Geige als Spielzeug für Kleinkinder?
Ich habe mit meinen Kindern von Klein auf viel musiziert. Aber an meine Geige habe ich sie bislang erst ab dem Vorschulalter heran gelassen. Immerhin ist eine gute Geige ja nicht gerade billig. Außerdem ist das Material auch nicht unbedingt dafür geeignet, in Kleinkinderhände zu geraden.
Eltern, die ihren Kleinen schon im Windelalter Geigen in die Hand drücken, fand ich bislang eher seltsam. Schnell liegt der Verdacht nahe, dass solche Leute sich ein Wunderkind züchten wollen. Zumindest so weit das gängige Vorurteil, das diverse Bilder vor den eigenen Augen auftauchen lassen kann.
Zumindest dachte ich das bislang. Bis ich zufällig über einige Videos auf Youtube gestolpert bin. Für Bekannte habe ich mir was über Andre Rieu angesehen und bin dabei auf Akim Camara gestoßen. Ein kleiner drei Jahre alter Junge, der sich wohl nichts sehnlicher wünschte, mal mit dem Orchester von Andre Rieu auf der Bühne zu stehen. Das in dem Alter. Er scheint eine Menge Spaß dabei zu haben und wirkt total tiefenentspannt, was man gar nicht erwarten würde. Er albert auf der Bühne herum und scheint das sogar zu genießen. Und er spielt in dem Alter tatsächlich eine erkennbare und komplexe Melodie auf seiner Geige mitsamt Vibratotechnik! klick Keine Spur von dem, was man bei einem gequälten Wunderkind erwarten würde.
Meine Neugier war geweckt und ich habe weiter gesucht und war erstaunt, was man so alles findet, wenn man zum Beispiel nach toddler und violin sucht. Unter anderem dieses Video hier hat mich total überrascht, wie viel eine Geige aushält und wie unbefangen so junge Kinder an dieses Instrument heran gehen, als wäre es das leichteste der Welt.
Was haltet ihr von solchen Kindern und Eltern? Seht ihr das eher positiv? Oder bemängelt ihr da eher einen Geltungsdrang der Eltern, sich auf Kosten der Kinder zu profilieren? Oder würdet ihr nach solchen Videos am liebsten einem Kleinkind eine Geige in die Hand drücken und testen was passiert? Oder denkt ihr, dass man Kindern so ziemlich effektiv die Kindheit versaut?
Eine Geige allein hat noch niemandem die Kindheit versaut. Manche Leute sind eben richtig begabt und lernen auf ihrem Spezialgebiet so schnell und mit so viel Begeisterung, dass normalen Sterblichen der Mund offen stehen bleibt. Dabei handelt es sich natürlich um Sonderfälle: Der durchschnittliche Dreijährige würde auf einer Violine doch eher herum kauen.
Aber aufmerksamen Eltern fällt sicher schon früh auf, wenn sich ein Kind wirklich für eine Sache begeistert und von Anfang an zum Musizieren oder Tanzen oder Malen gemacht scheint. Dann ist es ja eigentlich nur empfehlenswert, dieses Talent zu fördern. Viele sehr begabte Kinder würden sicher mehr darunter leiden, ihre Begabung nicht ausleben zu dürfen. Dass das Ganze nicht in Schinderei ausarten sollte, ist natürlich Ehrensache. Und wenn die Begabung fehlt, kann man gerade bei sehr kleinen Kindern drillen und trainieren, so viel man will.
Problematisch wird es meines Erachtens immer dann, wenn die Eltern ehrgeiziger sind als ihr Sprössling talentiert ist. Gerade wenn die Kinder älter werden, wird es ohne einen gewissen Druck zwar nicht ablaufen, wenn wirklich eine künstlerische Karriere im Raum steht. Aber wenn es nicht der richtige Weg sein sollte, erfolgt früher oder später sowieso die große Rebellion, wenn das ehemalige Wunderkind 16 ist, bestenfalls Mittelmaß, und die Schnauze voll hat.
Ich denke es gibt mehrere Aspekte die man in Betracht ziehen muss. Ich habe mir die Videos angesehen und mir scheint es auch so, dass es dem Jungen Spaß macht. Aber er ist noch klein und gerade in diesem Alter kann man vieles spielerisch machen und auch über Belohnung und positive Aufmerksamkeit. Man sieht ja alleine schon wie sehr er den Applaus des Publikums genießt.
Ob man das schon als Wunderkind bezeichnen kann, kann ich nicht beurteilen, da ich mich dafür in dem Bereich Musik und speziell geige zu wenig auskenne. Was man aber oft schon von sogenannten "Wunderkindern" gehört hat, ist dass ihnen erst später bewusst wurde wie viel sie geübt haben und wie wenig Zeit sie eigentlich für sich selber hatten. Dadurch haben sie oft wenig soziale Kontakte bzw. kaum wenn überhaupt Freunde.
Oft kam auch erst in einem späteren Alter wo die Freunde eigentlich wichtiger werden als die Eltern dass sie gegen das viele Üben rebelliert haben. Daher müsste man einfach weitere Informationen haben. Es gibt natürlich hochbegabte Kinder, die Förderung brauchen und diese auch einfordern. Aber selbst bei hochbegabten Kindern bin ich der Meinung, sollte man als Eltern versuchen seinem Kind eine halbwegs normale Kindheit zu ermöglichen.
Viele Kleinkinder haben schon früh Begabungen, die die Eltern aber nicht immer erkennen und fördern. Da gibt es Dreijährige, die schon professionell Kampfsport betreiben, ein Instrument spielen oder abstrakt malen. Auch wenn dieses Talent da ist, dürfen die Eltern keinen Druck machen. Wenn das Kind irgendwann kein Interesse mehr an dem Hobby hat, darf es auch aufhören. Nur ohne Zwang kann sich ein Talent zu einer Begabung entwickeln.
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