Wann hört Interesse an Mitmenschen auf und fängt Stalking an

Eine Nachbarin bei uns ist sehr extrem. Ständig hängt sie an der Gardine oder steht in der Nähe eines Hauses, wo was los ist. Sie muss immer mit der Nase vorn vor sein und ist extrem neugierig. Manchmal fühlt man sich sehr beobachtet von ihr und manchmal hat man auch das Gefühl, dass sie ständig anwesend ist. Ein anderer Nachbar meinte schon, dass es an Stalking grenzt.

Ich frage mich da aber, wann Interesse an den Mitmenschen aufhört und Stalking beginnt. Gibt es da eine Besonderheit, wo man Stalking genau erkennen kann oder kann sich ein Stalker immer mit "Interese an den Mitmenschen" herausreden?

Ich glaube, extrem neugierige Menschen sind neugierig was alle Nachbarn und Mitmenschen angeht. Sie sind nicht besonders auf eine bestimmte Person fixiert wie das ja oft beim Stalking der Fall ist. Ich glaube auch nicht, dass Stalker nur die ganze Zeit am Fenster stehen und beobachten würde. Ein Stalker würde das "Opfer" seiner Neugier überall hin folgen, damit er auch ja nichts verpasst.

Überneugierige Nachbarn sind in den meisten Fällen sicherlich keine Stalker. Ein Stalker geht ja auch weitaus weiter und in intimere Lebensbereiche. Beispielsweise würde er vielleicht Anrufe machen oder wirklich den ganzen Tag einer Person nachgehen. Meistens spricht man davon, wenn es sich um eine Person handelt, die eine andere zu sehr beobachtet und auf sie fixiert ist. Eure Nachbarin ist einfach nur sehr neugierig, was sicherlich auch unangenehm ist, aber sie scheint ja mit dem Verhalten nicht zu weit zu gehen.

Meiner Meinung nach sollte der Begriff "Neugierde" sehr stark vom Begriff "Stalking" abgegrenzt werden. Es ist meines Erachtens etwas anderes, ob ich neugierig hinter der Gardine hänge oder aktiv in die Lebenssphäre einer anderen Person eindringe.

Auch setze ich Stalking mit Nachstellung gleich - und das ist eine Straftat nach § 238 StGB. Hierauf steht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe. Aus diesem Grund wäre ich vorsichtig, andere Leute als Stalker zu bezeichnen. Denn für den Straftatbestand der Nachstellung ist eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung erforderlich.

Damit dies eintrifft, müssen schon ganz schwerwiegende Vorfälle vorliegen. Dies ist beispielsweise der Rosenkavalier, der einen verfolgt. Doch das reicht nicht. Es muss schon so schwerwiegend sein, dass man sich nicht mehr traut, das Haus zu verlassen oder gar umzieht.

Aus diesem Grund würde ich eine neugierige, alte Nachbarin nicht als Stalkerin bezeichnen. Meine Großmutter lebt in einem Seniorenwohnpark. Hier stehen sechs Häuser à zehn Wohnungen. Halte ich mich etwas länger (so eine Minute im Hausflur auf), stehen schon die ersten Rentner hinter dem Türspalt. Das finde ich eher lustig als störend.

Neugierige Nachbarn gibt es überall, die hinter Gardinen stehen und sofort herbeieilen, wenn irgendetwas Besonderes ist oder wenn sie vom Fenster aus sehen, dass ein Krankenwagen in der Nähe steht. Die Menschen sind extrem neugierig. Das hat aber überhaupt nichts mit stalken zu tun.

Wenn diese Nachbarin sich von allen anderen Leuten abwenden würde, denen normal ihre Neugier gilt und nur noch an dir interessiert wäre, dann könnte man von Stalking sprechen. Aber so geht das nicht, weil sie ihre Neugier auf alle gerecht verteilt. Sie will ja niemand belästigen, sie möchte „nur“ wissen, was los ist, was es Neues gibt, wer mit wem- oder wer etwas Neues hat. Das ist total harmlos, weil sie ja niemandem etwas tut. Aber dass sie dadurch den Menschen gewaltig auf die Nerven geht, weiß sie ja nicht und darüber wäre sie auch sehr erstaunt. Denn ihrer Meinung nach tut sie ja niemandem weh.

Ich hatte zum Glück noch nicht das Problem, aber Stalking ist ja nicht so einfach zu definieren. Manche fühlen sich ja sehr schnell belästigt, andere wiederum lassen sehr viel Nähe zu und sind sehr froh um diese Nähe.

Grundsätzlich sollte man offen und ehrlich sagen, wenn man sich von jemandem belästigt fühlt, vielleicht macht es die Person ja auch gar nicht absichtlich. Ändert die Person das Verhalten jedoch nicht und die belästigte Person leidet darunter, fängt bei mir Stalking an. Natürlich muss man auch hier die Umstände beachten. Aber wenn mich z.B. jemand grundsätzlich auf dem Weg zur Arbeit abpasst oder mir auflauert oder immer versucht in meiner Nähe zu sein, ist das meiner Meinung nach krankhaft und somit Stalking.