Nazihochburgen, gibt es so etwas wirklich?

vom 24.06.2008, 23:55 Uhr

Im Elb-Sandstein-Gebirge war ich als asiatischstämmige Person schon mehrfach zum Wandern. Ich finde es landschaftlich ziemlich schön dort. In der Zittauer Gegend war ich auch mal, außerdem mehrfach in Dresden. Erstmals war ich Anfang 2009 dort, letztmalig gerade vor wenigen Monaten. Und ja, dass die Gegend den Ruf hat, dass dort viele Nazis, insbesondere auch gewaltbereite, leben, das war mir schon vorher sehr bekannt.

Dennoch muss ich ehrlich sagen, obwohl ich ja schon bisschen angespannt war und meine Umgebung gut beobachtet habe, dass ich während meiner Aufenthalte dort keine besonderen Erfahrungen mit Neonazis machen musste. Sicherlich steht es nicht jedem auf die Stirn geschrieben, dass er rechtsextremes Gedankengut im Schädel hat, aber wirklich klischeehafte Glatzen mit Bomberjacke und Springerstiefeln habe ich beispielsweise während meiner ersten Dresden-Reise nur zwei in einer kompletten Woche gesehen. Und das, obwohl ich jeden Tag den gesamten Tag draußen war. In der Sächsischen Schweiz war es ähnlich. Mal hat man jemanden gesehen, der offenbar Neonazi ist, aber nicht täglich und nicht massenhaft. Vielleicht hatte ich bloß Glück?

Andere Erfahrungen habe ich interessanterweise im ach so toleranten Berlin gemacht. Wobei das ja auch einige Ecken hat, die leider dafür bekannt sind, dass es dort viele "Glatzen" gibt. Beispielsweise die Plattenbau-Gegenden von Marzahn, einige Teile von Pankow, dem Bezirk mit dem niedrigsten Ausländeranteil der Stadt, oder aber Teile von Treptow, insbesondere Schöneweide. In Schöneweide gibt es sogar eine Straße, wo ein Naziladen an den nächsten grenzt, und wo es regelmäßig zu Krawallen kommt. Wobei "Naziläden" nicht einmal offensichtliche Nazi-Devotionalien verkaufen müssen. Ja, einer der Läden ist ein Militär-Geschäft, das ziemlich "eindeutiges" Zeug verkauft. Dann ist da noch eine "Glatzen"-Kneipe nebendran. Außerdem gibt es dort aber beispielsweise auch einen Second-Hand-Buchladen, der an sich unauffällig ist, der aber von einem stadtbekannten Neonazi-Paar betrieben wird. Die Einnahmen kommen direkt der Neonazi-Szene zugute. Und das sind nur ein paar Beispiele. Neonazi-Geschäfte sind in der Gegend noch einige mehr.

Irgendwie häuft es sich dort. Wie es möglich war, dass sich das so geballt dort ansiedelt, frage ich mich auch. Ich vermute aber mal, dass einzelne Neonazis einfach dafür gesorgt haben, dass auch andere in ihre Gegend ziehen. So werden es immer mehr. Wie soll die Stadt auch eingreifen, wenn nichts Illegales geschieht? Man kann ja auch einem vorbestraften Neonazi nicht vorschreiben, wo er in der Stadt wohnen und sich bewegen darf.

Seltsame Erlebnisse hatte ich bisher übrigens auch, wenn ich am Bahnhof Pankow vorbeigekommen bin. Es passiert nicht immer, aber oftmals stehen dort erstaunlich viele Leute in Thor-Steinar-Kleidung und mit ziemlich wenig Haaren auf dem Kopf herum. In der Bahnlinie, die dort durchfährt, sieht man auch öfters Personen in diesem Outfit. An einem Tag saß ich wirklich mal mit vier solchen Familien zusammen im Zug. Ja, Familien. Der Mann im Neonazi-Outfit, die Frau teilweise auch. Und jede der Sippen hatte mindestens ein Kind, eine sogar gleich vier Kinder, obwohl sie noch relativ jung aussahen.

Dass die Kinder solcher Leute rechtsextremes Gedankengut wahrscheinlich kontinuierlich über die Jahre mitbekommen, macht mir Sorgen. Natürlich müssen die Kinder sich nicht automatisch in dieselbe Richtung wie ihre Eltern entwickeln. Bestenfalls finden sie in der Pubertät ihre eigene, nicht-nazistische Weltsicht. Aber eine gewisse Gefahr sehe ich da dennoch.

Benutzeravatar

» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Also für mich persönlich gibt es Nazis im klassischen Sinne wie damals eben nicht. Heute sind es einfach Menschen mit einer ausgeprägten rechtsradikalen Neigung oder einem rechtsorientierten Gedankengut. Gerne sagen wir auch „Faschos“ dazu. Nazis wie früher gibt es nicht, und wenn die heutigen Faschos richtig nachdenken würden, dann wüssten sie das. Obwohl ich keinen rechtsradikalen kenne, der sich selber als Nazi betiteln würde, denn auch das ist ihnen völlig fremd. Ja ich muss auch zugeben, dass ich solche Menschen kenne. Ich bin eben sehr anders eingestuft und war sicherlich auch nicht immer frei von gewissen Vorurteilen, aber man lernt ja nie aus. Jeder soll denken, was er sie will, solange keine Straftaten aufgrund der Glaubensrichtungen etc. stattfinden und damit begründet werden. Denn nicht jeder Ausländer ist doof und nicht jeder „Fascho“ ist ein Idiot.

Nazihochburgen wie Du sie nennst gibt es aber sehr wohl. Vor allem auch im Bereich Sachsen fällt dies häufig auf. Auch Berlin kann sich nicht freisprechen und auch im Ruhrgebiet wird es von Tag zu Tag schlimmer. Das rechte Gedankengut transportiert sich eben voran. Wobei man an einigen Stellen auch sagen muss, dass es eben nach dem altbekannten „Übers Kamm scheren“ geht. Viele Kinder aus meiner Gegend sind Kurden, Albaner, Libanesen oder auch Türken. Ich gebe zu die Türken fallen hier gar nicht mehr so negativ auf, wie womöglich die anderen Herkunftskinder. Die kloppen sich alleine untereinander ständig den Schädel ein ohne das hier ein rechtsradikaler überhaupt daran teilhat. Doch leider benehmen sich etliche auch uns gegenüber durchgehend mies. Ich glaube das viele rechtsradikale einfach eben alle dann über einen Kamm scheren nur, weil viele sich daneben benehmen. So entsteht stets das gleiche Prinzip und ergo mehr Faschismus. Wundern muss man sich nicht, aber das ist ein anderes Thema.

Fakt ist, dass es diese Hochburgen gibt. Es gibt sogar in Sachsen, glaube Koethen, eine ganze Familie, die sich dort fleißig weiter vermehrt, um es mal richtig derb salopp zu sagen. Die Kinder können schon als erstes den „Heil Hitler“ Gruß. Alle sind schwer Alkoholkrank, arbeitslos usw. das klassische Bild, was viele von dem klassischen „Nazi“ haben. So etwas gibt es leider immer mehr. Doch es ist schon so, wie Wawa sagt. Nicht mehr Bomberjacke, Springerstiefel und Glatze sind die Markenzeichen. Vieles geht unter versteckter Hand, sodass man es niemanden mehr ansehen muss.

» Glasreinigerin » Beiträge: 1008 » Talkpoints: 0,10 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Wenn ich die Zustimmung zur NPD besonders im Osten sehe, dann frage ich mich tatsächlich, ob die Leute dort lesen können. Die NPD verspricht alles und lügt einem ohne rot zu werden. Eigentlich besteht der Wahlprogramm nur aus einer Forderung: Ausländer ausschaffen. Im Osten hat die NPD einige kleine Hochburgen, aber auch dort wollen immer weniger in den Ruf kommen, mit der Ideologie identifiziert zu werden, weil es eben zu dämlich ist und statt sich wie die FPÖ oder Front National weiterzuentwickeln, hat die NPD sich zurückentwickelt.

» Juri1877 » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von ten points am 25.05.2014, 12:41, insgesamt 1-mal geändert. Zeige Beitragsversionen


Zunächst einmal kann man sagen, dass eine Glatze haben nicht gleich bedeutet, man sei ein Nazi. Es gibt Leute, denen z.B. schlicht und einfach die Haare ausgefallen sind, die sie aus optischen oder sportlichen Gründen ab rasiert haben und es gibt sogar manche Punks, die gelegentlich eine Glatze tragen.

Dass speziell in Sachsen solche Hochburgen herrschen war mir nicht bekannt. Ich habe nur schon am Rande mitbekommen, dass eher Städte betroffen sind bzw. auf dem Dorf mitbekommen, dass es allgemein von der Gemeinschaft abhängt und wie eben die Einstellung in jenem Dorf ist.

Dass es aber immer noch so viele Rechtsradikale gibt nach alldem was passiert ist, ist erschreckend. Klar geht nicht jeder der rechts eingestellt ist, auf Ausländer los. Ich denke manche z.B. fühlen sich nur aus irgendwelchen Gründen benachteiligt gegenüber neu zugezogenen oder hatten ein schlechtes Erlebnis. Richtig radikal sind hoffentlich die Wenigsten.

Bei der NPD weiß man ja schon, dass da sehr extreme Sachen gelaufen sind und da sollte man wirklich vorsichtig sein. So massiv ist es denke ich nirgendwo, dass man tagein tagaus nur Nazis treffen wird. Aber sie sind nunmal in Gruppen zusammen und beweisen ihre Zugehörigkeit. Dann kann man ungefähr schätzen, wie viele Rechtsradikale in einer Stadt sind und auf die Einwohnerzahl hochrechnen. Selbst wenn man keine Umfragen macht erkennt man ja wie viele rechte Sprüche z.B. irgendwo in der Stadt hingesprüht wurden oder auch wie viele Gewalttaten gegen Ausländer es gab. Mich erschreckt es wie wenig fortschrittlich so manche Menschen sind.

» crazykris1 » Beiträge: 605 » Talkpoints: 37,24 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^