Nachsitzen wird als Freiheitsberaubung angesehen

Vor ein paar Tagen konnte ich miterleben, wie sich zwei Mädchen im frühen Teenageralter unterhalten haben. Irgendwie ging es wohl um einen Jungen, dessen Taten beide irgendwie Neudeutsch: Total Cool! finden.

Das eine Mädchen erzählte ihrer Freundin, dass besagter Junge wohl kürzlich vom Lehrer gesagt bekommen hat, er soll die Papierkügelchen, die unter anderem er verschossen hatte, nach der Stunde wieder aufsammeln. Der Junge meinte daraufhin nur, dazu habe er keine Zeit, er muss ja schließlich seinen Bus erwischen. Außerdem habe er darauf keinen Bock.

Der Lehrer meinte dann nur, das alles sei ihm egal, er soll die Papierkügelchen aufheben, ansonsten müsse er eben nachsitzen und mit dem nächsten Bus fahren. Daraufhin meinte der Junge nur lässig: Sie können mir gar nichts und Nachsitzen ist Freiheitsberaubung und Sie machen sich damit strafbar!

Das andere Mädchen fand das natürlich toll. Mich regte das zum Nachdenken an. Ist Nachsitzen wirklich eine Form der Freiheitsberaubung? Immerhin wird der Schüler ja in seiner Freiheit eingeschränkt. Oder sieht das eventuell nur der Schüler so, dass Nachsitzen Freiheitsberaubung ist?

Das ist eine gute Frage - Urteile hierzu gibt es nicht und Juristen streiten sich hierüber.

Eine Antwort lässt sich unter Umständen durch die einzelnen Schulgesetze ableiten, die aber aufgrund der deutschen Föderalstaaten in jedem Bundesland unterschiedlich sind. In meinem Beitrag beziehe ich mich deshalb nur auf das Bundesland NRW, das hier recht eindeutige Gesetze hat.

1. In Nordrhein-Westfalen dürfen keine Kollektivstrafen verhangen werden. Ist der Großteil der Klasse laut, darf nicht die ganze Klasse zum Nachsitzen verdonnert werden oder einen "Pausenarrest" absitzen.

2. Nachsitzen ist in Nordrhein-Westfalen grundsätzlich erlaubt, jedoch an Bedingungen geknüpft. So darf Nachsitzen nur dann verhangen werden, wenn ein Schüler dauerhaft zu spät kommt und Unterricht verpasst. Durch den Schulzwang in Deutschland ist das meines Erachtens auch gerechtfertigt, weil der somit verpasste Stoff dann nachgeholt wird.

3. Das heißt auch, dass ein Schüler, der mit Papierkügelchen würft und diese nicht aufheben will, nicht zum Nachsitzen verdonnert werden darf. Eine geeignete Strafe wäre beispielsweise, in der nächsten Pause den Schulhof reinigen zu müssen.

Fraglich ist es jetzt wie gesagt, ob der Lehrer sich strafbar macht, wenn er den Jungen einfach festhält. Dies ist meines Erachtens dann der Fall, wenn er den Jugen körperlich festhält und ihn somit nötigt, in der Schule zu bleiben. Jedoch ist dies dann keine Freiheitsberaubung, sondern eine Nötigung, weil für eine Freiheitsberaubung eine Einsperrung erfolgen muss.

Hält er den Schüler aber nur "verbal" fest, indem er auf ihn einredet und ihm klar macht, dass er die Schule keinesfalls verlassen darf und ihm für diesen Fall Ärger androht, liegt hier meines Erachtens nur eine disziplinarrechtliche Sache vor, die dienstrechtliche Konsequenzen haben kann.

Da kann ich nur sagen: „Arme Lehrer“, wenn ich den Beitrag von HarveySpecter lese. Wer soll denn nun die Kügelchen, die der Junge mit Absicht geworfen hat, aufheben? Solche Antworten gefallen natürlich manchen Jugendlichen, die genauso aufmüpfig sind, wie dieser Junge. Fehlte nur noch das Beifall-Klatschen.

Muss der Lehrer nun die Eltern dieses Früchtchens benachrichtigen, dass sie kommen und die Kügelchen aufheben oder dafür sorgen, dass der Sohn das in seiner Freizeit macht? Denn die Putzfrauen sind auch nicht dafür zuständig. Also, wie wird das nun gelöst? Was kann ein Lehrer da machen? Kann er das in die Zensuren einfließen lassen? Ich kann aber auch das Gesetz nicht verstehen. Dieser Fall schreit geradezu nach Nachsitzen und Kügelchen zusammensuchen.