Wegen des Gemeinschaftsgefühls Meisterschaftsspiele sehen

Deutschland und fast die ganze Welt ist zurzeit ja im Fußballfieber, weil momentan Fußball-Weltmeisterschaft ist. Oftmals kriechen dazu auch die Leute aus dem Keller vor den Fernseher, die sonst kein oder kaum Fußball sehen. Viele können noch dazu mit dieser Sportart gar nichts anfangen und wissen oftmals noch nicht mal, was auf dem Platz passiert.

Nun bekomme ich im Umfeld öfter mit, dass Leute sagen, sie mögen zwar Fußball nicht, sehen sich aber gerne die Spiele einer Weltmeisterschaft oder auch einer Europameisterschaft an, weil sie das Gemeinsamkeitsgefühl mögen, welches entsteht, wenn man mit mehreren Leuten solche Meisterschaftsspiele ansieht.

Eine Bekannte meinte, sie und ihr Partner treffen sich immer mit anderen Familien, jeder bringt was zum Essen und zum Trinken mit und die Männer schauen Fußball und die Frauen unterhalten sich in der Zeit bei dem Spiel. Sie scheint diese Veranstaltungen richtig zu genießen.

Schaut ihr Meisterschaftsspiele auch vor allem wegen dem Gemeinschaftsgefühl mit anderen Menschen an? Stört es auch extrem Fußballschauer, wenn da Leute nur bei Meisterschaftsspielen dabei sitzen?

Ich habe in den USA schon Super Bowl geschaut, dieses Spiel hat dort ja ungefähr die gleiche Anziehungskraft wie in Deutschland ein Fußball WM Spiel mit deutscher Beteiligung. Ich habe absolut keine Ahnung von American Football und keinen Bezug zu den Mannschaften, aber wenn sämtliche Freunde und Familienmitglieder schauen und den halben Tag in der Küche stehen um die Party am Abend vorzubereiten ist "ich lese lieber ein Buch" halt keine Option.

Ich fand das Erlebnis ganz lustig, vor allem weil keine extremen Fans dabei waren, die es wahrscheinlich genervt hätte, dass sie das Spiel erklären müssen statt es einfach nur anzuschauen. Aber ständig würde ich das jetzt auch nicht machen wollen. Vor allem würde ich mich auch nicht mit einer Gruppe Frauen hinsetzen und mich unterhalten. Entweder ich schaue das Spiel oder ich unterhalte mich, aber während des Spiels eine Unterhaltung zu führen über Dinge, die damit nichts zu tun haben, würde mich nerven. Und ich verbringe ohnehin nicht unbedingt gerne Zeit mit reinen Frauengruppen, da kommen schnell solche dummen Themen auf, die mich nicht interessieren.

In meinem Freundeskreis gibt es durchaus Leute, die sich nicht unbedingt für Fußball interessieren und ein paar werden auch dabei sein, wenn wir kommendes Wochenende das Spiel schauen. Aber die kennen sich alle zumindest so gut aus, dass sie verstehen was auf dem Platz passiert und es bilden sich auch keine Grüppchen, die während das Spiels Kochrezepte austauschen oder über sonst irgendwas quatschen. Also geht das völlig in Ordnung.

Ich schaue allgemein gerne Fußball, also nicht nur die Spiele bei Welt- und Europameisterschaften. Aber es stimmt schon, dass bei diesen Gelegenheiten ein besonderes Gemeinschaftsgefühl entsteht, weil auch einige der Menschen dann schauen, die sich sonst nicht für Fußball interessieren. Ich finde das toll und mich stört es auch nicht, zusammen mit Menschen Fußball zu schauen, die sonst keine Spiele sehen und die sich auch mit den Regeln nicht so wirklich auskennen.

Ich sehe mir schon die Spiele der deutschen Fußballmannschaft an und eventuell die der kommenden Gegner. Dabei bin ich alleine oder zu zweit. Mich würde es nerven, wenn da Frauen sitzen, die Rezepte austauschen, statt zu gucken, was auf dem Rasen passiert. Wenn da dauernd gequatscht würde, ginge es irgendwann nicht mehr und ich würde platzen.

Von einem richtigen Gemeinschaftsgefühl würde ich da nicht sprechen. Nebenan im Hause habe ich solche Veranstaltungen noch vor Augen. Die sitzen im Garten, schauen Fußball, trinken nicht, aber saufen und schreien dann und grölen bei jeder Gelegenheit. Das nervt unheimlich. Da wünscht man sich einen Wolkenbruch direkt über dem Grundstück.

Das Gemeinschaftsgefühl ist für mich hier eher eine nette Umschreibung von Party-Patriotismus. Sobald die Weltmeisterschaft oder auch die Europameisterschaft anfängt steht auf einmal jeder hinter Deutschland und das ist ein Phänomen, welches ich nicht leiden kann. Ich persönlich bin auch kein Fan der deutschen Nationalmannschaft, was mehr an den Leuten hier im Land als an der Mannschaft selbst liegt, die mir eigentlich sehr sympathisch ist.

Das ist auch ein Thema über das ich wieder Bücher schreiben könnte. Seit meiner Kindheit bin ich leidenschaftlicher Portugalfan und interessiere mich auch abseits der großen Spektakel wie der Weltmeisterschaft, sehr für Fußball. Immer wieder darf ich mir blöde Sprüche anhören oder kriege schiefe Blicke zu sehen und dann heißt es immer warum ich denn nicht für Deutschland sei. Meine Wurzeln sind nicht Deutsch, doch ich lebe gerne hier und fühle mich hier wohl, dennoch ist das für mich kein Indikator für die deutsche Nationalmannschaft sein zu müssen. In solchen Situationen übertreiben es einige mit ihrem so genannten Gemeinschaftsgefühl.

Natürlich gibt es auch die schlichten Fälle, die sich wirklich wegen der Atmosphäre vor den Fernseher sitzen oder zu einem Public Viewing gehen und das ja auch völlig zurecht. Letztes Jahr war ich zufällig genau während des Finals der Champions League in London hatte aber natürlich kein Ticket für das Spiel, dennoch bin ich mit Kollegen zum Stadion gezogen und generell war die Atmosphäre und die Stimmung den ganzen Tag über, überall in der Stadt atemberaubend und auch wenn ich dieses Gefühl hier und jetzt nicht zur Weltmeisterschaft habe, kann ich verstehen wenn es einigen so geht wie mir damals in London.

Kurz nach dem Finale folgte auch direkt ein Freundschaftsspiel der englischen Nationalmannschaft gegen die brasilianische und auch wenn ich absolut kein Fan von England bin habe ich mich zu den sympathischen Englischen Fans in einen Pub gesetzt, auch da war die Stimmung super und hat mich irgendwie mitgerissen.