Einfühlungsvermögen durch Lesen fördern

vom 30.12.2013, 18:47 Uhr

Die Fähigkeit, sich in andere hineinversetzen zu können, hat nicht jeder, das wird manch einer spüren. Aber man kann sich diese Fähigkeit bis zu einem gewissen Grade antrainieren. Das geht ganz einfach. Man muss sich mit anspruchsvoller Literatur beschäftigen. Das Zauberwort heißt also lesen, verstehen und sich in die Personen ineinversetzen zu können.

In der Literatur sind die Vorgänge oft sehr kompliziert und man muss sein Denkvermögen anstrengen, um die winzigen Details zu erfassen und die komplizierten Vorgänge zu ergründen. Das trainiert den Leser, um Empathie empfinden zu können. Emotionale Gesichtsausdrücke können besser gedeutet werden und die Fähigkeit verbessert sich, andere besser verstehen und sich in sie hineinversetzen zu können. Wenn ihr viel lest, habt ihr schon mal festgestellt, dass sich euer Denkvermögen bezüglich des Hineinversetzens in andere Menschen geändert hat?

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge



Ich habe als junger Mensch sehr viel gelesen. Und zwar nicht irgendwelche Mädchenromane, sondern diese dtv-pocket-Bücher, die teilweise echt harten Stoff behandeln. Die NS-Zeit, Drogenkosum, Tod der Eltern. Alles aus der Sicht von Jugendlichen.

Ich finde, es geht dabei weniger um komplizierte Vorgänge und die Anstrengungen, die man unternehmen muss, um das alles zu verstehen. Es geht um die bildhafte Sprache, die einen in die beschriebenen Situationen hineinzieht. So erlebt man ganz viele Dinge, ohne das Schlafzimmer zu verlassen. Ich denke, das war für meine Entwicklung schon sehr wichtig. Mir läuft bis heute ein Schauder über den Rücken, wenn ich an die Erlebnisse bestimmter Romanfiguren denke, an die ich aber immer wieder erinnert werde durch Nachrichten oder Berichte. Und dann kann man die Gefühle dieser Menschen in den Nachrichten gleich viel besser nachvollziehen, weil man sie eben damals im Buch sehr detailliert beschrieben und nachgefühlt hat.

Meine Schwester ist mir in vielem sehr ähnlich und wir sind beide ziemlich "oberflächlich" und lebensfroh. Ich befasse mich auch nicht stundenlang mit den Schrecken, die auf der Welt passieren. Aber bei meiner Schwester hat man das Gefühl, dass ihr diese Schrecken einfach egal sind und sie halt nur schaut, dass ihr Leben spaßig ist. Nicht auf eine böse Art. Ihr tut schon leid, was in Syrien, Nordkorea oder in der Massentierhaltung geschieht. Aber sie lässt sich davon keine Sekunde lang die Stimmung verderben.

Meine Schwester hat als junger Mensch nur Mädchenromane gelesen. Mädchen verliebt sich in Junge, es gibt ein paar Probleme, am Schluss bekommt das Mädchen den Jungen. Ich weiß nun wirklich nicht, ob es an der unterschiedlichen Literatur liegt. Aber wie gesagt, sind wir vom Wesen her eigentlich sehr ähnlich. Aber ich bin ungleich empathischer. Wahrscheinlich gehört diese Empathie schon von Geburt an zu mir und hat mich erst zu dieser Art Literatur geführt. Aber sie wurde dadurch sicherlich auch "gefüttert".

Wenn ich ein Kind hätte, würde ich schon darauf achten, dass es nicht nur solche seichte Literatur liest. Wenn es diese Bücher mag, kann man nichts dagegen tun und das ist ja auch nicht schlimm. Aber ich würde schon versuchen, da das eine oder andere tiefergehendere, wertvollere Buch unterzuschmuggeln. Gerade in dieser sensiblen Entwicklungszeit als Kind und Jugendlicher kann man da schon viel fördern.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Ich habe mit vier Jahren lesen gelernt und seitdem eigentlich nicht mehr aufgehört. Mein Geschmack und mein Repertoire waren schon immer recht weit gespannt, sodass ich durchaus davon ausgehe, durch das Lesen von Büchern aller Art viel gelernt zu haben. Allerdings kann ich nicht behaupten, dass die Lektüre wirklich dazu beigetragen hat, mein Mitgefühl oder Einfühlungsvermögen zu verbessern. Ich würde eher sagen, dass ich mir Dinge und Situationen durch das Lesen besser vorstellen kann, sprich an Fantasie gewonnen habe.

Sich wirklich in die emotionale Lage eines Menschen in einer Situation zu versetzen, in der ich mich selbst noch nie befunden habe, fällt mir trotz ehrlicher Bemühungen nach wie vor schwer. Bücher haben beispielsweise den Vorteil, dass der Leser das Innenleben der Figuren und ihre Beweggründe mehr oder weniger detailliert erklärt bekommt, währen man sich in der Wirklichkeit auf Mimik, Verhalten und verbale Äußerungen seiner Mitmenschen beschränken muss, die oft mehrdeutig, widersprüchlich oder schlicht nervtötend sind.

Nach meinem Dafürhalten sind die Figuren in Büchern zudem oft zu stark idealisiert oder vereinfacht dargestellt. In der Realität sind die Menschen meistens sehr komplex und zeigen nicht nur die positiven Seiten, die es in Büchern oft so leicht machen, sich mit den Figuren zu identifizieren und mit ihnen mit zu fühlen. Zudem sind Handlungen und Konsequenzen oder Ursache und Wirkung in der Literatur oft nachvollziehbarer als im wirklichen Leben. In einem durchschnittlichen Buch wird dem Leser meistens recht schnell klar, zu welcher Figur er beispielsweise halten soll und wer die böse treibende Kraft ist. Hier draußen verdient derjenige, der in jedem Buch als der Schurke abgestempelt werden würde, vielleicht mehr Mitgefühl als die in jeder Hinsicht privilegierte und makellose Heldin.

» Gerbera » Beiträge: 11320 » Talkpoints: 49,94 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Ich glaube tatsächlich, dass man das Einfühlungsvermögen trainieren kann, indem man viel liest. Immerhin ist das etwas, was man im Laufe des Lebens lernt und je mehr verschiedene Situationen man im Leben erlebt hat, desto mehr kann das Einfühlungsvermögen auch steigern. Von daher ist das nur zu einem gewissen Grad vererbt oder angeboren, wie ich denke. Ich bin mir sicher, dass man das auch steigern kann, indem man sich verschiedenen Situationen aussetzt und ich bin mir sicher, dass Bücher da sehr gut helfen können. Immerhin erlebt man in den Geschichten ja auch immer wieder andere Sichtweisen und man erlebt auch immer wieder verschiedene Figuren und auch deren Charakter. Man erfährt die Sichtweisen der Figuren und auch wenn man vielleicht selbst anders handeln würde und die Situation anders meistern würde, erfährt man, wie andere Menschen mit solchen Situationen umgehen.

Auch wenn die Geschichten in Büchern meistens fiktiv sind, so kann man dennoch daraus lernen. Die ganzen Figuren in den Büchern sind ja völlig unterschiedlich und haben einen völlig verschiedenen Charakter. Somit versetzt man sich quasi in die unterschiedlichsten Personen rein und man erfährt, wie andere Menschen denken. Dabei wird man auch mit Themen konfrontiert, mit denen man im realen Leben vielleicht noch nie etwas zu tun hatte, wie beispielsweise mit Tod und Verlust. Dadurch, dass man jedoch quasi auch die Sichtweisen der anderen Figuren erfährt, kann man sich in ihre Lage hinein versetzen und man kann es sich dann tatsächlich auch vorstellen, wie es wäre, selbst in so einer Lage zu sein, wenn das Buch realistisch geschrieben ist. Von daher kann man dann vielleicht auch in der Realität besser mit solchen Situationen umgehen, wenn man sich durch ein Buch schon einmal damit auseinander gesetzt hat.

Wenn ein Buch wirklich gut geschrieben ist, dann nimmt es einen ja auch emotional mit. Man freut sich mit den Figuren oder man leidet mit ihnen. Man kann sich so gut in ihre Lage hinein versetzen, dass man beim Lesen auch Emotionen spürt. Von daher lernt man dadurch, wie es ist, sich in die Lage anderer Menschen hinein zu versetzen. Wenn dann im realen Leben jemand eine andere Meinung hat, als man selbst, bleibt man dann vielleicht auch nicht gleich stur, sondern versucht auch, sich in die Lage des anderen hinein zu versetzen und sich vorzustellen, was der andere gerade fühlt. Ich denke durchaus, dass man das durch Bücher trainieren kann und Bücherhelfen einem sicherlich auch, einen Einblick in viele verschiedene Themen zu bekommen, so dass man auch automatisch mehr Erfahrungen gesammelt hat und manche Situationen eben auch nicht mehr völlig neu im Alltag für einen sind, da man sich schon einmal damit befasst hat.

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» Prinzessin_90 » Beiträge: 35273 » Talkpoints: -0,01 » Auszeichnung für 35000 Beiträge



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