Ausnahmen beim Mindestlohn - positiv oder negativ

vom 20.04.2014, 17:45 Uhr

Die schwarz-roten Koalitionäre haben sich darauf geeinigt, dass es für jeden einen Mindestlohn gibt. Außer man war Langzeitarbeitsloser. In dem Fall ist man für die nächsten sechs Monate ausgenommen.

Generell finde ich es gut, dass es bald einen Mindestlohn gibt. Was ich aber nicht verstehen kann, dass ein Langzeitarbeitsloser sechs Monate davon ausgenommen ist. Ich denke, dass die Firmen die Arbeitslosen sechs Monate beschäftigen und dann wieder entlassen, um den Mindestlohn zu umgehen. Wie denkt ihr darüber? Wie findet ihr den Mindestlohn?

» najasii » Beiträge: 51 » Talkpoints: 0,00 »



Ich denke auch, dass es ein Anreiz ist, einen Langzeitarbeitslosen überhaupt in Erwägung zu ziehen. Da ist man ja als Arbeitgeber oftmals skeptisch. Aber wenn er einem Geld spart, geht man eher das Wagnis ein. Und wenn er dann erst mal sechs Monate im Betrieb ist und sich gut macht, spricht für viele sicherlich nichts dagegen, einen guten Mitarbeiter zu behalten.

Und selbst wenn er wieder entlassen wird, war er wenigstens für sechs Monate wieder in einer Anstellung. Das sieht dann im Lebenslauf schon viel besser aus. Also so seltsam diese Regelung auf den ersten Blick aussieht, ich glaube, sie könnte Wirkung zeigen.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Klar, für den Lebenslauf ist das natürlich super. Für den Menschen ist es trotzdem deprimierend, wenn er sich alle sechs Monate einen neuen Job suchen muss! Ich denke, dass wenn ich alle sechs Monate gefeuert werde keinen Spaß mehr an einer Arbeit habe.

» najasii » Beiträge: 51 » Talkpoints: 0,00 »



Ich denke, dass die Ausnahmen durchaus sinnvoll sind. Es ist durchaus ein guter Anreiz, um einen Langzeitarbeitslosen einzustellen. Wenn er sich gut anstellt, wird er sicherlich in vielen Fällen auch übernommen. Und selbst wenn nicht, hat er wenigstens nicht mehr das Stigma eines Langzeitarbeitslosen. Und ich glaube auch kaum, dass eine Entlassung nach sechs Monaten viel deprimierender sein kann als sechs weitere Monate arbeitslos zu sein. Und beim nächsten Job ist man dann ja wieder unter dem Schutz des Mindestlohns.

Die andere große Ausnahme sind ja Jugendliche. Ich halte diese Ausnahme auch für wichtig, weil man sicher stellen muss, dass ein Aushilfsjob nicht attraktiver ist als eine Berufsausbildung. Ich persönlich halte das zwar nicht für eine Ideallösung, aber im gegebenen politischen Rahmen für die beste Alternative.

» Weasel_ » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Als Langzeitarbeitsloser hat man kaum Chancen auf dem deutschen Arbeitsmarkt, es kommen immer wieder Menschen nach, die bessere Qualifikationen haben als man selber und der Lebenslauf sieht mit so einer Lücke auch nicht besonders aus. Man kann dann noch so gut sein, aber man hat einfach schlechte Karten. Deswegen könnte es für den Arbeitgeber ein Anreiz sein solche Menschen wieder einzustellen. Oftmals betrifft es ja auch Menschen, die schon ein bisschen älter sind und diese haben generell schlechte Karten, ihnen dann noch mal so einen Job anzubieten ist doch gut.

Selbst wenn man nicht überzeugen konnte und danach wieder gehen muss, hat man dennoch in dem Bereich Erfahrungen gesammelt, die einem keiner mehr nehmen kann. Ein halbes Jahr hat man dann ja auch Lohn bekommen und das kann man als Mensch immer gebrauchen, man gewinnt ja auch als Selbstbewusstsein, wenn man sieht, dass man noch genommen wird. Schlecht finde ich die Idee nicht.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Das riecht in der Tat nach einer Gesetzeslücke, mit der die Leute ausgebeutet werden können, die am dringendsten Arbeit suchen. An sich spricht ja nichts dagegen Arbeitslosen so den Wiedereinstieg in den Beruf zu erleichtern, aber wenn jemand nach sechs Monaten dann wieder im Arbeitsamt steht sollte die Behörde bei den Kündigungsgründen eben ganz genau hinschauen um sicher zu gehen, dass der Arbeitgeber nicht von vorne herein nie vorhatte den Arbeitnehmer über die sechs Monate hinaus weiter zu beschäftigen.

Was ich allerdings sinnvoll finde bei den Ausnahmen ist die Überlegung eine Art Altersgrenze einzuführen, damit Jugendliche nicht dazu verleitet werden keine Ausbildung zu machen, weil eine Hilfstätigkeit erst mal mehr Geld bringt. Damit tut man ihnen auf längere Sicht auf jeden Fall einen Gefallen.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Ich muss dir leider ganz klar zustimmen. Ich finde einen Mindestlohn wirklich gut, da es dann keine Billiglohnarbeiter mehr gibt. Allerdings hast du völlig recht damit, dass die Firmen die Lücke ausnutzen werden. Das ist dann vielleicht keine gute Sache aber ich gebe zu, dass ich als Firmenchef daran auch Interesse hätte.

Allerdings ist aus der Sicht eines Firmenchefs der Mindestlohn sowieso eine negative Sache. Keiner hat Interesse daran, seine Arbeiter gut zu bezahlen. Und auch diese Seite kann ich wieder verstehen. Schlussendlich muss man sagen, dass keine Seite Verluste machen will und jeder Interesse daran hat, möglichst viel Geld zu machen.

Wenn man objektiv ist, ist der Mindestlohn eine gute Sache und aus der Sicht der Arbeiter ebenso. Außer man ist Firmenchef oder Langzeitarbeitsloser. In dem Falle hätte man wohl eher Interesse daran, dass es keinen Mindestlohn gibt. Schlussendlich kommt es also darauf an aus welcher Perspektive man den Mindestlohn sieht.

» RobinMa » Beiträge: 21 » Talkpoints: 1,25 »



In 20 von 27 EU-Staaten gibt es einen Mindestlohn. In 5 weiteren Staaten besteht eine Tarifbindung von über 90 Prozent. Sogar die USA haben einen Mindestlohn. Und Deutschland mit einer Tarifbindung von 60 Prozent hatte bisher lieber keinen Mindestlohn bezahlt und stockt stattdessen lieber Dumpinglöhne alleine zwischen 2005 und 2009 mit über 50 Milliarden Hartz IV aufgestockt haben. Wer Ausnahmen haben will, soll sage, wozu der Staat Dumpinglöhne mit Hartz IV subventionieren soll.

» Juri1877 » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Juri1877 hat geschrieben:In 20 von 27 EU-Staaten gibt es einen Mindestlohn. In 5 weiteren Staaten besteht eine Tarifbindung von über 90 Prozent. Sogar die USA haben einen Mindestlohn.

Das ist aber recht pauschal gesagt. Ich könnte ja jetzt einfach mal die Gegenfrage stellen und dich fragen ob du für einen Mindestlohn von 5,60 Euro wie in den USA arbeiten gehen würdest oder für 3 oder 4 Euro wie in Portugal und Spanien. Genauso verwundert es doch sehr, wenn man sich anschaut, wie sehr die Krise zum Beispiel Frankreich getroffen hat, obwohl die doch mit über 9,50 einen höheren Mindestlohn haben, als er in Deutschland betragen soll. Auch gibt es östlich von Deutschland in keinem Land einen Mindestlohn, der über 5 Euro pro Stunde liegt.

Was lernen wir also daraus? Die reine Tatsache, dass es einen Mindestlohn gibt, sagt überhaupt nichts darüber aus, ob man davon auch tatsächlich leben kann. So haben zum Beispiel in Deutschland 2010 im Durchschnitt selbst Zeitarbeiter zwischen 7,60 (Ost) und 9,20 (West) verdient, liegen also in etwa um den angedachten Mindestlohn von 8,50. Klar sind das Durchschnittswerte, sie zeigen aber, dass man auch ohne Mindestlöhne durchaus vernünftige Lohnniveaus zahlen kann, wenn es denn von allen gewollt ist. Genauso wie man auf der anderen Seite Mindestlöhne so niedrig gesetzlich verankern kann, dass sie jeder Arbeitgeber ohne Probleme erfüllen kann ohne dass deswegen alle über ein ausreichendes Einkommen verfügen.

Im Grunde müssen ganz einfach auch die Verbraucher bereit sein vernünftige Preise zu bezahlen, damit es sich für jedes Unternehmen in Deutschland noch lohnt ausreichende Löhne zu bezahlen. Ansonsten wird man nur noch mehr versuchen Dienstleistungen und Produktionen in das Ausland zu verlagern und da helfen dann auch keine deutschen Mindestlöhne mehr. Die Einführung eines Mindestlohnes kann also nur ein Pfeiler einer nachhaltigen Politik sein, die schlussendlich auch im Verbraucherkopf ankommen muss. Dann muss man weg von der Geiz ist Geil Mentalität.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


Ich finde aus ethischen Gründen und aus Schutz vor massiver Unterbezahlung den Mindestlohn an sich gerechtfertigt. Andererseits muss man auch bedenken, dass es gerade bei kleineren Firmen oder auch im Sozial- und Pflegebereich ein großes Problem geben wird. Wer den Mindestlohn dann nicht zahlen kann, der kann schließen oder steht zumindest vor der existenziellen Bedrohung.

Ich frage mich, ob es noch mehr Ausnahmeregelungen gibt außer die mit den Langzeitarbeitslosen. Zu viele Ausnahmen in die falsche Richtung, also zum Beispiel in der Wirtschaft, halte ich dann für sehr kritisch zu bewerten. Möglicherweise war die Regelung nett gemeint, um vor Allem Langzeitarbeitslosen wieder zu einem Job zu verhelfen. Dennoch denke ich auch, dass diese Gefahr laufen, zu einem Spielball der Gesetze zu werden.

» crazykris1 » Beiträge: 605 » Talkpoints: 37,24 » Auszeichnung für 500 Beiträge


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