Ist die SPD noch glaubwürdig?

vom 09.09.2008, 16:30 Uhr

Ich habe mir in letzter Zeit oft die Frage gestellt, ob die SPD noch glaubwürdig ist oder ob sie zum völligen Hühnerhaufen mutiert ist! Nachdem die große sozialdemokratische Partei Deutschlands schon lange an Umfragewerten verliert, erlaubt sie sich nun einen Ausrutscher nach dem anderen. Es begann mit dem Amtsrücktritt von Matthias Platzeck, der nun auch schon etwas länger zurückliegt.

Wenn eine Partei die sowieso schon angeschlagen ist, ihren Parteichef aufgrund von Schwächeerscheinungen verliert, dann kann ich persönlich nicht mehr von dieser Partei denken, dass sie imstande ist den Staat mit starker Hand zu führen. Das kann man dann aber noch auf persönliche Gründe zurückführen, so wie es auch bei dem nachfolgenden Parteichef Müntefering der Fall war. Wenn aber dann schon wieder ein Parteichef nach kurzer Zeit entlassen wird und der alte wieder an dessen Stelle zurückkehren soll, dann kann man wirklich anfangen von einem Hühnerhaufen oder einem Wirrwarr zu sprechen.

Kurt Beck ist, wie wahrscheinlich viele wissen, der eben angesprochene, kurzzeitige und wirr handelnde Parteichef, oder vielmehr war er dieser, denn er wurde ja am Sonntag aus seinem Amt (angeblich freiwillig) entlassen. Nachdem Kurt Beck viel falsch gemacht hat und vor allem nicht die nötige Kompetenz aufbringen konnte, erachte ich dies auch als richtig. Sein wohl größter Patzer war die im Fall Ypsilanti aufgebrachte Unentschlossenheit. Er und auch Frau Ypsilanti versprachen vor der Wahl keine Koalition mit der Linkspartei einzugehen und vergaßen im späteren Streben nach Macht ihre Versprechen. So etwas finde ich unverschämt und den Wählern gegenüber einfach unfair.

Da Kurt Beck nun erst mal von der Spitze der Partei entfernt ist und wieder in Baden Württemberg sein Unwesen treibt, muss nun ein neuer Nachfolger für ihn gefunden werden. Der Kandidat, der dafür von der SPD in Erwägung gezogen wurde, lässt die Unsicherheit der SPD erkennen. Franz Müntefering ist nämlich der einzige noch glaubwürdige und standhafte Politiker in der gesamten SPD. Er wird nun wieder aus der Versenkung zurückgeholt, um die SPD zu retten. Meiner Meinung nach ist er auch der einzig sichere Kandidat um die SPD wieder von den zwanzig Prozent Umfragewerten weg zubringen.

Ich kann mich mit meinen jungen Jahren aber noch nicht als sehr erfahren im Bezug auf Politik bezeichnen und deswegen habe ich diesen Thread hier ins Leben gerufen. Ich möchte gerne wissen was ihr von dem aktuellen Zustand der SPD haltet und ob ihr denkt, dass man ihr noch vertrauen kann. Bei den nächsten Wahlen werde ich endlich auch wählen dürfen und ich möchte meine Stimme nicht wie viele andere Bürger wegwerfen, sondern sie richtig nutzen.

» kilian » Beiträge: 106 » Talkpoints: -2,14 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Mit Steinmeier und Müntefering an der Spitze ist die SPD auf jeden Fall auf den richtigen Weg. Wie glaubwürdig die SPD momentan ist, ist schwer zu sagen. Dazu muss sich die neue Spitze zunächst profilieren, was bis zur Wahl nur bedingt möglich ist.

Nach Münteferings Rücktritt ist die Option die SPD zu wählen für mich weggefallen, da ich keinerlei Vertrauen in Kurt Beck und den Rest hatte. Mit Müntefering halte ich es jedoch für gut möglich, dass die SPD eine anständige Politik auf die Beine bringt.

Die Grünen sprechen mich jedoch momentan deutlich mehr an.

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» mich » Beiträge: 665 » Talkpoints: 2,91 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Zum Weggang von Beck, den ich nie als Sympathieträger oder gar fähig empfand, und den Ersatz durch das Duo Müntefering / Steinmeier fand ich die Bemerkung von Bodo Ramelow bei Anne Will ganz passend: und zwar, dass es durch den Wechsel in Deutschland jetzt eine zweite konservative Partei gibt, und dass "Der rechte Flügel der SPD [...] den linken Flügel abgehackt [hat]." und wie Klaus Ernst spottete, dass jetzt nur noch Clement & Schröder fehlen, "dann wäre die Trümmer-Truppe wieder komplett".

Abseits von Wahlkampf Polemik und Lagerpropaganda hat das meiner Meinung des Pudels Kern gut getroffen. Die SPD macht mit dem jetzigen Duo auf jeden Fall einen Schritt zurück zur alten Politik und die Parteilinke (Nahles & Co) war alles andere als erfreut über den Wechsel, hält sich momentan aber wahrscheinlich aus strategischen Gründen noch bedeckt.

Der Abgang von Beck, Sympathie hin oder her, war auch ziemlich unwürdig - man hat als Außenstender wirklich das Gefühl bekommen, dass man Beck in der SPD jetzt solange eingeseift und an seinem Stuhl gesägt hat, bis er endlich das Handtuch schmiss. So ein Intrigenspiel kennt man sonst eigentlich nur von der CDU/CSU und den Sozialdemokraten hätte ich es trotz aller Fehlentwicklungen und der Abkehr von linker Politik nicht zugetraut, sich so bloßzustellen.

SPD und GLaubwürdigkeit - hm, ich würde sagen, kommt darauf an was. Arbeitnehmerthemen oder linke Politik kauft ihr meiner Meinung nach keiner mehr ab, außer vernarrte Parteigänger oder Menschen, die sich von Flugblättern beeindrucken lassen. Trotzdem hat die SPD natürlich auch genug Stärken, in denen sie keine Schwäche zeigt(e), dummerweise sind das aber eher Themen, die traditionell der FDP liegen oder den Konservativen um CDU/CSU zugesprochen werden und damit eine gewisse Distanz zur eigentlichen Basis haben.

Dass die SPD nun versucht, Themen vermehrt der Linkspartei und den Grünen abzujagen, egal ob durch "weiterentwicklen" (oder einfach gesagt: klauen und geringfügig abändern) ist meiner Meinung nach Wahlkampftaktik und abkaufen kann ich es ihr auch nicht, was vor allem mit der Stärke bzw. dem Wiedererstarken des rechten Flügels zu tun hat sowie der Schwäche des linken. Hier war der Dolchstoß eindeutig das Abwandern eines großen Teils des linken Flügels zur Linkspartei über den Umweg WASG Schuld, welcher dieser thematisch schon lange näher stand als der eigenen Parteimitte. Dadurch wurden die konservativen Kräfte in der SPD gestärkt und der linke Flügel ist meiner Meinung nach nur noch ein Aushängeschild für Arbeitnehmer, dass man noch linke Positionen vertrete, auch wenn die in der Tagespolitik und Realpolitik der SPD keine echte Bedeutung mehr haben.

Das hat ja vor allem Kurt Beck zu spüren bekommen, nachdem er vom Mitte-Rechts-Flügel langsam Richtung links wanderte und ihn der Folge die Messer gewetzt wurden. Again: Auch wenn ich Beck nicht mag, diese Wandlung hab ich ihm zumindest teilweise abgenommen, wenn sie auch einen Hauch von Aktionismus / Populismus hatte.

Was Ypsilanti angeht: Hier darf man verschiedene Entwicklungen nicht vergessen:

1. Man will auf jeden Fall seitens SPD & Grünen die Abwahl des als Rechtsextremisten empfundenen Kochs, der immernoch an der Macht und nicht abgewählt ist.

2. Eine Regierungsbeteiligung der Linken ist ausgeschlossen, was dieser aber auch egal ist, denn auch sie wollen den rechten Koch weghaben (Primärziel).

3. Die Linkspartei in Hessen hat sich verglichen mit den anarchischen und weltfremden Positionen vor der Wahl unter dem doch auch außerhalb der Linkspartei unter Linken (SOD & Grüne) respektiertem langjährigem Friedensaktivisiten Willi van Ooyen deutlich gewandelt nachdem (der meiner Meinung nach unmögliche) Peter Metz abgewatscht wurde. Zwar sind sie immernoch anarchisch und weltfremd, aber haben verglichen mit vorher deutlich zurückgerudert und sich bezüglich Realpolitik an der Bundespartei und Restpartei orientiert. Das macht es für die Grünen und die SPD zumindest momentan etwas leichter, den faulen Fisch zu schlucken um Koch endlich aus dem Amt zu jagen.

Sehe das auch nicht als den immer wieder von CDU und FDP beschworenen "Verrat am Wähler" an, ist im Grunde rechte Meuchelpropaganda bzw. wenn man an zig Beispiele von CDU / FDP denkt: Wer im Glashaus sitzt sollte nicht mit Steinen werfen aber im "Vergangenheit vergessen" ist die CDU ja seit Adenauer und der Integration alter NSDAP Größen und Kader der Nazis Weltmeister. (Muss in diesem Zusammenhang auch immer ein wenig schmunzeln, wenn ich immer höre die Linkspartei sei Nachfolger der SED aufgrund der zahlreichen Mitglieder dieser die dort Unterschlupf fanden und der Forderungen die am Anfang bestanden - rein logisch wäre die Nachfolgepartei der NSDAP daher weder NPD, SRP usw. .

Achso, als ein priminentes Beispiel fürs vergessen von CDU/FDP und dem "Verrat am Wähler" hat jemand noch die Koalitionsaussage der Parteien der Bundestagswahl 2005 im Kopf? Und mit wem man auf keinen Fall koalieren wollte, sowohl SPD als auch CDU? Man dreht es sich halt wie man es braucht.

kilian" hat geschrieben:Da Kurt Beck nun erstmal von der Spitze der Partei entfernt ist und wieder in Baden Würtemberg sein Unwesen treibt, muss nun ein neuer Nachfolger für ihn gefunden werden.

Aha - und als was? Besucher von Autobahnraststätten? Beck ist bekanntermaßen Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und dort nach wie vor hoch im Kurs.

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» Subbotnik » Beiträge: 9308 » Talkpoints: -7,05 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ich meinte damit eigentlich, dass ein Nachfolger als Parteichef gefunden werden muss, denn so viel ich weiß hat Müntefering noch nicht zugesagt. Ich dachte, dass man das dem Text entnehmen könne, was die erste Antwort auch bestätigt. Dass Kurt Beck als Ministerpräsident in hoch im Kurs steht habe ich nicht bezweifelt, ich habe lediglich Rheinland-Pfalz und Baden -Württemberg verwechselt, was mir auch leid tut, wofür ich aber nicht den Kopf abgerissen bekommen möchte!

» kilian » Beiträge: 106 » Talkpoints: -2,14 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Naja, Münte hat offiziell noch nicht zugesagt weil der Parteitag noch ansteht, aber das Ding ist in trockenen Tüchern solang jetzt kein Riesenskandel kommt der ihn davonfegt und die Linke der SPD wird garantiert nicht so "kurz vor der Wahl" Münte demontieren wollen. Momentan hat die SPD genug daran zu kauen, dass ihre Vorsitzenden einfach zu schnell verschlissen werden.

Na dass der Beck der Schwabe oder Badener ist hört man ja auch ein wenig, ich möchte mal keine Vorurteile gegen Rheinländer auf der Basis von Kurt Beck aufwärmen, daher breche ich hier mal lieber ab.

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» Subbotnik » Beiträge: 9308 » Talkpoints: -7,05 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Für mich hat die SPD massiv an Glaubwürdig- / Vertrauenswürdigkeit verloren. Sie bekriegen sich untereinander, revidieren Beschlüsse, wie es ihnen gerade passt und können sich zu oft nicht festlegen.

Das traurige an Versprechen in der Politik ist ja oftmals, dass ihr Nichteinhalten keine Seltenheit ist. Frau Ypsilanti war nicht die Erste, die es mit Wahlkampfversprechen nicht so ernst genommen hat. Man ist manchmal ja schon direkt versucht zu sagen, das dies die Regel und nicht die Ausnahme ist (Gleiches gilt für obrige Probleme).

Und das jüngste Dilemma mit der Ernennung eines Kanzlerkanditens ihrer Partei macht die Sache für sie nicht besser. Ich wüsste wirklich nicht, ob sie so viel tragbarer wären, als ein CDU-regiertes Deutschland.

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» Demut » Beiträge: 376 » Talkpoints: 19,00 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Mit der Gesetzgebung zu Hartz IV und den Steuersenkungen hat diese Partei einen Riesenfehler gemacht und ihren Stimmenanteil halbiert.

Allerdings scheint im Moment ohne SPD auch nichts zu laufen und die Stimmung in der SPD hat sich doch stark gewandelt. Die FDP ist weg und auch in der CDU regen sich starke Zweifel am Neoliberalismus. Leute wie Clement haben ihr Schäfchen ins Trockene gebracht und werden wohl in der SPD keinen Fuß mehr in irgendeine Tür bekommen.

» Juri1877 » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



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