Bekannter hat totale Larifari-Mentalität - wie wird man so?

vom 15.05.2014, 19:13 Uhr

Ich selber interessiere mich schon für viele Jahre für das Geocaching. Leider kann mein aktueller Partner damit nichts anfangen, sodass ich nun also nach neuen Bekanntschaften hier in der Gegend, mit denen ich mal geocachen gehen kann, gesucht habe. Über diverse offizielle und inoffizielle Geocaching-Foren kann man ja leicht Kontakte knüpfen und dann gemeinsam auf Fahrt gehen. Das macht so oftmals mehr Spaß, als wenn man alleine unterwegs ist. In abgelegenen Gegenden ist es außerdem wahrscheinlich auch sicherer.

Nun habe ich also auf dem Weg einen neuen Bekannten kennengelernt, vor ein paar Wochen schon. Geocachingtechnisch komme ich mit ihm auch gut zurecht. Aber er hat irgendwie eine Weltsicht, über die ich mich echt wundere. Natürlich ist das sein gutes Recht, aber ich frage mich einfach, wie man zu so einer Einstellung kommt. Vielleicht kennt Ihr ja jemanden, der genauso ist, und wisst, woher so etwas kommt?

Aber worum geht es überhaupt? Ich habe einfach den Eindruck, dass der Bekannte eine totale Larifari-Mentalität hat. Irgendwie hat er für alles, selbst für die schlimmsten Dinge, immer irgendeine Rechtfertigung oder Entschuldigung parat. Außerdem hat er zu fast nichts eine Meinung. Diskutieren kann man mit ihm theoretisch über nichts, weil er immer totale Wischiwaschi-Antworten gibt.

Politisch scheint er ja offenbar auch keinerlei Richtung zu vertreten. Er sagt zwar, er habe etwas "gegen Nazis", aber ansonsten scheint ihm das alles egal zu sein. SPD, CDU, FDP, die Linke, seiner Meinung nach hätten alle ihre positiven und negativen Seiten, und die Wahl gewinnen solle halt seiner Meinung nach der, der bei den meisten Wählern ankommt.

Natürlich ist nicht jeder Mensch politisch interessiert oder hat überhaupt von Politik halbwegs eine Ahnung. Aber auch ansonsten fällt der Bekannte nicht gerade dadurch auf, dass er seine Mitmenschen irgendwie ethisch oder moralisch von ihrem Verhalten her beurteilt.

"Intensivstraftäter", Jugendliche, die regelmäßig andere Menschen zusammenschlagen und ausrauben, nimmt er mit dem Argument in Schutz, die hätten bestimmt eine schwere Kindheit gehabt, also solle man doch nicht so streng mit ihnen sein. Als ich mich mal über Bettler, die richtig aggressiv geworden sind, weil ich ihnen kein Geld gegeben habe, aufregte, meine er nur, ich solle die armen Leute verstehen, die müssten hungern, kein Wunder, dass sie so frustriert seien. Einmal hat hier ganz in der Gegend ein betrunkener Autofahrer einen Radfahrer angefahren. Der Kommentar meines Bekannten: Das könne ja mal vorkommen, dass man betrunken fährt, vielleicht habe der Fahrer ja einen schlechten Tag gehabt und sei frustriert von der Arbeit oder von zuhause gewesen. Und als ich erzählte, wie mich mal jemand in der U-Bahn belästigte und alle Leute gafften, aber keiner einschritt, durfte ich mir anhören, das solle ich mir nicht zu Herzen nehmen, so sei es in der Großstadt nun einmal. Das war dann auch der Spruch, wo es mir erst einmal gereicht hat und wo ich auch auf Distanz von diesem Menschen gegangen bin.

Hobbymäßig bin ich dann zwar nach einer Weile wieder mit ihm in Kontakt gekommen, aber als ich gestern mit ihm wieder eine Runde unterwegs zum Geocaching war, kam wieder so ein meiner Meinung nach doofer Spruch. Und zwar sagte ich, dass ich es nicht verstehen könne, dass bei Ebay so viele Leute es nicht schaffen würden, innerhalb von 2 Wochen zu zahlen. Und dass ich der Meinung bin, dass ein erwachsener Mensch es doch wohl schaffen sollte, etwas, was er kauft, auch zu bezahlen. Und dass es echt traurig ist, dass die Leute es selbst nach mehrfachen Ermahnungen nicht schaffen, zumindest mal eine Nachricht zu schreiben und mich zu informieren, was Sache ist. Mein Bekannter daraufhin nur: "Ach, das ist doch menschlich. Vielleicht haben sie die Auktion vergessen oder sind jetzt in den Urlaub gefahren. Kann doch immer mal passieren!"

Ich kann das echt nicht verstehen. Ich meine, ja, natürlich ist es schön, wenn man sein Leben gelassen angeht. Sich aufzuregen, ist ja wirklich nicht gut für die Laune. Aber immer alles irgendwie zu entschuldigen und keine richtigen Meinungen zu haben, das finde ich schon seltsam. Wie wird man so? Liegt das in der Erziehung durch das Elternhaus? Oder welche Gründe hat so ein Verhalten? Könntet Ihr mit jemandem, der so denkt, auf Dauer zurechtkommen, oder würde Euch das Verhalten auch irgendwann nerven?

Mir ist natürlich klar, dass ich diesen Bekannten nicht umkrempeln kann. Das will ich auch nicht, und es ist auch gar nicht mein Recht! Wenn es mir zu nervig wird, kann ich lediglich den Kontakt einschränken. Mich würde aber einfach interessieren, wie man so einen Charakter eigentlich entwickelt. Denn das ist mir derzeit echt rätselhaft.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Wie gut kennst du denn deinen Bekannten? Kann es sein, dass er sich in früherer Zeit selbst ständig rechtfertigen musste? Vielleicht selbst häufig (hoffentlich nur verbal) angegriffen wurde? Von Bekannten, Geschwistern, sonstigen Verwandten, Lehrern, Arbeitgebern oder sonst wem? Dann könnte ich mir durchaus vorstellen, zu Allem "Ja und Amen" zu sagen, um nicht selbst wieder angegriffen zu werden.

Irgendwie scheint dir der Mensch ja wichtig zu sein! Das unterstelle ich jetzt mal, sonst würdest du kaum so eine Frage stellen und so detailliert schildern. Hast du dir denn mal die Mühe gemacht und ihn einfach mal selbst freundlich gefragt? "Was ist in deinem Leben, wie gelaufen, dass du heute so reagierst?" Vielleicht bist du überrascht, sollte er dir antworten. Und wenn er sich wieder in Ausflüchte begibt, kannst du ihn kaum zwingen! Nur wirkliches Interesse, Zeit, Höflichkeit und Respekt können jemanden dazu bringen dir zu vertrauen? Also, wenn es dich wirklich interessiert, lass im die Zeit, dir zu vertrauen! Vielleicht gewinnst du eine wirklich guten Freund!

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» Marco1971 » Beiträge: 8 » Talkpoints: 3,36 »


Wie gut kann man jemanden kennen, mit dem man erst seit ein paar Wochen in Kontakt steht und mit dem man im Grunde bloß nebenbei etwas quatscht, während man durch die Gegend fährt oder wandert? Natürlich weiß ich wenig über seine Kindheit. Normalerweise bindet man solche Informationen ja auch niemandem auf die Nase, insbesondere, wenn man eine unglückliche Kindheit gehabt hat. Also dass diese Zeit problematisch verlief, kann ich nicht ausschließen.

Dass ich diese Gleichgültigkeit gegenüber so vielen Dingen merkwürdig finde, habe ich schon einmal freundlich angemerkt. Als Reaktion kam, passend zum Bisherigen: "So bin ich halt." Also wenig Aufschlussreiches. Aber wer weiß, vielleicht sind einige Leute auch wirklich einfach so? Vielleicht ist es ein Charakterzug wie jeder andere, nur, dass er mir selbst etwas ungewöhnlich vorkommt.

Aber Du hast schon Recht, vielleicht kommt das Thema irgendwann genauer zur Sprache. Aufzwingen will ich es ihm definitiv nicht, also wenn er mal darüber reden möchte, dann kann er das ruhig tun. Ihn löchern werde ich nicht damit. Ich möchte auch nicht unbedingt einen Streit heraufbeschwören, und heftige emotionale Reaktionen können ja durchaus auftreten, wenn man nach Jahren noch einmal an eine emotionale, als unglücklich in Erinnerung gebliebene Zeit erinnert wird. Wenn es denn so gewesen sein sollte, wie gesagt, ich weiß es nicht.

Man darf auch gespannt sein, ob und wie der Kontakt sich hält. Denn anders, als Du schließt, deutet meine Frage nicht einmal auf ein überdurchschnittliches Interesse an diesem Bekannten hin. Selbst bei jemandem, den ich gar nicht leiden kann, hätte ich bei einem derart ungewöhnlichen Verhalten wohl hier gefragt, wie so etwas zustande kommt. Ich bin eben ein Mensch, der sich dafür interessiert, wie die menschliche Psyche funktioniert und wie Personen sich in ihrem Leben entwickeln. Dazu bedarf es nicht einmal einer Freundschaft.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



So wie es Menschen gibt, die sehr vielseitig interessiert sind, so gibt es eben auch Leute, die eben da kein Interesse entwickeln können. Da muss nicht mal unbedingt Ursachen vorhanden sind, aber Menschen sind eben nicht gleich. Ich kann mich zum Beispiel auch für viele Dinge interessieren. Auch wenn sie thematisch nicht zusammenpassen. Für Geocaching zum Beispiel kann mich aber beim besten Willen nicht erwärmen.

Und so gibt es eben auch Menschen, die eben absolut keine politische Einstellung haben. Dass du das als Larifari-Einstellung siehst, ist deine persönliche Sichtweise. Aber auch wenn man so unterschiedliche Lebensweisen hat, muss das gemeinsame Hobby ja nicht darunter leiden. Man muss es nur akzeptieren, dass er eben anders ist als du.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



Ich glaube, dann hättest du mit mir manchmal auch so deine liebe Not - in bestimmten Situationen reagiere ich nämlich genauso wie dein Bekannter. Allerdings ist diese Reaktion nicht der Tatsache geschuldet, dass ich mich für nichts interessiere und mir alles egal ist, manchmal ist sogar genau das Gegenteil der Fall. Nur habe ich in den letzten Jahren schon oft feststellen müssen, dass es schlichtweg sinnlos ist, mich aufzuregen. Ich habe schon zahlreiche Enttäuschungen erfahren und darauf natürlich auch schon emotional reagiert, langfristig neige ich aber zur Relativierung, weil doch nichts besser wird, wenn ich mich errege, sondern ich mir und meiner Laune nur selbst schade. Teilweise sehe ich diese Larifari-Mentalität, wie du sie nennst, sogar als Zeichen intelligenter Überlegenheit.

Was zum Beispiel die Politik betrifft, würde ich deinem Bekannten nicht einmal Desinteresse unterstellen. Ich interessiere mich sehr für Politik und würde von mir behaupten, durchschnittlich gut informiert zu sein, trotzdem könnte eine ähnliche Aussage auch aus meinem Mund kommen. Keine Partei bekleckert sich ausschließlich mit Ruhm, jede tut Dinge, die ich nicht gutheißen kann. Natürlich gibt es Parteiideologien, mit denen ich mehr sympathisiere als mit Anderen, und auch welche, die ich absolut nicht nachvollziehen kann, nur dass sich viele Parteien nur noch bedingt an ihre Ideologie halten, da gibt es kaum einen roten Faden. Ich fände es vermessen, eine einzige Partei zu verfechten und vor der letzten Wahl habe ich auch gesagt, dass wohl der gewinnen wird, der sich am besten präsentiert hat.

Ich bin bei einem Streit auch grundsätzlich er Mensch, der relativiert. Wenn sich zwei meiner Freunde streiten, versuche ich immer, beide Positionen zu beleuchten. Wenn sich dann einer dieser Freunde bei mir beschwert, kommt bestimmt etwas wie "Ich würde mir wünschen, dass du auch seine Position verstehst." Ganz ähnlich ist es mit deinem Beispiel die vergessene Zahlung betreffend. Natürlich kann ich mich aufregen, nur was bringt mir das? Besser für mein Gemüt ist es doch, wenn ich tatsächlich von einem Versehen ausgehe, eine Mahnung schreibe und zumindest vorerst an das Gute im Menschen glaube.

Natürlich rege auch ich mich manchmal auf, nur sehe ich die Gelassenheit deines Bekannten als sehr erstrebenswerte Eigenschaft und trainiere mich selbst in diese Richtung. Genervt wäre ich von solch einem Verhalten also absolut nicht, vorausgesetzt, man findet trotzdem noch ein Gesprächsthema. Vielleicht ist er wirklich ein desinteressierter Mensch, vielleicht hat er sich aber einfach schon genug empört und arbeitet an seiner Gelassenheit, aber gleich auf eine schlechte Kindheit oder dergleichen zu schließen empfinde ich als übertrieben.

» Anemone » Beiträge: 1740 » Talkpoints: 764,26 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Natürlich muss man sich nicht für alles interessieren. Und eine Thematik von vielen unterschiedlichen Seiten anzugehen und facettenreich wie sie ist zu betrachten, finde ich auch gut. Und zu einigen Dingen, die einen nicht interessieren, muss man natürlich auch keine Meinung haben. Bei Dingen, von denen man null Ahnung hat, halte ich das sogar für intelligenter.

Aber ich habe leider einfach manchmal wirklich das Gefühl, dass mit dem Bekannten eine richtige Unterhaltung oder Diskussion gar nicht in Gang kommt. Nach dem ersten Satz meinerseits in die Richtung kommt schon immer ein "Aber..." oder "Naja, ist eben so." oder eine andere ziemlich aussagelose Antwort. Man kommt nicht tiefer in eine Thematik hinein, egal, um was es geht, habe ich den Eindruck.

Das finde ich tatsächlich leider etwas langweilig, wenn man gemeinsam stundenlang unterwegs ist. Wenn ich schon mit einem anderen Menschen herumlaufe oder herumfahre, würde ich ja gerne mehr als bloß einzelne beliebige Sätze wechseln. Wie gesagt, nie geht es tiefer, nach einem Satz ist das Thema so schon abgehakt. Ich bin zwar auch ein Mensch, mit dem man gemeinsam schweigen kann, und ich muss nicht wie ein Wasserfall plappern, aber über Stunden nichts Substantielles auszutauschen, mag ich selber dann doch eben nicht so sehr. Aber vielleicht ist der Bekannte einfach so, dann werde ich damit leben oder eben in anderer Begleitung geocachen müssen.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


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