Wann wart Ihr nach Tschernobyl wieder in einer Sandkiste?
Ich bin mit Baujahr 1972 eine typischer Vertreter der Tschernobylgeneration. Mit 14 Jahren habe ich noch den Kindern im Haus beim Sandburgenbauen geholfen. Mit dem 26.4.1986 war dann alles vorbei und es gab ein Sandkistenverbot. Danach habe ich auch nie wieder eine Sandkiste betreten.
Wann wart Ihr nach Tschernobyl wieder in einer Sandkiste? Haben Euch Eure Eltern auch von Sandkisten ferngehalten bzw. habt Ihr auch Euren Kindern strengstens untersagt im Sand zu spielen oder war Euch dies alles egal?
celles hat geschrieben:Ich bin mit Baujahr 1972 eine typischer Vertreter der Tschernobylgeneration.
Naja, du würdest doch hoffentlich nicht behaupten, dass z.B. die "Generation 1975" zu typischen Vertretern der Wendegeneration machen. Das dürfte zu weit führen - weil diese zum damaligen Ereignis eben fast noch Kinder waren. Du meinst vermutlich eher, dass du die Zeit und die Ereignisse konkret und bewusst wahrgenommen hast.
Zu der Zeit gab es ja in den ersten Wochen und Monaten praktisch täglich neue Verbote bzw. Gebote und Ratschläge, was zu lassen ist (Pilze sammeln!). Auch Sandkästen sind angesprochen worden. Aber - vermutlich kommt es auch stark an, in welcher Region man lebte - ebbte das Ganze recht rasch wieder ab und die Fußball-WM 1986 in Mexiko hat dann alles "überstrahlt".
Ich weiß noch ziemlich genau, was als Konsequenz dieser ersten großen Katastrophe gemacht wurde. In Westdeutschland bekamen die Sondereinsatzkommandos der Polizei wohl die Anweisung, noch härter gegen die Vertreter der Friedensbewegung und vor allem gegen die Atomkraftgegner vorzugehen. Auch damals gab es schon Atommüll-Transporte (Wiederaufbereitungsanlagen) und als Alibi wurde unter Kohl dann Mitte 1986 das Amt für "Umwelt-, Naturschutz und Reaktorsicherheit" gegründet. Aber eben mit dem Ziel, die Proteste abebben zu lassen. Ein Umdenken hat trotz der Katastrophe NICHT stattgefunden.
Ich bin ein paar Jahre jünger und war zum Zeitpunkt des Unglücks noch in der Grundschule. Also gerade so noch im klassischen Sandkastenalter. Ich kann mich noch gut an die allgemeine Ratlosigkeit erinnern, die damals ausbrach. Und danach die Panik unter uns Kindern, ob wir jetzt alle an der Strahlenkrankheit sterben werden und wenn ja, wann. Und da ich in Bayern groß geworden bin, hatte ich das beschissene Glück, dass wir da relativ viel Strahlung abbekommen haben.
Ich kann mich schon noch erinnern, dass uns plötzlich verboten wurde, die Sandkisten zu betreten. Gleiches galt für den Rasen. Komisch fanden wir das schon, schließlich kann man Strahlung ja nicht sehen und für uns Kinder war überhaupt nicht nachvollziehbar, was das alles hieß. Und wieso etwas strahlt, was man nicht leuchten sieht. Dann liefen lustige Leute mit knatternden Geräten namens Geigerzähler überall herum und taten wichtig. Keine Ahnung, ob das die Behörden waren, oder ambitionierte Hobbybastler. Als Kind lief mir ein Schauer über den Rücken, wenn die Erwachsenen sich plötzlich so anders verhielten.
Danach hatte bei uns die Gemeinde angeordnet, dass der Sand auf den Spielplätze getauscht werden solle. Angeblich gegen frischen Sand. Als Kinder haben wir uns gewundert, dass dieser "neue" Sand roch wie normaler Spielplatzsand und nicht wie frisch vom Meer. Auch die ersten Erwachsenen verbreiteten dann die Gerüchte, dass man wohl angeblich nur lustig Bäumchen wechsle dich mit den Sandkisten gespielt hat und der Sand trotzdem radioaktiv sei. Von öffentlicher Seite wurden die Spielplätze wieder frei gegeben. So richtig Spaß hat mir das Buddeln danach nicht mehr gemacht.
Was nun stimmt, weiß ich nicht. Als Mutter wundere ich mich aber schon, wo plötzlich all der neue Sand hergekommen sein könnte? Und was wurde mit dem alten Sand gemacht?
Das erste Mal bewusst war ich wieder in einer Buddelkiste mit einem kleinen Kind aus der Verwandtschaft in den 90er Jahren. Zu der Zeit sprach niemand mehr vom Reaktorunglück und überall spielten die Kinder schon lange wieder fröhlich in den Buddelkästen.
Da ich an diesem Tag gerade mal 6 Wochen alt war, habe ich wohl erst danach zum ersten Mal einen Sandkasten von innen gesehen. Erzählt hat man kleinen Kindern wie mir da natürlich nichts über möglicherweise verstrahlten Sand, das hätten wir ja sowieso nicht verstanden. Gut besucht waren die Spielplätze, auf denen ich gespielt habe, aber immer. Also hat sich die Angst spätestens nach ein paar Jahren wohl wieder gelegt.
trüffelsucher hat geschrieben:Als Mutter wundere ich mich aber schon, wo plötzlich all der neue Sand hergekommen sein könnte?
Hoffentlich aus einer überdachten Lagerhalle.

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