Bis zu welchem Punkt vertretet ihr spezielle Weltansichten?

vom 15.04.2014, 12:34 Uhr

Der Sohn meiner Großcousine ernährt sich seit ein paar Monaten vegan. Wir lassen den jungen Mann machen, denn er ist auch schon volljährig und kann das durchaus selbst entscheiden. Die erste Zeit war die Umstellung bei Familienfesten ein wenig schwierig, da bei uns immer viel mit Fleisch gekocht wird. Mittlerweile richten sich aber fast alle Familienmitglieder eben auf die speziellen Essgewohnheiten des Sohnes meiner Großcousine ein und das klappt ganz gut.

Ein paar wenige Familienmitglieder haben ein wenig ein Problem mit den Essgewohnheiten. Sie sind der Meinung, ein junger Mann braucht Fleisch. Der Sohn meiner Großcousine sagt aber, er mag es nicht mehr vertreten, dass Tiere für ihn leiden müssen.

Die besagten Familienmitglieder finden diese Weltansicht ziemlich speziell und es entbrannte eine Diskussion, dass der junge Mann damit sicherlich anecken wird, wenn er diese Einstellung zu sehr vertritt. Zum Beispiel wenn er zu einem Geschäftsessen geht und es dort nur Fleisch gibt. Der Sohn meiner Großcousine meinte dazu nur, dass er dann immer noch entscheiden kann, wie er seine Weltansichten vertritt.

Im Verlauf diverser Gespräche erzählten auch andere Familienmitglieder und Freunde der Familie. Manche haben schon sehr spezielle Weltansichten. Für uns gehören sie zu den betreffenden Personen und wir respektieren diese. Manche erzählten aber, dass sie sich schon in Situationen befunden haben, in denen sie ihre Weltansichten nicht vertreten haben.

Ein Familienmitglied erzählte, sie habe auf der Arbeit immer geschwiegen, wenn über Leute aus der ehemaligen DDR hergezogen worden ist. So Parolen wie: Baut die Mauer wieder auf!, gehörten an einem Arbeitsplatz zum Standard. Sie selbst hat aber Freunde aus dem Osten Deutschlands, hat sich aber nicht getraut diese zu verteidigen. Klar sollte das heute nicht mehr Standard sein. Das Familienmitglied sagt aber, ihm ist die Diskussion zu anstrengend und man hält sich aus dieser Diskussion lieber raus.

Habt ihr auch spezielle Weltansichten? Wie offen geht ihr damit um? Gerade auch in Kreisen, in denen eine andere Meinung vertreten wird? Geht ihr auch eher auf Rückzug? Oder vertretet ihr eure Ansichten immer?

» Fugasi » Beiträge: 1877 » Talkpoints: 1,33 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ich neige nur selten dazu, meine Ansichten und Wertvorstellungen wirklich vehement zu vertreten, auch wenn sie beileibe nicht besonders originell oder radikal sind. Manch einer mag es Feigheit nennen, aber meiner Erfahrung nach sind nicht allzu viele Leute dazu in der Lage, ihre Anschauungen logisch zu begründen und sich auf sachliche Diskussionen, bei denen beide Parteien zu Wort kommen und von der Gegenseite sogar noch etwas lernen können, einzulassen.

Meistens läuft die Argumentation auf: "Das kenne ich nicht, also ist es Mist!" oder "Im Fernsehen haben sie gezeigt, dass..." hinaus. Und auf diese Art zu diskutieren schafft nur Missstimmung und strengt an. Gerade in geselliger Runde verzichte ich deswegen meistens darauf, anzumerken, dass beispielsweise nicht alle Mitglieder einer Randgruppe so und so sind oder dass nicht alle Afrikaner in Lehmhütten leben. Wenn ich doch mal jemanden treffe, der eine Meinung oder Weltanschauung nicht nur vertritt, sondern auch mal darüber nachgedacht hat und logisch begründen kann, wie er oder sie auf diese Idee kommt, geht mir immer das Herz auf und ich kann stundenlang debattieren.

Aufpassen muss man jedoch in jedem Fall, dass man nicht anfängt, sein Gegenüber zu sehr zu "missionieren", wie ich es nenne. Zu einer reifen Persönlichkeit gehört eben auch die Erkennnis, dass nicht jeder die eigenen Werte und Meinungen teilt, seien sie auch noch so gut begründet. Ich finde es auch sehr unangenehm, mich beispielsweise für meine Ernährung rechtfertigen zu müssen, weil jemand anders gerade vegan isst oder irgendeinem Trend hinterher rennt. Es gibt eben einen schmalen Grad dazwischen, ob man seine Weltansichten vertritt oder seine Mitmenschen nervt.

» Gerbera » Beiträge: 11320 » Talkpoints: 49,94 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


Gerbera hat geschrieben:Aufpassen muss man jedoch in jedem Fall, dass man nicht anfängt, sein Gegenüber zu sehr zu "missionieren", wie ich es nenne. Zu einer reifen Persönlichkeit gehört eben auch die Erkennnis, dass nicht jeder die eigenen Werte und Meinungen teilt, seien sie auch noch so gut begründet. Ich finde es auch sehr unangenehm, mich beispielsweise für meine Ernährung rechtfertigen zu müssen, weil jemand anders gerade vegan isst oder irgendeinem Trend hinterher rennt. Es gibt eben einen schmalen Grad dazwischen, ob man seine Weltansichten vertritt oder seine Mitmenschen nervt

Das Gefühl kenne ich. Ich habe keinerlei Probleme mit anderen Weltanschauungen und Ansichten, selbst wenn sie wie gesagt sehr von den meinen abweichen. Aber ich mag jede Form von "Missionseifer" überhaupt nicht. Es gibt ja tatsächlich Menschen, die nicht akzeptieren wollen, wenn andere eben unterschiedliche Ansichten vertreten und die eben so eine "von-oben-herab-Art" haben und sich als was besseres fühlen. So gibt es beispielsweise auch Vegetarier, die sich als was besseres vorkommen als die Fleischesser, eben weil sie sich einbilden, mehr für die Umwelt zu tun als die anderen.

Ich mag diese arrogante und überhebliche Art von manchen Menschen nicht. Nur weil man eine bestimmte Ansicht vertritt, ist man noch lange nicht etwas besseres. Solange Andersdenkende mich nicht irgendwie herabwürdigend von der Seite anmachen, habe ich auch kein Problem mit anderen Ansichten und kann stundenlang über solche Themen debattieren. Ich finde andere Ansichten sogar total spannend und interessant und setze mich gerne mit neuen Dingen thematisch auseinander.

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



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