Inkorrekte Darstellung von Subkulturen in Filmen

vom 30.09.2014, 01:23 Uhr

Dass verschiedene Subkulturen in den Medien nicht so sonderlich gut wegkommen, ist ja leider nichts Neues. In unseriösen Berichterstattungen sind Gothics gerne mal Katzen schlachtende Satanisten und alle Liebhaber elektronischer Musik nehmen natürlich den ganzen lieben langen Tag lang nur synthetische Drogenpillen ein. Und nicht nur in reißerischen Berichten, sondern auch in fiktiven Darstellungen, also in Fernsehserien oder auch Filmen, kommen solche klischeehaften Darstellungen manchmal vor.

Um diese inhaltlichen Schwächen soll es aber jetzt mal nicht gehen. Dass es einigen szeneexternen Personen im Filmgeschäft vielleicht schwer fällt, sich damit zu beschäftigen, was eine Szene eigentlich genau für Ideale verfolgt, wenn überhaupt, gut, das kann ich logisch nachvollziehen. Zumindest die Optik von Szeneangehörigen zu kopieren beziehungsweise filmisch halbwegs korrekt darzustellen, das stelle ich mir aber ehrlich gesagt gar nicht so schwierig vor. Da sind ja detaillierte Kenntnisse, die in die Tiefe gehen, eigentlich nicht erforderlich. Und trotzdem kommen auch in dieser Hinsicht manchmal echt seltsame Darstellungen in Filmen und Serien zustande.

Ich habe es schon mehrfach erlebt, dass man eine Rolle in einer Geschichte beispielsweise als "jugendlicher Punk" gestaltete und immer auch betonte, dass das ein Punk sei. Wie sah die Figur dann aus? Sie trug ein Nietenarmband. Sonst gab es keinen Unterschied zu den "Normalos". Wie kreativ!

Neulich habe ich mich auch wieder gewundert. Ich habe einen Bericht über den dieses Jahr veröffentlichten Kinofilm "Besser als nix" gesehen. Über den Inhalt des Filmes will ich mich im Detail nicht auslassen. Die Hauptfigur ist jedenfalls ein junger Mann, der zur Gothic-Szene gehören soll. Wie äußert sich das in diesem Fall optisch? Mit einem violettgräulichen Strickpullover und einem komischen, sperrigen weißen Holzkreuz um den Hals. Außerdem trägt der junge Mann, wie man auf dem verlinkten Bild sehen kann, halbwegs halblanges Haar. Voilà! Schon haben wir einen Gothic, nicht wahr?

Natürlich müssen Leute nicht klischeehaft wie Vertreter ihrer Szene aussehen. Ich finde es auch viel schöner, wenn Leute eher einfach anziehen, was ihnen selbst gefällt. Aber es ist ein Fakt, dass gerade jugendliche Szenegänger doch oftmals einem gewissen "Dresscode" mehr oder weniger folgen. Also wenn ich in einem Film einen pubertierenden Goth darstellen möchte, dann ziehe ich ihm in seiner Rolle keinen verwaschenen Wollpulli und so ein Holzkreuz, das wohl in keinem Szene-Club von irgendjemandem getragen wird, an. Sondern ich würde mich an dem üblichen Stil, der in der Szene real vorherrschen könnte, orientieren.

Das ist sicherlich ein banales "First World Problem", was ich hier anspreche. Im Grunde ist es wohl eigentlich auch egal, wie Leute bestimmte Subkulturen in Filmen darstellen, und wie falsch sie damit liegen. Aber komisch finde ich es doch. Ist das Absicht? Oder hat man keine Zeit oder keine Lust, genauer zu recherchieren? Sollte man sich überhaupt mehr Mühe bei solchen Darstellungen machen, also auf mehr Originaltreue auch in Sachen Optik achten? Habt Ihr es auch schon erlebt, dass in Filmen Leute beispielsweise einen Punk darstellen sollten, und man ihnen als Symbol dafür dann halt einen Nietengürtel verpasste, die Figur aber ansonsten total angepasst und durchschnittlich wirkte, oftmals nicht nur äußerlich, sondern auch charakterlich?

Ich glaube jedenfalls nicht, dass man die Rolle im Normalfall absichtlich optisch untypisch angelegt hat. Nicht bei einer Mainstream-Komödie, wo ansonsten reichlich Klischees bedient werden. Von daher scheint es tatsächlich Unwissenheit oder Desinteresse zu sein, wenn solche Rollen dann total unauthentisch wirken. So denke ich jedenfalls.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Wer führt die Regie und wer ist den künstlerische Leitung in dem Film? Ich würde vermuten, das sind eher ältere Leute, die es vielleicht zu gewagt finden, richtig tief in die Klischeekiste zu greifen und den Darsteller mit allem Möglichen typischen auszustaffieren. Die finden es vermutlich schon gewagt, dass der junge Mann anscheinend mit etwas schwarzer Farbe die Augen geschminkt hat. Vielleicht will man mehr dem Publikum nicht zumuten, weil man es für zu provokant hält. Das ist aber jetzt nicht meine Meinung, um Missverständnissen vorzubeugen.

Vielleicht ist es auch eine Frage der Wirtschaftlichkeit. Recherchen kosten Zeit und Geld. Vielleicht hat man auch keinen Szeneexperten an der Hand, den man schnell und unkompliziert in solchen Fragen kontaktieren kann. Das wird dann wohl im Film, der kommerziell verwertbar sein soll so knapp wie möglich gehalten. Auch das Beschaffen von Requisiten kostet Zeit und Geld. Also nimmt man das, was schon vorhanden ist. So ein Vorgehen könnte ich mir schon vorstellen, dass das Kreuz noch von einem anderen Film, wo es um die Kirche ging, vorhanden war. Zack, wird es wiederverwertet.

Ich frage mich nur, warum man nicht wenigstens Google Bildersuche zu dem Suchwort Gothic bemüht. Ich bin zwar kein Experte der Gothic-Szene, habe in Berlin aber schon den einen oder anderen Anhänger gesehen. Aber alleine das was Google ausspuckt sieht für jedermann absolut anders aus, als die Filmrolle ausstaffiert wurde. Spätestens da sollten doch Zweifel aufkommen?

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Der Junge mit dem Wollpulli sieht aus wie ein Teilnehmer von so einem christlichen Jugendfestival. Am früheren Studienort meiner Schwester gab es so etwas mal und da waren wirklich viele Leute in der Stadt, die irgendwie "alternativ" und "links" aussahen, aber ein fettes Kreuz um den Hals hatten, was bei dem Festival wohl zusammen mit den Eintrittskarten verteilt worden war.

Generell ist es aber wahrscheinlich wirklich nicht einfach für jemanden, der sich gar nicht auskennt, eine realistische Darstellung hin zu bekommen. Wenn man Google bemüht bekommt man natürlich viele Bilder, aber das sind dann oft Bilder von Leuten, die zwei, drei Monate an ihren Outfits gearbeitet haben, in denen sie dann beim Schaulaufen auf dem WGT fotografiert worden sind.

Das hat mit der Lebensrealität dieser Leute aber wenig zu tun. Genauso wie ein Cosplayer ja auch nicht in der Star Trek Uniform Brötchen kaufen geht oder als Manga Figur verkleidet im Büro sitzt. Ein Freund von mir hatte zum Beispiel früher einen Iro, aber von Montags bis Freitags einen Zopf, weil Iro beim Zivildienst eben nicht drin war. Also hat er sich die Haare nur am Wochenende aufgestellt.

Für eine realistische Darstellung müsste sich der Schreiber also wirklich überlegen, was das für eine Person ist, was sie für Lebensumstände hat, wie lang sie schon in der Szene aktiv ist, welcher Subkategorie sie angehört, ob sie ihre Sachen selber nähen kann und so weiter. So viel Energie werden wohl die wenigsten Schreiber investieren wollen, vor allem, wenn es sich nur um eine kleinere Rolle handelt.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge



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