Verantwortung für kranken, erwachsene Menschen übernehmen

vom 14.06.2014, 11:44 Uhr

Ich lebe mit meiner Schwiegermutter (65 Jahre) und meinem Mann in einem Haushalt. Sie ist gesundheitlich angeschlagen, muss 3 x pro Woche zur Blutwäsche, hat COPD (chronische Lungenkrankheit) und bereits mehrere Infarkte gehabt. Geistig ist sie leider nicht besonders hell, was sich im Alltag immer wieder zeigt.

Durch ihre Krankheiten ist sie mehr als andere Menschen darauf angewiesen, dass sie sich gesund ernährt, dass sie ihre Trinkmenge kontrolliert (nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig) und dass sie die Finger von den Zigaretten lässt. Mehr als einmal war sie im letzten Jahr wegen massiver Atemnot im Krankenhaus, die Ärzte rieten ihr immer wieder dringend, endlich das Rauchen aufzugeben.

Wenn ich mit unnachgiebiger Strenge dahinter bin, sprich sie zwinge zu essen, indem ich ihr sage: Ich nehme dich nur mit ins Kino, wenn Du aufgegessen hast, dann funktioniert es. Sobald ich aber nachlasse und versuche ihr selbst die Verantwortung zuzuschieben, hört sie auf und isst nur noch ein Brötchen pro Tag. Mein Partner sagt, ich solle es tatsächlich lassen und sie selbst ihre Konsequenzen spüren lassen.

Ich verstehe meinen Partner, denn er hat schon seit seiner Kindheit das Problem mit der Unselbstständigkeit seiner Mutter. Als er sieben Jahre alt war, wurde sie Tablettenabhängig (Schmerzmittel), weil sie permanente Kopfschmerzen hatte, aber den Arztbesuch verweigerte. Ihre Niereninsuffiziens ist darin begründet. Er würde sich psychisch kaputt machen, wenn er die Verantwortung permanent weiter tragen würde. Er sagt ihr auch, dass sie gesünder leben muss, er kocht auch jeden Abend und bietet ihr immer Essen an, aber er zwingt sie nicht.

Ich hingegen habe schon mehr als einmal einen Tobsuchtsanfall bekommen, weil sie einfach nicht aufessen wollte (das war, als ich mich noch stärker dafür engagiert habe.) Ich merkte aber, dass mich das kaputt macht, ich habe auch nicht die Kraft, mir jeden Tag eine neue "Erpressung" auszudenken, was sie alles nicht kriegt und nicht darf, wenn sie nicht fein aufisst. Sie ist schließlich erwachsen und kein Kind mehr.

Lange Rede, kurzer Sinn: Wie seht ihr das, bin ich als Schwiegertochter in der Verantwortung oder kann ich die Verantwortung wirklich an sie abgeben? Das Essen (auch nach ihren Wünschen und ihrem Geschmack) steht bereit, es wird täglich frisch gekocht, es ist immer Obst und Gemüse da, zugreifen muss sie aber selbst. Ich möchte nicht, dass ihr etwas passiert, aber wenn sie so weiter macht (maximale Kalorienzufuhr 500 kcal., dafür aber locker eine Schachtel Zigaretten täglich), wird sie das Ende des Jahres nicht erleben.

» Jess0708 » Beiträge: 715 » Talkpoints: 47,47 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Ich denke, man kann das Pferd zum Wasser führen, es aber nicht zwingen zu trinken. So sagt ein Sprichwort aus den U.S.A. und ich finde, da steckt ein wahrer Kern dahinter. Menschen, die nicht wollen, kann man nicht zu ihrem Glück zwingen. Da helfen keine gut gemeinten Hilfestellungen oder Ratschläge.

Natürlich will man immer das Beste für Menschen, die einem nahe stehen. Allerdings sind Kinder und auch erwachsene Menschen, die älter sind, oft so stur, dass sie ihren Kopf durchsetzen wollen, koste es, was es wolle. 65 Jahre ist zwar heutzutage noch nicht so ein hohes Alter, es ist aber durchaus schon so, dass die Dame schon ein langes Leben hinter sich hat. Deshalb würde ich einfach so handeln, dass du ihr das bestmöglichste anbietest, wie du es ja schon machst. Wenn sie deine Hilfe nicht annehmen will, dann ist sie selber Schuld. Ich würde da keine Sekunde ein schlechtes Gewissen haben. Es muss jeder von uns einmal gehen. Wer nicht auf seine Gesundheit achten möchte, den kann man nicht zwingen. Somit trifft dich keine Schuld, sollte es tatsächlich so sein, dass die Dame das zeitliche segnet. Das musst du dir immer wieder selber sagen. Du hast das bestmöglichste getan.

Was du ihr vielleicht noch als Alternative vorschlagen könntest, ist das Altersheim. Wenn sie lieber zwangsernährt werden möchte durch Sonden und unter ärztlicher Aufsicht stehen möchte, dann könnte das vielleicht noch ein "Druckmittel" sein. Falls es dir wirklich an die Substanz gehen sollte, sehe ich diesen Ausweg auch als ernsthafte Alternative an. Es kann ja nicht sein, dass du dich selber für diese Frau aufgibst. Es ist ja nicht einmal deine eigene Mutter, sondern die Mutter deines Mannes. Dankeschön bekommst du ja offensichtlich auch keines, oder Anerkennung. Da würde ich mir schon eine andere Lösung suchen, bei der du dich dann besser fühlst. Und meistens sind solche Leute in einem Altersheim gut aufgehoben, da darauf geachtet wird, dass sich die Leute gesund und richtig ernähren und ausreichend trinken, sowie die erforderlichen Medikamente einnehmen.

» nordseekrabbe » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von nordseekrabbe am 14.06.2014, 12:00, insgesamt 1-mal geändert.

Ich habe meine Schwiegermutter auch versorgt. Sie hat nicht mit uns in einem Haushalt gewohnt, aber ich habe für sie gekocht, geschaut, dass sie Medikamente nimmt und dass sie sich gesund ernährt. Ich bin für sie einkaufen gegangen und habe für sie geputzt. Sie hat eigentlich nicht mehr viel alleine gemacht. Ich habe dann auch für sie eine Pflegestufe beantragt. Diese ist leider erst nach ihrem Tod durch gekommen.

Wenn deine Schwiegermutter krank ist und sie bei dir wohnt, dann finde ich schon, dass du und auch dein Mann ein wenig in der Verantwortung steht. Wenn ihr das nicht weiter übernehmen wollt, dann solltet ihr darüber nachdenken sie in ein Pflegeheim zu geben. Denn sie selber scheint ja die Verantwortung für sich selber einfach nicht übernehmen zu können und wenn ihr es ihr dennoch "aufdrückt", dass sie die Verantwortung für sich selber übernehmen soll und es klappt nicht, dann würdet ihr euch doch ewig Vorwürfe machen.

Einem kranken Menschen, so wie du deine Schwiegermutter hier schilderst, kann nicht selber die Verantwortung übernehmen und da seid ihr wenigstens in der Pflicht einen Ersatz für euch zu suchen, der die Verantwortung übernimmt und sei es ein Pflegedienst. Es ist nicht einfach die Verantwortung eines erwachsenen Menschen zu übernehmen.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Ich kann mir das nicht vorstellen. Generell denke ich, dass sich um Pflege etc. nur die Kernfamilie, also die Blutsverwandten, kümmern sollten. Als Schwiegertochter bit du ja nur angeheiratet und ich denke, dass man daraus keine Verpflichtung zur Pflege der Schwiegermutter ableiten kann. Maximal könnte ich mir vorstellen, meine eigene Mutter so zu umsorgen, aber auch nicht ganz gerne. Aber bei einer Schwiegermutter würde ich das nicht machen.

Jeder Mensch sollte schon für sich selbst Verantwortung übernehmen. Das hat die Frau offensichtlich noch nie gemacht, von daher kennt dein Partner diesen Zustand ja mehr oder weniger sein ganzes Leben lang schon. Er hatte also viel Zeit, um sich zu überlegen, wie er mit der Mutter umgehen möchte und hat sich dafür entschieden, ihr nichts aufzudrängen.

Ich frage mich auch, ob das viel ändert, ob se nun isst oder nicht. Macht es einen Unterschied, ob sie noch ein Jahr oder 1,5 Jahre lebt? Wäre es nicht besser, sie das machen zu lassen, was sie will, denn was bringt ihr eine längere Lebenszeit, in der sie immer wieder etwas machen muss, was sie gar nicht möchte?

Vermutlich würde ich sie in ein Heim geben, weil ich mich nicht um eine Schwiegermutter kümmern möchte und wenn es der Sohn auch nicht will, dann hat das alles seine Gründe. Ich würde mich aber erst gar nicht in eine Situation hineinbringen lassen, in der ich mich um einen anderen Menschen auf diese Weise kümmern müsste.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Ich frage mich wem du die Verantwortung geben willst. Denn deine Schwiegermutter scheint mir geistig dazu nicht mehr in der Lage zu sein. Denn der pure Unwillen kann da nicht nur dahinter stecken, dass man sie zu gewissen Dingen ständig zwingen muss. Und dein Mann zieht sich hier ganz schön aus der Verantwortung und drückt sie dir in die Hände. Er sagt zwar, dass du es auch nicht mehr machen sollst, aber was würde das denn bedeuten?

Deine Schwiegermutter isst kaum noch, wird eventuell auch nicht ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen und am Ende heißt es dann, dass ihr sie vernachlässigt habt. Wenn ihr beide nicht mehr die Verantwortung übernehmen wollt, dann wäre nur ein Pflegeheim die Alternative.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


Ich kann sowohl deinen Mann, als auch dich verstehen. Ich finde schon, dass ihr eine gewisse Verantwortung gegenüber deiner Schwiegermutter übernommen habt, wenn sie bei euch wohnt. Wenn es ja klar ist, dass sie alleine die Verantwortung für ihr eigenes Leben so nicht meistern kann, weil sie zu wenig isst und trinkt, dann denke ich schon, dass ihr entsprechend darauf achten solltet. Natürlich ist es für deinen Mann noch schwerer als für dich, wenn er schon seit seiner Kindheit mit der Unselbstständigkeit seiner Mutter klarkommen muss. Aber trotzdem kann das doch eigentlich nicht bedeuten, dass er ihr nun die alleinige Verantwortung für ihr Leben zuteilt, wenn sie es einfach nicht schafft.

Hat dein Mann eventuell noch Geschwister? Vielleicht könntet ihr es dann mit diesen vereinbaren, dass die Mutter mal eine Zeit lang bei diesen lebt, wenn das möglich ist und sich mit deren Leben vereinbaren lässt. Dass du als Schwiegertochter nun die Hauptlast in dieser Situation trägst, ist nicht ganz fair. Dein Mann sagt dir zwar, dass du seiner Mutter die Verantwortung alleine übertragen sollst, aber ich denke nicht, dass das der Weg sein kann, weil doch klar ist, dass sie das nicht schafft. Sonst sehe ich wirklich nur die Alternative des Heims, wie sie hier schon einige Male genannt wurde.

» Barbara Ann » Beiträge: 28945 » Talkpoints: 58,57 » Auszeichnung für 28000 Beiträge


Wutanfälle finde ich sehr nachvollziehbar, aber man sollte das nicht vor dem Menschen heraus lassen. Deine Schwiegermutter kann da nichts dafür und sie hat es sich so auch nicht ausgesucht. Ihr scheint beide ziemlich überfordert mit dem Ganze zu sein und so würde ich mir schon professionelle Hilfe holen. Man kann ja durchaus eine Pflegestufe beantragen und eine Fachkraft kommen lassen, die ein bisschen etwas macht.

Ansonsten würde ich es so machen, dass es bestimmte tägliche Abläufe gibt, die dazu dienen, dass sich die Mutter an das gewöhnen kann, was gemacht werden muss. Beispielsweise sollten Speisen gemeinsam eingenommen werden. Die Erinnerung daran, dass man etwas essen muss, ist nicht weiter schlimm, aber anschreien solltest du sie nicht. Vielleicht musst du ihr auch das Essen eingeben. Gezielt Flaschen oder Becher mit Getränken hinzustellen ist auch wichtig, immer wieder eingießen und sagen dass man gemeinsam etwas trinkt, kann gut funktionieren. Jeder Mensch ist aber anders, wichtig ist, dass man ruhig bleibt, auch wenn es schwer fällt, kein Mensch hat es verdient aus einer Hilflosigkeit heraus angeschrien zu werden.

Generell sollte es nicht deine Aufgabe sein sie zu pflegen. Dennoch finde ich es immer gut, wenn man eigene Angehörige oder nahe Angehörige des Partners pflegen kann und pflegen möchte, aber dafür sind die äußeren Bedingungen meistens schlecht und vor allem gibt es auch nur wenige Menschen, die das wirklich auch können, rein von der Psyche her.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Grundsätzlich ist es so, dass sie ein Pflegeheim oder auch nur einen ambulanten Pflegedienst rigoros ablehnt. Ich muss dazu sagen, ich habe auch keine Pflegestufe behandelt, weil ich nicht möchte, dass der Eindruck entsteht, ich will mich irgendwo bereichern. Letztlich trage ich einen Großteil ihrer Lebenskosten, sie ist zwar Rentnerin, aber hat bei weitem nicht genug Geld, für alles was sie braucht.

Ich stehe häufig im engen Kontakt zu ihrem Arzt, der das Dialysezentrum leitet und er sagte zu mir, ich solle mich aus der Verantwortung ziehen. Er sagte mir, dass sie durchaus erkennt, was richtig und was falsch ist und das sie durchaus weiß, das nicht essen schlecht und viel rauchen erst recht schlecht ist. Es fällt mir eben schwer, mich an den Tipp auch zu halten, weil ich es fatal finde, dass sie sich quasi vor ihrem Sohn auch so gehen lässt, der schon sein Leben lang die Verantwortung für sie hatte.

Es ist auch wirklich nicht so, dass sie alleine in einem Zimmerchen hockt und da essen soll, mein Mann kocht, wir essen gemeinsam, wir gehen auch mal essen, ins Kino, mit ihr ins Schwimmbad etc. Sie hat also nie einen Rahmen, wo sie sich gezwungen fühlen müsste. Ich vermute ja, dass eine psychische Komponente dahinter steckt, was auch ihr Arzt vermutet. Sie braucht sehr viel Aufmerksamkeit, sie kann auch beispielsweise nicht verstehen, wenn ich (nach einem vollen Arbeitstag) eine halbe Stunde alleine für mich haben möchte und sie mal nicht mit zum Supermarkt gehe. Spätestens nach meiner Heimkehr muss ich dann Rede und Antwort stehen, ob ich sie denn nicht mehr lieb hätte.

Es ist ein schwieriges Dilemma, denn ich bin unfähig es völlig zu ignorieren, merke aber auch, wie mich der Kampf aufreibt, zumal meine eigene Mutter sehr früh an Krebs gestorben ist und wohl froh wäre, sie hätte nur essen müssen, um noch länger zu leben.

» Jess0708 » Beiträge: 715 » Talkpoints: 47,47 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Ich kann dich sehr gut verstehen, dass es nicht leicht ist, aber aus eigener Erfahrung kann ich dir sagen, dass keiner gerne Pflege annimmt, wenn sie nicht von der Familie stammt. Nur kann man das ja wirklich nicht auf Dauer schaffen, wenn es einen wirklich auch so fertig macht, was ich im Übrigen auch absolut nachvollziehen kann.

Vielleicht kann man ja auch erst mal damit anfangen, dass man vielleicht nach Ehrenamtlichen sucht, die ein bisschen etwas mit ihr zusammen unternehmen. Das könnte ja auch stattfinden, wenn ihr auf Arbeit seid. Das kann man ihr dann so erklären, dass es ohne euch ja vielleicht langweilig wird. So eine Person kann man ja nach und nach einführen und sie kann dann auch mehr Aufgaben übernehmen, wenn sie es sich zutraut.

Ich würde aber wirklich eine Hilfe suchen, ob sie will oder nicht, weil euch das fertig zu machen scheint. Dann empfindet man vielleicht auch irgendwann nicht mehr die Liebe, weil man zu sehr auf dem Menschen hängt und sie zu stark einfordert, was man nach einem Arbeitstag nicht mehr so leisten kann. Ich denke, dass es einen Versuch schon wert ist. Das ist dann auch kein Fachpersonal, was sie auch merken wird. Ihr müsst es ja selber entscheiden, aber wenn ihr nervlich fertig seid, hat sie da ja auch nichts von.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Danke für den Tipp mit der ehrenamtlichen Person, das ist wirklich sehr gut. Habe mich bereits ein bisschen informiert und es gibt in meiner Wohnregion mehrere, solcher Personen. Ich werde das in die Wege leiten, vielleicht ist es für sie auch manchmal besser, mal mit einer neutralen Person zusammen zu sein und nicht immer mit ihrer Schwiegertochter.

» Jess0708 » Beiträge: 715 » Talkpoints: 47,47 » Auszeichnung für 500 Beiträge


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