, sind auch aufgeschlossener. Hier in Westfalen bin ich beispielsweise nach fast 14 Jahre noch nicht warm geworden.

Eigentlich hat ein Rheinländer wenig Anpassungsschwierigkeiten. Allerdings kann ich nicht sagen, dass die Rheinländer freundlicher sind, sondern ich würde sagen, dass sie einfach aufgeschlossener fremden Menschen gegenüber sind und deswegen wohl freundlicher wirken. Ich hätte beispielsweise nie gedacht, dass in einem Bundesland wie Nordrhein Westfalen, so große Unterschiede im Menschenschlag sein können. Die Westfalen und besonders die Ostwestfalen sind mürrisch, stur und sehr zurückhaltend, was sich mit einem aufgeschlossenen, fröhlichen und gut gelaunten Rheinländer oft nicht vereinbart.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge


Ich bin ja Nichtdeutscher und ich finde, dass die Bayern am nettesten sind, weil sie auch vielleicht eher unseren Dialekt sprechen oder mögen. Die Rheinländer klingen für mich fast wie Leute mit einer anderen Sprache und auch waren sie weder besonders freundlich, bisher jedenfalls oder gar unfreundlich zu uns. Außerdem kenne ich zumeist nur Hotelpersonal.

» celles » Beiträge: 8677 » Talkpoints: 4,08 » Auszeichnung für 8000 Beiträge


Ich würde nun nicht sagen, dass ich wirklich einen direkten Vergleich habe, weil ich die Rheinländer zwar kenne, aber nicht mit allen anderen Regionen Deutschlands vergleichen kann. Außerdem bin ich auch kein Fan von Verallgemeinerungen. Die meisten Rheinländer, denen ich bisher begegnet bin, sind aber schon anders als die Menschen in meiner Region. Es ist einfach ein offeneres Verhalten und das finde ich dann schon nett, wenn man ein Problem hat und zum Beispiel mit einem Stadtplan auf der Straße steht und sofort angesprochen wird, ob man Hilfe benötigt. Das ist leider nicht in allen Regionen Deutschlands der Fall.

» Barbara Ann » Beiträge: 28945 » Talkpoints: 58,57 » Auszeichnung für 28000 Beiträge



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