Steuerstreit in der Union - unsozial

vom 27.06.2009, 08:29 Uhr

Die Bundestagswahl in rund drei Monaten wirft ihre Schatten weit voraus: es geht bei der Union um den richtigen steuerpolitischen Kurs, Steuern hoch, Steuern runter oder alles so lassen wie es jetzt ist. Aus Baden-Württemberg kam nun ein neuer Vorstoß von Minsterpräsident Oettinger: der ermäßigte Steuersatz, bisher ja kaum in je einer Debatte aufgetauscht, könnte von 7% um 2,5%-Punkte auf 9,5 Prozent steigen. Die Schätzungen über die Mehreinnahmen des Staates gehen darüber zwar etwas auseinander, aber rund 8 Milliarden Euro gelten als relativ gesichert.

Der Staat dreht deswegen so gern an der Mehrwertsteuerschraube, weil irgendetwas muss der Bürger ja kaufen, seien es nur Lebensmittel, ein bisschen Kleidung oder Ersatzanschaffungen. Umsatz gibt es jedenfalls immer, zudem sind die Unternehmen davon nicht betroffen, weil ja nur der private Endkunde auf der Steuer sitzen bleibt.

Der Haken an der Erhöhung des reduzierten Steuersatzes ist es aber, dass gerade die Produkte, die nun jeder braucht, nämlich Lebensmittel damit teurer werden. Damit würde man gerade einkommsschwachen Bevölkerungsteilen massiv die Kaufkraft nehmen, was überhaupt nicht im Interesse einer gerechten Steuerpolitik sein kann (sollten nicht gerade christliche Parteien, also die mit dem "C" im Namen für die Ärmeren da sein?).

Man kann dies ganz gut an einem einfachen Beispiel nachvollziehen: Nehmen wir im Fall 1 jemand, dem nach MIete, Strom, Telefeon usw. noch 300 Euro pro Monat übrig bleiben. Als Single kommt man, wenn man sehr sparsam ist und billige Lebensmittel kauft mit 200 Euro pro Monat aus. urch die gestiegene Mehrwertsteuer entstehen mindestens Mehrkosten von 5 Euro, damit sinkt das frei verfügbare Geld um beinahe zwei Prozent. Davon wären Millionen Rentner, Hartz-IV oder auch Studenten betroffen. Hinzu kommt schließlich auch noch die Inflation.

In Fall zwei verdient jemand netto im Monat 2500 Euro, auch Single, der sich etwas teurere Lebensmittel leistet und daher vielleicht 300 Euro dafür pro Monat ausgibt. Ausgabensteigerung wäre hier mit rund 8 Euro anzusetzen, somit sinkt seine verfügbare Kaufkraft um nicht mal ein halbes Prozent. Neben Lebensmitteln und Büchern und Zeitschriften, wären davon auch Bustickets betroffen. Hier ist auch ganz klar anzumerken, dass wohl eher ein Geringverdiener oder jemand ohne eigenes Einkommen und den Erhöhungen leidet, als jemand wie aus Beispiel 2.

Dies Beispiel zeigt also klar, wie unsozial eine Erhöhung des niedrigeren Mehrwertsteuersatzes ist und auch wie unsozial man in der Union, zumindest teilweise, darüber nachdenkt.

Die Union wil morgen ihr Wahlprogramm verabschieden, natürlich ohne Mehrwertsteuererhöhung, auch andere Steuern sollen natürlich nicht erhöht werden. Liest man aber zwischen den Zeilen, dann stehen da so Sachen drin wie: "eine strukturelle Überprüfung der Vorschriften zur Mehrwertsteuerbelastung". Wer sich jetzt fragt, was das ist, dann könnte darunter z.B. folgendes verstehen: Basilikum, Mayoran und Thymian sind Kräuter und werden einzeln verkauft mit nur 7% Mehrwertsteuer belegt.

Mischt man die drei Sorten nunzu einer "italienische Kräutermischung", dann fallen darauf 19% an. Nach einer umfangreichen strukturellen Überprüfung könnte man nun entweder für alles nur 7% verlangen oder eben auch 19%, aber eine Steuererhöhung ist das dann nicht, sondern eben nur eine strukturelle Anpassung.

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» betty » Beiträge: 1460 » Talkpoints: 0,13 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Das geht sogar noch weiter, Oettinger hat gesagt das er eine Erhöhung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf die Hälfte des normalen Satzes für möglich hält. Die CSU hält aber einen Mehrwertsteuersatz von 25 Prozent für passabel. Zudem wird die Mehrwertsteuererhöhung mal wieder von vielen Seiten dazu genutzt werden die Hand aufzuhalten und die Preise noch weiter zu erhöhen (irgendwie muss man ja auf die schönen x,99 € - Beträge kommen :roll: )

Die CDU hat halt kein Gefühl dafür was gut für das Volk wäre und sieht auch weder die Ungerechtigkeit das die Bewohner der Grenzregionen im Ausland einkaufen können und so weniger stark belastet wären als die anderen Menschen, noch die Steuerungerechtigkeit die durch den "Steuerbauch", d.h. die übermäßige Belastung des Mittelstandes im Vergleich zu den Spitzenverdienern sieht.

Ich bin zwar generell gegen weitere Steuererhöhungen, aber wenn, dann sollte man hier ansetzen und die Spitzenverdiener zur Kasse bitten die momentan weniger stark belastet sind als die Mittelschicht. Zudem könnte man im Gegenzug (Bei den Steuern der Reichen fällt mehr ab als bei Armen) den Steuerfreibetrag im unterem Einkommenssegment senken um die Kaufkraft dieser Schicht zu erhöhen und so die Attraktivität solcher Jobs zu erhöhen.

» TuDios » Beiträge: 1475 » Talkpoints: 4,83 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


TuDios hat geschrieben:Zudem könnte man im Gegenzug (Bei den Steuern der Reichen fällt mehr ab als bei Armen) den Steuerfreibetrag im unterem Einkommenssegment senken um die Kaufkraft dieser Schicht zu erhöhen und so die Attraktivität solcher Jobs zu erhöhen.

Richtig, sehe ich genauso - aber wenn man bei den "Reichen" die Steuerschraube anzieht bringt das fast gar nichts, denn die wenigsten hamstern alles auf ihren Konten sondern investieren es wieder (was auch so gewünscht ist) und sonderlich viel ist da nicht zu holen. Einfach aus dem Grund, weil sie nicht die Masse stellen und hier in Deutschland nicht 5 % der Bevölkerung fast alles an Vermögen gehört. Eine Reichensteuer gleicht eine Senkung der "Armensteuer" niemals aus - um hier wenige 0,x Prozent für den Großteil der Bevölkerung herauszuholen müsste man schon fast im zweistelligen Prozentbereich die Steuer für Vermögendere anheben!

Und das ist im Grunde alles gehüpft wie gesprungen, da mehr Steuern keinen jucken, solange es noch genug Schlupflöcher gibt. Die jetzigen Situation ist im Grunde optimal, auch eine Steuersenkung für Reiche fast an die 30 % Marke wäre noch locker zu verkraften wenn man zeitgleich endlich mal die Schlupflöcher schließen und die "Subventionen" wegfallen lassen würde - denn die wenigsten zahlen bereits jetzt soviel.

Das meiste holt man sowieso nur über Konsumsteuern raus, denn die müssen alle immer bezahlen :wink:. Und um da wieder zum Ausgangsthema zu kommen: Eine Mehrwertsteuererhöhung auf 25 % für "Luxusgüter" bei einer sinnvollen Anpassung (nach unten :wink:) beim Verbrauchsgüterwirrwarr ist im Grunde für alle verkraftbar (auch mit dem zynischen Argument dass die meisten "Armen" sowieso kaum oder nur sehr selten im Vergleich zu anderen Luxusgüter erwerben, weil ihnen bereits heute dafür das Geld fehlt) - aber alles eben nur solang, solang man den geminderten Mehrwertsteuersatz in Ruhe lässt!

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» Subbotnik » Beiträge: 9308 » Talkpoints: -7,05 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Auch da kann ich leider nur zustimmen: das ganze System ist verrückt. Es gibt so unglaublich viele Ausnahmen und Sonderregelungen, dass man - macht man es gut - wirklich keine Steuern mehr zahlen muss, egal wie viel man verdient.

Beispiel: Ein reicher Deutscher kauft sich jedes Jahr ein altes Mehrfamilienhaus, vielleicht noch besonders günstig aus einer Zwangsversteigerung. Die Mieteinnahmen investiert er in die Renovierung des Hauses. Damit schafft er Arbeitsplätze, was sehr vorteilhaft ist. Nur leider hat die Sache einen Haken. Nach zehn Jahren ist das Haus saniert, die Mieten für die alten Bewohner wahrscheinlich nicht mehr bezahlbar, der Eigentümer verkauft das Haus nach zehn Jahren weiter und hat enorme Gewinne zwischen Hauskauf und -verkauf erzielt, steuerfrei, denn die Spekulationsfrist ist vorbei. Das kann aber nur jemand machen, der eh schon Geld hat, der oft zitierte "Otto-Normalverbraucher" kann das eben nicht.

Und solche Beispiele gibt es viel zu viele. Anstatt mit dem erhobenen Finger in Richtung Schweiz zu zeigen sollte man einfach mal daheim anfangen, und den Bürgern nicht mehr abverlangen, sondern einfach nur mal das, was jeder auch zu zahlen hat auch wirklich eintreiben.

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» betty » Beiträge: 1460 » Talkpoints: 0,13 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Die Mehrwertsteuer belastet gerade Geringverdiener und Familien und deshalb bin ich natürlich dagegen. Die Reformierung des erniedrigten Mehrwertsteuersatzes überlässt man natürlich der EU außer bei den Übernachtungskosten, wo nun der ermäßigte Mehrwertsteuersatz gilt, aber die Übernachtungskosten nicht ermäßigt wurden. Das Geld haben die Unternehmer eingesackt und sich bedankt.

Meiner Ansicht nach wäre die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer und die Einführung einer Finanztransaktionssteuer sowie eine Erhöhung der Erbschaftsteuer und eine bessere Verfolgung von Steuersündern der richtige Weg, aber wozu einfach wenn es auch kompliziert geht.

» Juri1877 » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


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