Europa-Parlament - warum zählen einige Stimmen mehr?
Ich habe eine Frage zum Europa-Parlament. Wie hängt das zusammen mit den Stimmen. Warum zählen nicht alle Stimmen gleich viel? Wie ich hörte, zählen die Stimmen der Luxemburger zehnmal mehr als die Stimmen anderer Länder. Warum zählen nicht alle Stimmen gleich viel? Worauf ist das zurückzuführen? Es ist mir nicht klar, warum die Stimmen eines relativ kleinen Landes wie Luxemburg zehnmal mehr Gewicht haben, als die größerer Länder. Ist das gerecht?
Ja, ich als Luxemburgerin finde es gerecht. Genauso wie die Deutschen es wahrscheinlich ungerecht finden. Das Problem ist, dass es kein einheitliches Wahlsystem gibt, sondern überall sind die Wahlen anders organisiert. Auch spielen sogenannte Sperrklauseln eine relevante Rolle. Deutschland ist mittlerweile hinausgefallen, aber für andere Staaten wie Frankreich existieren sie weiterhin.
Dann spielt die Anzahl der Abgeordneten noch eine Rolle. Deutschland hat 96 Sitze, kleine Länder wie Malta zum Beispiel nur 6 Sitze. Eine Proportionalität ist hiermit nicht gegeben und man mag denken, dass Deutschland nun deutlich mehr Stimmrecht hat. Jedoch vertritt ein Abgeordneter in Deutschland deutlich mehr Menschen, somit zählen die Stimmen der deutschen Wähler weniger als die Stimmen anderer EU-Bürger.
Einen Unterschied macht auch die Wahlpflicht der verschiedenen Länder aus. Da zum Beispiel in Zypern, Luxemburg, Belgien, und so weiter die Wahlbeteiligung bis zu 100% beträgt, während sie sich in Deutschland wacker mit circa 43 % hält, kann man hier theoretisch auch einen Grund sehen. Auch könnte ein Mindestalter der Wahlberechtigten eine Rolle spielen. In Österreich dürfen bereits 16-Jährige bei der EU-Wahl teilnehmen, im Rest Europas ist dies erst ab 18 gegeben. Dann könnte man noch Faktoren wie zum Beispiel das Mindestalter der Kandidaturen, die Unterschiede zwischen den Wahltagen, welche einen Einfluss auf Wahlergebnisse haben könnten, die Öffnungszeiten der Wahllokale oder ein offenes oder geschlossenes Listensystem.
Luxemburg hat zum Beispiel ein offenes Listensystem, sprich die Wähler können Präferenzen für einen Kandidaten auf der Liste angeben. Deutschland hat ein sogenanntes geschlossenes Listenssystem, sprich die Parteien können die Rangfolge der Kandidaten selbst festlegen und die Wähler können ihre Stimme nur der Partei geben. Unterschiede findet man auch in den Stimmzetteln, in Deutschland unterscheiden sie sich sogar von Bundesland zu Bundesland.
Ich denke jedoch auch, dass das Bruttoinlandsprodukt eine Rolle spielen könnte. Aber ich bin mir hierbei unsicher. Das kleine Luxemburg gehört immer noch zu den reichsten Ländern. Wenn man dieses Problem lösen möchte, dann muss überall eine Wahlpflicht zu gleichen Bedingungen einführen. Sprich in Italien dürfte man gegebenenfalls nicht mehr bis 23 Uhr wählen und man könnte sich nicht mehr vor der Wahl drücken.
Ich denke jedoch, dass noch deutlich mehr Faktoren eine Rolle spielen. Das EU-Recht ist mir außerdem auch zu komplex, um wirklich alle Punkte darzulegen. Ich denke weniger, dass es nur mit den Sitzen der Abgeordneten oder der Wahlpflicht der einzelnen Länder zu tun hat, sondern noch tiefergreifende Faktoren hier vorkommen. Aber genauer erläutern möchte ich dies nun nicht, das gibt einen seitenlangen Text.
@Wibbeldribbel, ich danke dir für diese tolle Erklärung. Es scheint tatsächlich nicht so einfach zu sein, durch das europäische Wahlrecht einigermaßen durchzukommen. Da müsste man sich schon sehr lange mit befassen. Es ist allerdings seltsam, dass es kaum möglich ist, das Wahlrecht in eine Wahlpflicht umzuwandeln und auch in jedem Land gleiche Bedingungen zu schaffen. Das ist ja schon ein krasser Unterschied, wenn in Luxemburg die Wahlbeteiligung 100% beträgt und in Deutschland nicht einmal die Hälfte. Da ist doch etwas faul bei uns.
Ich erinnere mich daran als ich das erste Mal drüben wählen durfte. Auf dem Wahlschreiben stand klipp und klar, dass man eine vierstellige Geldstrafe bis hin zu drei Jahren Gefängnis erhalten kann, wenn man seine Wahlpflicht nicht annimmt. Ob es bisher zu Strafen gekommen ist, kann ich nicht sagen. Auch kann ich nicht sagen, ob es leere Drohungen waren. Auch drüben gibt es bestimmt einige Drückeberger, die nicht wählen gehen. Ob dies mittlerweile immer noch auf den Einladungen steht kann ich leider nicht sagen, dazu müsste ich demnächst mal meine Mutter fragen.
Ich weiß nicht, wie das bei uns aufgenommen würde, wenn man einen Wahlschein bekommt, auf dem eine Drohung steht, dass man bestraft wird, falls man nicht wählen geht. Bei der geringen Wahlbeteiligung würden sich einige Bundesbürger ganz schön aufregen. So einfach ließe sich das nicht durchsetzen. Vielleicht denken die Luxemburger anders darüber.
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