Russland: kann sich das „System Putin“ langfristig halten?

vom 26.01.2009, 18:48 Uhr

Vor dem Hintergrund des Erdgasstreits zwischen Russland und der Ukraine hat die Aufmerksamkeit der restlichen Welt in Bezug auf die hauseigenen Wirtschaftsprobleme Russlands erst einmal nachgelassen. Allerdings haben gerade diese Probleme in jüngster Zeit eine bedenkliche politische Dimension erreicht. Der öffentliche Druck innerhalb Russlands auf das System, in dem ein starker, zunehmend übermächtiger Staat (der in der Realität immer noch von einer Partei geführt wird) in Zusammenarbeit mit „ausgewählten“ Geschäftsleuten enorme Geldmittel aus Exportgeschäften herauszieht und die Binnenwirtschaft fast zu 100 Prozent kontrolliert, wird größer.

Bis zum Beginn der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise wurde dieses System nicht in Frage gestellt, die Wachstumsraten in Russland waren schlicht und einfach zu gut. Bis zu einem gewissen Maße waren Sicherheit und Ordnung gewährleistet. Ein Großteil der Bevölkerung profitierte merklich von den wirtschaftlichen Verbesserungen. Im Gegenzug dafür wurden so manche Abstriche bei den demokratischen Rechten in Kauf genommen.Aber seitdem die Erdölpreise in den Keller gerutscht sind, die russischen Börsen um über 70 Prozent abgestürzt sind, die Devisenreserven schrumpfen, der Rubel immer weiter entwertet wird und die Arbeitslosigkeit sehr schnell ansteigt, hat sich die politische Stimmung deutlich geändert. In der Bevölkerung brodelt es mächtig. Präsident Medwedjev ging sogar so weit, der Regierung Putin vor laufenden Fernsehkameras eine erhebliche Mitschuld an der aktuellen wirtschaftlichen Lage vorzuwerfen.

Zeitgleich kam es im fernen Osten des Landes zu Protesten von Autofahrern, die sich gegen die Anhebung von Zöllen auf den Gebrauchtwagenimport richteten. Als Folge davon gab es Aktionen im Internet mit Forderungen zum Rücktritt der Regierung und zu einem grundlegenden Wandel der Wirtschaftspolitik. Nach Berichten ausländischer Nachrichtenagenturen wurden zur Eindämmung dieser Protestaktionen sogar Sicherheitskräfte aus Moskau eingeflogen, da es wohl die Befürchtung gab, die örtlichen Behörden könnten mit den Protestlern sympathisieren.

Kurzfristig wird das „System Putin“ wohl nichts zu befürchten haben. Aber auf lange Sicht könnte es durch seine starre Ausrichtung sehr wohl gefährdet sein. Bei dieser Entwicklung spielt möglicherweise sogar der Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Obama eine wichtige Rolle, da hier in beeindruckender Weise die Erneuerungsfähigkeit der amerikanischen Demokratie gezeigt wird. Beachtet wird das in Russland vor allem von der jüngeren Generation mit Zugang zum Internet.

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» Sawa76 » Beiträge: 220 » Talkpoints: 4,68 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Durch den Ukraine-Konflikt und die Annektierung der Krim ist dieses Thema wieder brandaktuell, zumal man sieht, mit welchen Methoden dort gekämpft wird. Die Frage ist eben, was kommt danach. Einen zweiten Irak will niemand und die USA ist als Weltmacht mit mehr als einem Konflikt inzwischen überfordert und total überschuldet, was den Steuersenkungen der Buschära geschuldet ist. Allerdings macht es Verhandlungen mit Nordkorea und dem Iran eben auch nicht gerade leichter, dass die Ukraine vor 20 Jahren bereitwillig ihre Atomwaffen gegen das Versprechen der territorialen Integrität abgab. In Georgien ist Russland zwar ähnlich verfahren aber das lag noch etwas weiter weg und hatte keine Auswirkungen auf den Handel mit Gas und anderen Waren.

Putin hat nicht alles schlecht gemacht, wobei steigende Energiepreise sicher auch nicht schlecht für seine bisherige Amtszeit waren und auch der unteren Bevölkerungsschicht etwas zugute kamen. Allerdings sind nun alle Strukturen verfestigt und auf Putin zugeschnitten wie nach dem II. Weltkrieg auf Adenauer. Deshalb bin ich hier auch etwas ratlos.

» Juri1877 » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


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