Akademiker werden wollen - ist der Ruf Motivation genug?

vom 16.10.2014, 19:45 Uhr

Heutzutage studieren mehr Menschen, als noch vor einigen Jahrzehnten und diese Menschen haben natürlich auch unterschiedliche Motivationen. Die Universität möchte natürlich, dass die Leute kommen, weil sie sich für die Bereiche interessieren, man möchte sie wissenschaftlich ausbilden und so ''Nachwuchs züchten'' für die Forschung und Wissenschaft. Es gibt natürlich auch viele Abiturienten, die interessieren sich für bestimmte Bereiche, die man eben nur studieren kann. Und selbst wenn man sich für einen Bereich interessiert, beispielsweise Chemie, dann kann man sich aussuchen, ob man eine Ausbildung macht oder studiert.

Ich denke dennoch, dass der Anteil an Studierenden, die das Fach studieren, weil sie wissbegierig sind und auf dem Bereich forschen wollen, eher gering ist. Politisch war das ja sogar so vorgesehen, man wollte das die meisten nach dem Bachelor abgehen, wo sie ja nur Grundwissen haben und dann in der Industrie arbeiten. Das die Industrie die Bachelor nicht wollte, ist wieder eine andere Sache.

Viele werden sich vermutlich auch für das Studium entschieden haben, weil man dort (angeblich) mehr verdient. Früher war das bestimmt so, heute nicht mehr. Jemand der studiert hat, bekommt mitunter auch nur so viel, wie jemand der eine Ausbildung gemacht hat. Der Auszubildende ist ja auch deutlich früher fertig, als jemand der promoviert hat und ist in der Zwischenzeit vermutlich im Gehalt auch schon angestiegen. Für Auszubildende gibt es heute sehr lukrative Stellen, ich bin immer wieder überrascht, wenn ich höre, wie viel mein Bruder in seiner Ausbildung verdient. Das sind so Beispiele, die ganz klar aufzeigen, dass es mitunter eben keine finanziellen Vorteile hat, zu studieren. Ganz im Gegenteil sogar, man arbeitet über Jahre hart und am Existenzminimum und verdient nachher so viel, wie jemand der eine Ausbildung gemacht hat, die eher einfach war.

Aber das ist keine Ausrede, wenn ich sowas auf den Tisch bringe, dann heißt es immer direkt, aber das kann man doch so nicht sagen, wer studiert, der interessiert sich für den Bereich, der muss sein Wissen an die Menschheit weitergeben, seine Fähigkeiten nutzen. Klar, so könnte man das sehen, der schlaue Mensch der sich für die Menschheit aufopfert, weil er sich zufällig für einen Bereich interessiert, der ein langes und anstrengendes Studium erfordert. Nicht jeder kann das und wer es kann, der muss diese Fähigkeit auch nutzen. Das musste ich mir schon oft anhören, dennoch kann ich leider nicht sagen, dass ich irgendwie patriotisch veranlagt wäre oder aus Menschenliebe handeln würde. Ich mache das eigentlich nur zu meinem Vorteil, ich möchte später Geld verdienen und das möglichst auch in einem guten Verhältnis, zu der Anstrengung, die mich das Studium gekostet hat.

Nicht in jedem Studienfach ist diese Bezahlung noch gegeben, mitunter muss man eben damit rechnen, dass man auch nicht mehr bekommt, als jemand der eine Ausbildung in einem Bereich gemacht hat, wo es gerade einen Mangel an Arbeitskräften gab und wo man dann eben mit einem guten Gehalt gelockt hat. Dennoch kann das Studium eine gute und stabile Lebensgrundlage bieten, vorausgesetzt natürlich man informiert sich vorher und studiert auch auf einem Bereich, in dem Leute gebraucht werden und nicht gerade Kunstwissenschaften oder Philosophie.

Daneben habe ich teilweise auch das Gefühl, dass viele studieren, weil es zum guten Ton gehört, sozusagen. Als Akademiker ist man ja angesehen. Wenn man aus einer Akademikerfamilie kommt, würde man auf einen herabblicken, wenn man nur eine Ausbildung macht. Und da heute immer mehr Leute studieren, möchte man ja zur Elite gehören. Dieser Eindruck bestätigt sich, wenn man sich auf dem Campus umschaut. Ich finde, dass viele Akademiker sich extrem viel auf ihren Ruf einbilden und das auch nach außen hin zeigen, sich als etwas besseres empfinden. Das zeigt sich in herablassenden Äußerungen und arrogantem Benehmen. Bereits im ersten Semester dürfen die Markenklamotten nicht fehlen. Besonders ausgeprägt ist dieses Verhalten bei einigen Juristen (nicht immer) und ganz stark bei Medizinern.

Da die Abbrecherquote auch sehr hoch ist und heute quasi jeder meint, er müsse studieren, frage ich mich mitunter dann eben doch immer wieder, was denn die Motivation ist. Wissenschaftliches Arbeiten kann nicht die Hauptmotivation sein, nur ein geringer Bruchteil der Leute geht anschließend tatsächlich in die Wissenschaft. Der Verdienst könnte bedingt eine Motivation sein, aber ich denke, dass es heute auch der Ruf ist, der viele dazu bewegt, zu studieren. Als Student ist man angesehen und hat später mitunter einen guten Ruf. Das denken zumindest viele. Und so wie sich einige als Statussymbol das iPhone kaufen müssen, gehen andere studieren. Denkt ihr das dies in etwa hinkommt oder seht ihr die Motivation ganz woanders? Was war euer Hauptgrund, euch für ein Studium zu entscheiden?

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Deine aufgezählten Gründe sind schon alle plausibel, dass viele wegen dem Wunsch eines hohen Einkommens und wegen des Rufes studieren, oder auch weil man das eigene Lieblingsfach eben nur studieren und nicht anders erlernen kann. Meiner Meinung nach gibt es allerdings noch einen weiteren Grund, nämlich den, dass viele denken, man findet heutzutage ohne Studium gar keinen anständigen Job mehr. Wer Abitur macht hat schon gute Chancen auf eine besser bezahlte Ausbildung, aber nach Meinung vieler wartet der richtige Super-Job erst nach dem Studium. Und gegen diesen wäre eine "normale" Ausbildung gar nichts wert.

Außerdem nanntest du noch den Grund, zu studieren weil man gern in seinem Lieblingsbereich wissenschaftlich arbeiten will. Ich teile deine Meinung, dass viele diese Motivation wohl nicht haben, sondern schon eher wegen Geld und Ansehen studieren. Natürlich gibt es auch einige, die großes Interesse an ihrem Fachbereich haben, dort gerne wissenschaftlich arbeiten wollen und trotzdem auch auf Geld und Ruf aus sind. Ich denke sogar, das ist die beste Kombination.

Bei mir war der Hauptgrund, wegen dem ich mich für mein Studium eingeschrieben habe, mein persönliches Interesse. Ich studiere zwei Geisteswissenschaften, mit denen ich eher schlechte Berufsaussichten habe. Doch darauf kommt es mir eben nicht an, so lange ich das machen kann, was ich liebe. So war Geld bei mir also eigentlich gar kein Grund zu studieren. Und zum "guten Ruf" kann ich sagen, dass ich davon auch noch nicht viel gemerkt habe. Zwar kommt es sicherlich nirgends schlecht an, wenn man sagt, man studiert. Aber wenn ich dann meine Fächer nenne schauen schon oft Leute skeptisch oder fragen, wieso ich nichts "richtiges" studiere, wie Medizin, Jura oder Maschinenbau.

Insgesamt war bei mir die Motivation zum Studium also, dass ich sehr gerne wissenschaftlich in meinen Fächern arbeiten möchte und sogar das als Berufsziel anstrebe, also an der Universität zu bleiben, wenn ich fertig bin. Ob das nur ein realitätsferner Traum ist, wird sich in den nächsten Jahren zeigen.

» lina-sunshine » Beiträge: 161 » Talkpoints: 11,10 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Viele werden sich vermutlich auch für das Studium entschieden haben, weil man dort (angeblich) mehr verdient. Früher war das bestimmt so, heute nicht mehr. Jemand der studiert hat, bekommt mitunter auch nur so viel, wie jemand der eine Ausbildung gemacht hat. Der Auszubildende ist ja auch deutlich früher fertig, als jemand der promoviert hat und ist in der Zwischenzeit vermutlich im Gehalt auch schon angestiegen.

Ja, das denken viele, dass man als Akademiker mehr verdient. Und dass es nicht so ist, merkt man meistens recht spät. Aber woher soll ein junger Mensch von 18 Jahren wissen, wo man wie viel verdient? Da ist man ja noch ein halbes Kind, wenn man sich für einen weiteren Lebensweg entscheiden soll. Und wer nur 10 Klassen absolviert, ist ja schon mit 16 fertig. Das finde ich total krass, Menschen schon in diesem jungen Alter arbeiten zu lassen. Ich hätte das nicht gekonnt.

Ich denke aber auch, dass ein Auszubildender nach der Lehre nicht unbedingt mehr verdient oder dass er automatisch linear im Gehalt aufsteigt. Das passiert genauso wenig wie dass alle Akademiker viel verdienen. Wenn ich mich so bei denjenigen umschaue, die ich noch von der Grundschule kenne, da sind viele gebrochene Lebensläufe dabei. Die einen haben gar keinen dauerhaften Job gefunden und sind jetzt Hausfrau oder haben Ein-Euro-Jobs.

Andere haben eine tolle Stelle, aber nicht in der Region und müssen pendeln. Es gibt Klassenkameraden von mir, die arbeiten nun im elterlichen Betrieb mit – meistens haben die eine handwerkliche Lehre absolviert - und andere hangeln sich von Job zu Job. Es ist also recht durchmischt und manchmal habe ich den Eindruck, dass eine Ausbildung zwar auch zum Erfolg führen kann, es aber oftmals nicht tut.

Daneben habe ich teilweise auch das Gefühl, dass viele studieren, weil es zum guten Ton gehört, sozusagen. Als Akademiker ist man ja angesehen. Wenn man aus einer Akademikerfamilie kommt, würde man auf einen herabblicken, wenn man nur eine Ausbildung macht. Und da heute immer mehr Leute studieren, möchte man ja zur Elite gehören. Dieser Eindruck bestätigt sich, wenn man sich auf dem Campus umschaut. Ich finde, dass viele Akademiker sich extrem viel auf ihren Ruf einbilden und das auch nach außen hin zeigen, sich als etwas besseres empfinden. Das zeigt sich in herablassenden Äußerungen und arrogantem Benehmen. Bereits im ersten Semester dürfen die Markenklamotten nicht fehlen. Besonders ausgeprägt ist dieses Verhalten bei einigen Juristen (nicht immer) und ganz stark bei Medizinern.

Ich habe eher das Gegenteil erlebt, nämlich dass an der Uni ganz viele einen alternativen Lebensstil pflegen und den auch optisch zeigen. Ich hatte das Gefühl, dass das so eine Art wilde Phase für Studenten ist, die dann oft auch passend gekleidet sind – also ebenso alternativ. Ich war während meines Studiums bei einer studentischen Unternehmensberatung und da waren einige durchaus etwas yuppiemäßig gekleidet, aber auf die ganze Uni betrachtet, waren das eher Ausnahmen. Die einzigen Mediziner, die ich kennengelernt habe, waren schüchterne Mädchen.

Was war euer Hauptgrund, euch für ein Studium zu entscheiden?

Ich wollte mit 18 Jahren noch nicht arbeiten, das hätte ich auch nicht hinbekommen, weil mir da das Durchhaltevermögen gefehlt hätte, immer fleißig zu sein. Aber mir liegen theoretische Dinge sehr – etwas ausarbeiten, etwas schreiben usw. Und als Theoretiker geht man an die Uni, um nichts Praktisches machen zu müssen. Ich hätte mich mit 18 nicht dem Arbeitsmarkt stellen wollen, das wäre schief gegangen und daher bin ich froh, dass ist studiert habe.

Rückblickend betrachtet war das eine total schöne Zeit, in der man so viele Freiheiten hat und in alles mal hineinschnuppern kann, was einen interessiert. Am schönsten fand ich dann die Diplomarbeit,weil ich einfach so vor mich hinschreiben konnte und mich gar nicht um irgendwelche Termine kümmern brauchte. Einer meiner Jobs ist ja auch an der Uni und ich arbeite da bei einem Institut und da ist es auch genauso alternativ, wie das typische Studentenleben vorher war.

Wir arbeiten alle etwa daheim aus und werkeln so vor uns hin, treffen uns dann ab und an zu Besprechungen, bei denen jeder mehr oder weniger zu spät kommt und man diskutiert über total abstrakte Dinge – zumindest manchmal. Das ist sehr fern von der realen, durchgeplanten Arbeitswelt, wie sie für viele Nicht-Akademiker Realität ist und dass ich so eine Wolken-Kuckucksheim-Stelle habe, ist nur deswegen möglich, weil ich studiert habe. Schade nur, dass dies nur ein kleiner Teilzeitjob ist und nicht mein ganzes Berufsleben so aussieht.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

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Ich habe ebenfalls studiert, wobei für mich das Gehalt oder das Image bzw. Prestige als Akademiker eine eher untergeordnete Rolle gespielt haben. Ich habe in erster Linie studiert, weil mich das Fach interessiert hat und ich bei einer Ausbildung total unterfordert gewesen wäre. Ich habe tatsächlich diverse Praktika und Probearbeitstage bei verschiedenen Betrieben gehabt, um dort eben abzuwägen, ob eine Ausbildung in Frage kommt, aber es hat mich alles schon nach zwei Stunden tierisch gelangweilt, was vorher in der engeren Auswahl gelandet ist.

Mir war immer wichtig, dass ich einen Job ergreife, der wenig Routine hat und bei dem man sehr viel Abwechslung vom Inhalt und von den Aufgaben her hat und das war für mich die wichtigste Motivation, als ich ein Studium aufgenommen habe.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Täubchen hat geschrieben:Ich habe in erster Linie studiert, weil mich das Fach interessiert hat und ich bei einer Ausbildung total unterfordert gewesen wäre. Ich habe tatsächlich diverse Praktika und Probearbeitstage bei verschiedenen Betrieben gehabt, um dort eben abzuwägen, ob eine Ausbildung in Frage kommt, aber es hat mich alles schon nach zwei Stunden tierisch gelangweilt, was vorher in der engeren Auswahl gelandet ist.

Entschuldige, aber du kannst doch nicht generell annehmen, dass ein Job für Akademiker generell abwechslungsreicher oder fordernder ist als ein Ausbildungsberuf. Ich hatte beispielsweise in meiner Ausbildung mehr Abwechselung und Herausforderung als in Studium A und Studium B und in den Jobs danach. Zumal es genügend Jobs gibt, die zwar einen Hochschulabschluss erfordern, aber aus unglaublich viel sich jeden Tag wiederholender Routine bestehen.

Der Ruf von Akademikern hat mich damals definitiv nicht zum Studium bewegt. ich bin in einem akademischen Umfeld groß geworden und fand das nicht sehr spannend, Absolvent irgendeiner Uni zu sein. Ich wollte schlichtweg einen Beruf ausüben, den man anders nicht ausüben kann. Und als das aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ging, habe ich nach etwas gesucht, bei dem mir die Gesundheit garantiert keinen Strich mehr durch die Rechnung machen kann. Etwas, das ich gut kann und das so viel bringt, dass ich in meiner Freizeit so leben kann, wie ich es möchte. Wenn ich schon nicht dir Arbeit machen kann, die ich mag, dann soll die Arbeit wenigstens das leben finanzieren, das mir gefällt. Ganz pragmatisch.

» cooper75 » Beiträge: 13423 » Talkpoints: 517,99 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


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